Zur Psychologie der Hundehaltung

1. Wie alles begann
Da ich selber als Jugendlicher auf dem Lande nacheinander vier Hunde hatte, hat mich das Phänomen immer sehr interessiert, dass es Stadtmenschen gibt, die sich einen oder mehrere Hunde halten. Warum tun sie das und wie unterscheiden sie sich von Menschen in der Großstadt, die sich keinen Hund halten? Die Möglichkeit, hierüber eine eigene empirische Untersuchung durchzuführen, bestand für mich insofern, als ich an der TU in Berlin Kurse in den Methoden empirischer Sozialforschung durchführe und es nur am Thema interessierter Studierender bedurfte, um eine solche Untersuchung zu beginnen. So befragten meine Studierenden ab dem Wintersemester 1999/2000 viele Berliner in Gegenden, in denen man Spaziergängern mit und ohne Hund begegnet. Zusätzlich wurden Fragebogen in einer Berliner Tierarztpraxis ausgelegt. Weiterhin wurden Zuhörer einer Podiumsdiskussion zur Berliner Hundehaltungsverordnung befragt, sowie Mitglieder eines Berliner Hundesportvereins. Angestrebt wurde eine Zusammensetzung der Stichprobe, bei der etwa ein Verhältnis von 1:1 zwischen folgenden Gruppen erreicht wurde: Menschen mit und ohne Hund, Frauen und Männer, ältere und jüngere Menschen. Wir wählten dieses Vorgehen, weil der Aufwand, eine repräsentative Stichprobe aus einer Berliner Hundesteuerkartei zu ziehen, in einem Semester nicht zu bewältigen war. Weiterhin wollten wir in der Auswertung nicht nur den „normalen" Hundebesitzer mit dem Nicht-Hunde-Besitzer kontrastieren, sondern auch den engagierten, organisierten Hundebesitzer.

Die Tabelle 1 zeigt die Verteilung der bis zum Juni 2001 befragten Personen auf Männer und Frauen und auf den Besitz von Hunden.

Da das Ausfüllen des Fragebogens nicht länger als 15 Minuten dauern sollte, mußten wir uns auf etwa 50 „Items" beschränken. Wir wollten vor allem wissen, ob sich Einstellungen zu Hunden und zu Menschen bei Hundebesitzern und -nicht-Besitzern, bei Männern und Frauen, bei älteren und jüngeren Menschen charakteristisch unterscheiden. Weitere Fragen richteten sich auf Auffassungen zur artgerechten Hundehaltung etc.

2. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung

2.1. Wie sehen Hundehalter ihren Hund, was bedeutet er ihnen – im Vergleich zu Nichthundehaltern?
Zu dieser Frage ist einleitend darauf hinzuweisen, dass sich innerhalb der Gruppen der Hundehalter und der Nichthundehalter große Differenzen zeigten, die in der Regel bedeutender sind als die zwischen den Hundehaltern und Nichthundehaltern. Dennoch zeigen sich einige signifikante Unterschiede bezüglich der Einstellung zu Hunden:

Hundehalter bejahen signifikant stärker als Nichthundehalter folgende Aussagen:
– Wenn ein Hund krank ist, sollte man bereit sein, solange Geld für seine Heilung auszugeben, bis er gesund ist.
– Ich finde Menschen sympathisch, die ihren Hund für ihren wichtigsten Freund halten.
– Hunde müssen keine besonderen Aufgaben haben. Wichtig ist nur, dass man sie in der Nähe haben kann.
– Mein Hund soll mir ein Freund sein.
– Mein Hund soll mir Gelegenheit geben, mit anderen interessanten Menschen in Kontakt zu kommen.
– Hunde haben eine Seele.
– Man sollte Hunde in Ehren bestatten.

Nichthundehalter bejahen signifikant stärker als Hundehalter die folgenden Aussagen:
– Wenn ein Hund seine Aufgaben nicht erfüllt, sollte man sich einen anderen Hund anschaffen.
– Mein Hund soll Wach- und Schutzhund sein (wenn ich einen hätte).
– Mein Hund soll einer bestimmten Rasse angehören (wenn ich einen hätte).

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Hundehalter in der Stadt überwiegend keinen „Funktionshund" halten wollen, sondern eher, wie es meine Studierenden ausdrückten, einen „Kuschelhund", der auch als Kontaktagent fungieren kann. Der Funktionshund wird auch gewünscht, aber nur bei einer Minderheit der Hundehalter(innen). Demgegenüber herrschen bei Nichthundehaltern Präferenzen gegenüber Hunden vor, die sich eher auf einen Hund richten, der bestimmte Aufgaben (Funktionen) zu erfüllen hat (im Handeln und im Aussehen), und der auch wieder abgeschafft wird, wenn er diesen Aufgaben nicht gerecht wird.

2.2. Wie unterscheiden sich Hundehalter und Nichthundehalter in bezug auf ihre Einstellung zu Menschen?
Bei der Einstellung zu Menschen (und zu sich selbst) ergaben sich signifikante Unterschiede zwischen Hundehaltern und Nicht-Hundehaltern bei folgenden Aussagen:

Nichthundehalter
stimmen folgenden Aussagen signifikant häufiger zu, (was auf relativ größere Mobilität der Nichthundehalter schließen läßt):
– Ich mache gern lange und weite Reisen.
– Ich habe schon viel von der Welt gesehen und war oft im Ausland.

Hundehalter stimmen folgenden Aussagen signifikant häufiger zu, (was auf relativ höheres Dominanzstreben der Hundehalter schließen läßt):
– Ich versuche, wenn sich die Gelegenheit bietet, Verantwortung zu übernehmen.
– Ich selber bin ein Mensch, der sich gut durchsetzen kann.
– Wenn ich eine Gelegenheit sehe, anderen zu helfen, nehme ich sie wahr.

Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Hundehaltern und Nichthundehaltern bei einer großen Gruppe von Items, die das Verhältnis zu anderen Menschen beschreiben, wie: „Ich versuche, zu anderen Menschen enge persönliche Bindungen zu haben"; „ich mag es, wenn andere mich vertraulich und persönlich behandeln"; „ich fühle mich wohl, wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin"; „ich versuche, am Leben von Vereinen und Clubs teilzunehmen"; „ich habe ziemlich viel Mut, Angst kenne ich nicht"; „Ich lege Wert auf mein Äußeres"; „Ich habe Freude an schönen und schnellen Autos beziehungsweise eleganten Wohnungen".

Hiernach kann man annehmen, dass sich bei vielen – wenn auch nicht allen – Hundehaltern das Verhältnis zu anderen Menschen (auf der Einstellungsebene) nicht wesentlich vom Verhältnis der Nicht-Hundehalter zu ihren Mitmenschen unterscheidet: Besonders das Bedürfnis, von anderen persönlich wahrgenommen zu werden, unterscheidet sich bei Nichthundehaltern nicht von dem gleichen Bedürfnis der Hundehalter. Nur das Bedürfnis, andere Menschen in gewisser Weise zu kontrollieren (durch Verantwortungsübernahme, durch Hilfsangebote, aufgrund stärkerer Durchsetzungsfähigkeit) ist bei Hundehaltern stärker ausgeprägt: Sie sind hiernach etwas dominanter.

2.3. Wie unterscheiden sich Männer und Frauen in bezug auf ihre Einstellung zu Hunden?
Die Differenz von Frauen und Männern in ihrer Einstellung zu Hunden ist folgende:

Frauen stimmen folgenden Aussagen signifikant häufiger als Männer zu:
– Hunde müssen keine besonderen Aufgaben haben, wichtig ist nur, dass man sie in der Nähe haben kann.
– Mein Hund soll mir ein Freund sein.
– Hunde haben eine Seele.
– Man soll Hunde in Ehren bestatten.

Männer hingegen stimmen folgenden Aussagen signifikant häufiger zu:
– Wenn ein Hund seine Aufgaben nicht erfüllt, sollte man sich einen anderen Hund anschaffen.
– Mein Hund soll schön und auffallend sein.
– Präferenz für einen großen (u. eventuell gefährlichen) Hund.

Hier zeigt sich, dass Männer eher ein funktionales Verhältnis zum Hund haben: entweder soll er definierte Leistungen erbringen oder repräsentativen Zwecken dienen. Dazu eignen sich große Hunde eher als kleine. Frauen haben hingegen eher ein emotionales Verhältnis zum Hund, der vor allem als Partner angesehen wird, der Zuneigung und Zuwendung geben und nehmen kann.

2.4. Wie unterscheiden sich ältere und jüngere Menschen in ihrer Einstellung zu Hunden?
Alte und junge Menschen unterscheiden sich in ihrer Einstellung zu Hunden. Alte Menschen stimmen signifikant häufiger bei folgenden Aussagen zu:
– Ich mag Menschen, die immer einen Hund in ihrer Nähe haben wollen.
– Wenn der Hund krank ist, sollte man bereit sein, solange Geld für seine Heilung auszugeben, bis er gesund ist.
– Ich finde Menschen sympathisch, die ihren Hund für ihren wichtigsten Freund halten.
– Mein Hund soll mir Gelegenheit geben, mit anderen interessanten Menschen in Kontakt zu kommen.

Junge Menschen stimmen signifikant häufiger bei folgender Aussagen zu:
– Mein Hund soll schön und auffallend sein.

Während hiernach das Kontaktmotiv bei älteren Menschen überwiegt, steht bei jüngeren Menschen das Motiv im Vordergrund, mit dem Hund auch ein bißchen angeben zu können.

2.5. Was stellen sich die Befragten unter artgerechter Haltung eines Hundes vor?
Die Aussagen zur artgerechten Hundehaltung enthalten 3546 einzelne Stichworte, also ca. 7 Stichworte pro Befragten. Aus diesen Stichworten ließen sich die folgenden Kategorien bilden (Tabelle 2):

Auffällig ist, dass die in Tabelle 2 genannten Kategorien auch auf die „artgerechte Haltung" eines menschlichen Partners gut zutreffen würden, wenn man sie sinngemäß umformulieren würde. Die Tendenz, den Hund im eigenen Bewußtsein zu vermenschlichen, ist unübersehbar. Auf die Möglichkeit, dass der Hund ein Rudel braucht, wird nur in etwa etwa 0,5 Prozent der Nennungen hingewiesen.

2.6. Der Hund im Zusammenhang mit Luxus.
Neben ihrer Bedeutung als Kuscheltier, Kamerad, Aufgabenträger (Polizeihund, Wachhund, Jagdhund, Blindenhund) haben manche Hunde besonders die Aufgabe, schön und/oder auffallend zu sein. Es ist nicht überraschend, dass die Aussage, „Mein Hund soll schön und auffallend sein" statistisch signifikant mit den folgenden Aussagen zusammenhängt:
– Ich lege Wert auf mein Äußeres
– Ich habe Freude an schönen und schnellen Autos beziehungsweise eleganten Wohnungen.

Überraschend ist eher, dass auch ein signifikanter Zusammenhang mit der Aussage besteht:
– Mein Hund soll Wach- und Schutzhund sein.

Wahrscheinlich ist es so, dass Menschen, die Luxus lieben und sich ihn auch leisten können, sowohl eine hohe Präferenz für Wachhunde als auch für Hunde entwickeln, die ihnen helfen, den Luxus zu demonstrieren. Sie scheinen hierbei großen Wert darauf zu legen, dass eine dieser Funktionen auch erfüllt wird. Diese Vermutung wird teilweise gestützt durch das folgende Ergebnis:

Vor allem für Männer besteht überraschenderweise ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Präferenz für schnelle Autos etc., und der Bereitschaft, den Hund abzuschaffen, wenn er seine Aufgaben – vermutlich das Bewachen oder das Demonstrieren irgendeiner Eigenschaft – nicht erfüllt. Hier wird durch die Statistik ein bißchen von der dunklen Seite der Hundehaltung sichtbar gemacht: Nämlich von der Zuweisung von aggressiven oder ästhetischen Aufgaben an Hunde.

3. Eine Bitte zum Schluß
Meine Studierenden fanden die Untersuchung hoch interessant und waren außerordentlich motiviert, sie zu unterstützen. Aus diesem Grunde führe ich die Untersuchung auch weiter. Ich suche daher noch weitere Menschen, die bereit sind, unseren Fragebogen auszufüllen. Wo, besonders in Hundesport oder -zuchtvereinen, die Bereitschaft hierzu besteht, sende ich – vermittelt durch die Redaktion von WUFF – gerne einen Satz Fragebogen zu.

>>> WUFF – KURZPORTRAIT

Der Autor

Prof.Dr. Bernhard Dieckmann, 63 Jahre, ist seit 1968 in der Bildungsforschung tätig und seit 1975 Inhaber eines Lehrstuhls für Methoden der empirischen Sozialforschung in Berlin, seit 1980 an der TU-Berlin. Sein Hauptforschungsgebiet betrifft die Erwachsenenbildung und -Weiterbildung.

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