Zu viel Speck auf den Rippen?

Von Dr. Hans Mosser

Übergewicht bei Hund & Mensch

Wie kann ich feststellen, ob mein Hund übergewichtig ist? In diesem Artikel beschreibt WUFF-Herausgeber Dr. Hans Mosser die Kriterien zur Bestimmung von Übergewicht beim Hund und geht auch kurz ein auf die Ursachen und Folgen von Übergewicht sowie Zusammenhänge mit bestimmten hundlichen Verhaltensmustern, die denen bei Menschen sehr ähnlich sind, wie eine Studie kürzlich gezeigt hat.

Der Anteil adipöser (fettleibiger) Personen ist in den letzten Jahrzehnten weltweit rasch angestiegen, er hat sich von 1980 bis 2015 in mehr als 70 Ländern verdoppelt! Rund 30% der Weltbevölkerung (das sind ca. 2,2 Milliarden Menschen) sind nach einer Studie der Universität von Washington aus dem Vorjahr adipös (Afshin 2017). Die Messung des Ernährungszustandes eines Menschen wird durch den Body Mass Index (BMI) angegeben, der sich aus Körpergewicht und Körpergröße errechnet, genauer: Gewicht in kg dividiert durch [Körpergröße in m]². Als Normalgewicht eines Menschen wird ein BMI-Wert von 18,5–24,9 angegeben. Fettleibigkeit (Adipositas) ist definiert durch einen BMI von über 30, wobei man bei einem Wert zwischen 25 und 30 von Übergewicht spricht.
Allein im Jahr 2015 starben lt. der o.a. Studie rund 4 Millionen Menschen an den Folgen der Fettleibigkeit, und zwar zu zwei Dritteln aufgrund der dadurch verursachten Herz-Kreislauferkrankungen, zu einem Drittel durch die Folgen von Diabetes (in 10%), chronischen Nierenerkrankungen oder Krebs.

Doch ist die weltweit nachweisbare Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit nicht nur ein Problem des Menschen, sondern auch das seines vierbeinigen Gefährten. Auch rund ein Drittel der Haushunde sei davon betroffen, so eine Studie aus den USA (Lund 2006). Eine Studie der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU), an deren Medizinischer Kleintierklinik es sogar eine eigene klinische Adipositas-Sprechstunde gibt, spricht gar von 52 Prozent übergewichtiger Hunde (Becker 2012).

Gewicht: Was ist beim Hund normal?
Da der BMI ausschließlich beim Menschen angewandt wird, stellt sich nun die Frage, wie Normal- bzw. Übergewicht und Fettleibigkeit beim Hund gemessen werden. Während sich die verschiedensten Gesundheits- bzw. Krankheitsparameter des Menschen auf einen sog. Standardmenschen von 70 kg beziehen, besteht bei Hunden eine deutlich größere Variabilität, was deren Morphologie, Größe und Gewicht betrifft. Man denke nur an den Unterschied zwischen einer Dogge und einem Chihuahua.

Studien zum Normalgewicht einer bestimmten Hunderasse gibt es nicht, wohl auch aufgrund der Variabilität innerhalb einer einzigen Rasse, und zudem wären auch die Mischlingshunde nicht erfasst. Somit kann bei Hunden nicht der vom Körpergewicht mitbestimmte BMI relevant sein, vielmehr sind andere Parameter zur Bestimmung des hundlichen Ernährungszustandes erforderlich.

Body Condition Scale/Score
In der Veterinärmedizin wird zur Bestimmung des Ernährungszustandes eines Hundes ein sog. BCS (Body Condition Scale, oder Score; Body Conditon steht für Körperzustand) definiert, der sich vor allem auf den sicht- und spürbaren Körperfettanteil bezieht. D.h. zur Bestimmung, ob der Hund normal oder übergewichtig ist, muss er nach gewissen Kriterien von oben und von der Seite betrachtet sowie auch abgetastet werden. Sind die Rippen tastbar? Ist beim Hund – von oben betrachtet – eine Taille erkennbar? Wie verläuft die untere Bauchlinie von der Seite gesehen (eingezogen oder vorgewölbt)?

Ist mein Hund zu dick?
Grundsätzlich lässt sich als sehr grobes Schema bei einem Hund mit normalem Ernährungszustand Folgendes feststellen: Die Rippen sind gut tastbar, weil sich darüber nur eine dünne Schicht Unterhautfettgewebe befindet. Außerdem lässt sich am Körper des Hundes von oben gesehen eine Taille ausmachen. Nicht so bei einem übergewichtigen Tier: Aufgrund einer dicken Fettschicht unter der Haut sind die Rippen nur schwer oder gar nicht mehr zu ertasten und auch eine Taille ist nicht erkennbar. Wenn Sie nach diesen Kriterien nun auch Ihren eigenen Hund betasten und anschauen, haben Sie schon mal einen ersten Anhaltspunkt.

Unterschiedliche BCS-Varianten
Es gibt nun verschiedene Varianten eines BCS mit unterschiedlichen Skalen. Am häufigsten sind solche mit 3, 5 oder 9 Punkten, wobei 1 stets zu dünn und der höchste Wert stets Fettleibigkeit bedeutet. Der Normalwert bei einer fünfteiligen Skala beträgt 3, bei einer neunteiligen 4 und 5. Der Weltverband der Kleintierärzte, die WSAVA (World Small Animal Veterinary Association) empfiehlt einen 9-teiligen BCS (genaue Beschreibung siehe Seite ##). Nach dieser Skala stellen 4 und 5 einen normalen Ernährungszustand dar. Ein BSC von 6 oder 7 entspricht dann Übergewicht und von 8 oder 9 Fettleibigkeit.

Ursachen der Fettleibigkeit bei Mensch & Hund
Auffallend ist jedenfalls die Parallelität des Problems Übergewicht bzw. Fett­­leibigkeit, das gleichermaßen beim ­Menschen wie beim Hund auftritt und, wie eingangs erwähnt, an Ausmaß und Bedeutung kontinuierlich zunimmt. Die Ursachen sind bei Mensch und Tier ­gleichermaßen vielgestaltig. Als die ­wichtigsten Faktoren beim Hund ­werden, abgesehen von krankheitsbedingten ­Veränderungen (bspw. Hormon­­störungen etc.)
1. eine genetische Disposition,
2. das Ernährungsverhalten und
3. Bewegungsmangel angegeben.
Bei Hündinnen gilt auch die Kastration als eine weitere Ursache (Bland 2009). Die drei zuerst genannten Faktoren sind übrigens auch diejenigen, die beim ­Menschen die wichtigste Rolle in der Entstehung von Übergewicht und Fett­­leibigkeit spielen.

Übergewicht und Depression
Neben den negativen gesundheitlichen Folgen für das Herz-Kreislaufsystem, den Stoffwechsel sowie die Krebshäufigkeit können auch Einflüsse auf den psychischen Zustand eines Menschen mit einem BMI>30 vorliegen. So hat eine Studie Depression als Folge von Fettleibigkeit nachgewiesen, nicht jedoch umgekehrt, also nicht Depression als Ursache von Fettleibigkeit. Inwieweit solche psycho-physischen Zusammenhänge auch bei Hunden bestehen, haben Verhaltensforscher der Universität Budapest nun untersucht und die Ergebnisse kürzlich publiziert (Pogány 2018). Demnach würde das Verhalten von übergewichtigen Hunden dem von Menschen entsprechen: Sie bevorzugen hochkalorische Nahrung (v.a. Fett und Zucker) und versuchen, ihre Nahrungsaufnahme zu maximieren.

Die Studie
In zwei Versuchsreihen (siehe unten) mit 91 Hunden, von denen die Hälfte als übergewichtig klassifiziert wurde, ist man auf diese Ergebnisse gekommen. Die Hunde entstammen unterschiedlichen Rassen: 21 Beagles, 8 Golden und 14 Labrador Retriever aus der Gruppe der – wie es lt. Studienautoren heißt – zu Übergewicht neigenden Rassen, sowie 24 Border Collies und 24 Mudis (ungarischer Schäferhund). Von diesen 91 Hunden waren 11 übergewichtig: 8 Retriever (38% der Retrievergruppe), 2 Mudis (8%), kein einziger Border Collie (0%) und 6 Beagles (29%). Ob ein Hund nun übergewichtig bzw. fettleibig ist (hier wurde nicht unterschieden) oder nicht, wurde in dieser Studie durch den BCS festgestellt.

Übergewicht beim Hund feststellen?
Wie schon erwähnt gibt es unterschiedliche BCS, die ungarischen Wissenschaftler verwendeten einen dreiteiligen, wobei ein BSC 1 einen dünnen (untergewichtigen) Hund bedeutet, ein BCS 2 einen normalgewichtigen und ein BCS 3 einen übergewichtigen. Unter den 91 Hunden der Studie gab es keine, die als dünn (BCS 1) diagnostiziert wurden, bei 11 Hunden wurde ein BCS 3, also Über­­gewicht diagnostiziert.

Der genaue Ablauf der beiden Versuchsreihen der Studie ist in zwei Kästen auf Seite 42 beschrieben.

Überraschende Ergebnisse
Die ungarischen Wissenschaftler hatten eigentlich erwartet, dass zwischen normal- und übergewichtigen Hunden grundsätzlich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf das Interesse für Futter bestehen. Doch die Ergebnisse der Studie haben diese Hypothese widerlegt. Vielmehr ist es so, dass Hunde in Abhängigkeit von ihrem BCS ein selektives Verhalten gegenüber dem Futter aufweisen: Insgesamt, so die Autoren der Studie, würden zu dicke Hunde versuchen, die Nahrungsaufnahme energiereichen Futters zu maximieren, aber zögern, wenn die Futterbelohnung unsicher ist – und das so gut wie unabhängig von der jeweiligen Rasse.

Fazit
Nicht anders als bei ihren Menschen weisen auch übergewichtige Hunde eine deutliche Präferenz für hochkalorisches, also energiereiches Futter auf als normalgewichtige Hunde, denen offensichtlich der Energiegehalt ihres Futters egal war, wenn es denn nur gut schmeckt.

Versuchsreihe 1

In der ersten Versuchsreihe konnten sich die Hunde zwischen zwei Futterschalen entscheiden: Die eine enthielt Futter schlechterer Qualität und wurde von dem Versuchsleiter per Fingerzeig angezeigt. Die andere enthielt Futter besserer Qualität oder gar nichts.

Ergebnis: Übergewichtige Tiere bevorzugten nun meist das gute Futter und ignorierten auch die Geste des Versuchsleiters, wenn die nicht angezeigte Schüssel das gute Futter enthielt.

Erklärung: Auf den ersten Blick wirkt das überraschend, da zu erwarten wäre, dass sich übergewichtige Hunde eher für den Napf entscheiden, der in jedem Fall Futter enthält. Die Wissenschaftler verweisen allerdings auf mehrere Studien mit Menschen, die belegten, dass übergewichtige oder fettleibige Menschen energiereiche Nahrung bevorzugen, also solche, die reich an Fett und Zucker ist. In ihrem Experiment war dies die Schüssel mit dem Futter besserer Qualität.

Versuchreihe 2

Im zweiten Experiment wurden den Hunden zunächst zwei Futternäpfe an gegenüberliegenden Seiten eines Raumes gezeigt: Der Napf auf der einen Seite enthielt immer Futter, der auf der anderen nicht. Nachdem die Hunde dies gelernt hatten, wurde eine Schüssel in der Mitte des Zimmers platziert und zwar so, dass der Vierbeiner nicht sehen konnte, ob sie einen Leckerbissen enthielt oder nicht.

Ergebnis: Übergewichtige Hunde zeigten sich hier zögerlicher als normalgewichtige Hunde und brauchten länger, um den ungewissen Futternapf zu inspizieren.

Erklärung: Das Verhalten der übergewichtigen Hunde bezeichnen die Forscher als „negative kognitive Verzerrung“, mit anderen Worten: Bei unsicherer Belohnung zögerten die Hunde, sich auf den Weg zu machen.

Literaturangaben

Hier finden Sie die im Artikel zitierte Literatur in alphabetischer Anordnung. Ist sie öffentlich zugänglich, sind auch die Downloadlinks angegeben, wo vorhanden. Hinweis: Wenn Sie ein WUFF-Abo haben, ist automatisch ein Online-Abo inkludiert. In diesem Fall können Sie die Links direkt anklicken und ersparen sich das Eintippen der URL.

• Afshin A et al., Obesity and overweight and their health impact 1990-2015 in 195 countries, N Engl J Med 2017; 377:13-27. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1614362
• Becker N et al., Feeding of dogs and cats in Germany, Tieraerztl. Praxis Kleintiere 2012;40(6):391-397
• Bland IM et al., Dog obesity: owner attitudes and behaviour. Prev. Vet. Med. 2009;92:330-340
• Lund EM et al., Prevalence and risk factors for obesity in adult dogs from private US veterinary practices. Int. J. Appl. Res. Vet. Med. 2006;4,177
• Pogány A et al., The behaviour of overweight dogs shows similarity with personality traits of overweight humans. Royal Society Open Science 2018 http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/5/6/172398

Übersicht

Die vierteilige Serie zu Übergewicht und Fettleibigkeit bei Hunden (und Menschen) umfasst folgende Beiträge:
1. Zu viel Speck auf den Rippen? Übergewicht bei Hund und Mensch
2. Ein „Fress-Gen“ beim Hund? Ursachen von Übergewicht bei Hund (& Mensch) 
3. Nachhaltiges Abnehmen – Gewichtsreduktion bei Hund & Mensch
4. Liebe gegen Leckerli – Erkauf von Zuneigung durch Futter und Leckerli?

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