Wozu Zuchtbestimmungen?

Von Gerald Pötz

In der WUFF-Redaktion gehen häufig Anrufe und Briefe von enttäuschten Hundebesitzern ein. In letzter Zeit tauchte auffallend oft das Thema HD (Hüftgelenksdysplasie) beim Staffordshire Bull Terrier auf. Nachdem uns mehrere Befunde mit mittlerer und schwerer HD bei dieser Hunderasse vorlagen, begannen wir zu recherchieren. Von den Staff. Bull-Besitzern kam großteils die Meldung, daß ihre Hunde nicht geröntgt worden seien. In den wenigen Fällen, wo dies doch geschah, wurde meist HD (zumindest mittelgradig) festgestellt.

Eine Betroffene berichtet:
Fr. Lainer erwarb einen Staff. Bull von einem Züchter, der unter dem Dachverband ÖKV züchtet, weil sie sich dabei erwartete, daß – im Gegensatz zu unseriösen Züchtern – hier alles getan wird, um gesunde Hunde zu züchten. „Da ich gerne auf Hundeausstellungen gehe, habe ich bei meinem Hund aus privatem Interesse eine freiwillige Zuchttauglichkeits-Untersuchung mit HD-Röntgen durchführen lassen. Dabei stellte sich plötzlich heraus: Der Hund hat schwerste HD!“.
Der mit diesem Ergebnis konfrontierte Hundezüchter läßt daraufhin seine 14 Monate zuvor erworbene Zuchthündin ebenfalls röntgenisieren. Das Ergebnis: Schwere HD und bereits schwere Arthrose. „Die Hündin litt lt. Tierarzt bereits unter starken Schmerzen und mußte im Alter von nur 16 Monaten eingeschläfert werden.“

Keine Verpflichtung für HD-Röntgen
Fr. Lainer: „Nach einem Anruf beim ÖSBC (Österr. Staffordshire Bull Terrier Club), der dem Dachverband ÖKV angeschlossen ist, hieß es, man könne Züchter nur zum HD-Röntgen auffordern, jedoch nicht verpflichten, weil es beim ÖKV für Rassen unter 45 cm Schulterhöhe dafür eben keine Verpflichtung gäbe.“ (Anm. d. Red.: Es gibt auch für Rassen über 45 cm Schulterhöhe keine HD-Pflicht).

Im Klartext:
Der Rasseklub spielt mit dieser Aussage den Ball weiter an den ÖKV, der ja kein HD-Röntgen verpflichtend fordere. Folgerichtig wendet sich Fr. Lainer nun an den ÖKV. Dort zeigt man zwar ehrliches Verständnis und auch Mitgefühl für das Problem ihres Hundes, weist sie aber darauf hin, daß die Angelegenheit letztlich Sache des Spezialklubs, also des ÖSBC, sei. Der Ball wird also wieder an den ÖSBC zurückgespielt.
Frau Lainer: „So spielt man den Ball munter hin und her, und es wird weiterhin nur mit Ausstellungsergebnissen gezüchtet. Die Kehrseite dieser Schönheitschampionate ist die Mißachtung der Gesundheit unserer Staffies. Es kann doch nicht sein, daß trotz des Wissens um diese Erbkrankheit noch immer Züchter ihre Zuchttiere nicht auf HD untersuchen lassen. Muß da wirklich erst der ÖKV einen Spezialklub dazu auffordern?“

Wer hat denn röntgenisieren lassen?
Fr. Lainer befragte bei einer Hundeausstellung mehrere Züchter nach HD-Röntgen ihrer Staffies. Während nur sehr wenige Züchter auf ein HD-Röntgen ihrer Zuchttiere verweisen konnten, erhielt sie allerdings mehrheitlich abweisende bis aggressive Antworten.
„So erhärtete sich in mir der Verdacht, daß es gar nicht mehr um die Staffies geht, sondern nur darum, die immer mehr an Popularität gewinnende Hunderasse zu vermehren, anstatt um seriöse Rassezucht.“

Welches Ausmass hat das Problem tatsächlich?
Fr. Lainer meint, daß wenn mehrere Staff. Bull.-Besitzer ihre Hunde auf HD untersuchen ließen, dies erst das große Ausmaß des Problems aufzeigen würde. „Da man HD-kranke Staff. Bulls dann natürlich nicht zur Zucht verwenden sollte, würde dies zunächst über einige Jahre den Zuchtbestand dezimieren. Dies würde sich aber letztendlich um eines gesunden Staff. Bulls willen sehr wohl bezahlt machen. Denn die Schönheit sollte nicht um den Preis der Gesundheit erworben werden!“
Fr. Lainer fordert eine ZTP (Zuchttauglichkeits-Prüfung) mit HD-Röntgen für jeden in der Zucht eingesetzten Staff. Bull. „Was bisher geschehen ist, kann ich leider nicht mehr ändern. Aber vielleicht setzt bei manchen Züchtern ein Umdenkprozeß ein, dann ist bereits etwas gewonnen und der Staff. Bull darf sein und bleiben, was er bereits einmal war – eine kleine robuste Hunderasse.“

Ein weiterer Fall
Familie Greiner aus Linz kauft sich im Jänner 1997 einen 8 Wochen alten Staff. Bull-Welpen. Frau Greiner ist begeisterte Hundesportlerin und hat mit Domi bereits 5 GH-Turniere (Gehorsam) gemacht, wo sie viermal den ersten Platz errang.
„Unser Domi bekam im Alter von 2 1/2 Jahren plötzlich Probleme, nach dem Sport ins Auto zu springen.“ Der Tierarzt wurde konsultiert, machte ein Hüftröntgen, der Befund: HD-mittel. Frau Greiner konfrontiert den Züchter mit diesem Befund: „Laut Aussage des Züchters unseres Hundes wurde unser Domi (Dominator Dagos Family Staff) nach den Zuchtbestimmungen des ÖSBC (ÖKV) gezüchtet, er ist sich keiner Schuld bewußt (Eltern wurden nicht auf HD untersucht!).“
Die befragten Tierärzte lassen bei unserer Recherche allgemein durchklingen, daß sie die HD-Quote bei ihren Staff. Bull-Patienten eher hoch einschätzen, exakte Zahlen wurden aber nicht genannt.

Die Stellungnahme des Clubs
Im Sinne einer seriösen Recherche haben wir auch den zuständigen Rasseclub, den ÖSBC um Stellungnahme gebeten. Dem ÖSBC ist seit seinem Bestehen (1995) lediglich ein einziger HD-Befund bekannt, der eine mittlere HD ausweist.
Die Redaktion WUFF bekam hingegen bereits zu Beginn der Recherche Kenntnis von mehreren HD-Befunden (HD-mittel bis HD-schwer) bei Staff. Bulls. Mit dieser Information konfrontiert, bekommen wir die Antwort: „Da anscheinend Befunde, anstatt zum Club, in Ihre Redaktion gelangt sind, liegt hier wohl eine Fehleinschätzung seitens der Hundehalter vor, in welcher Weise man am besten der Gesundheit unserer Rassehunde dienlich ist.“ Diese Frage allerdings kann nur der Club selbst seriös beantworten. Der Schlußsatz der Club-Stellungnahme lautet: „Eine derartige Vorgehensweise entspricht nicht unserer Auffassung von Seriosität und der Vorstand des ÖSBC sieht sich dadurch veranlaßt, von einer Verlängerung der Jahresanzeige in Ihrer Zeitschrift WUFF abzusehen.“

Ohne Statistik keine HD
Wo keine Statistik (weil keine Untersuchung) – da keine HD. So einfach ist das! Der ÖSBC schreibt seinen Züchtern keine HD-Pflicht vor, sondern gibt nur eine diesbezügliche Empfehlung ab. Das klingt wie eine Zucht unter dem Motto „Ist mein Zuchthund HD-frei, melde ich es dem Zuchtwart, hat er HD, bin ich still und züchte fröhlich weiter.“
Als positive Reaktion des ÖSBC ist dennoch anzumerken, daß er vorhat, „das Problem HD weiterhin im Auge zu behalten und in sein Bemühen um gesunde Staffords einzubeziehen.“ Außerdem: „Auch der ÖSBC wird wieder an seine Mitglieder appellieren, alle Fakten Erbkrankheiten betreffend, an den Zuchtwart weiterzuleiten.“

Positive Beispiele
Der größere Bruder des Staff. Bulls, der American Staffordshire Terrier, geht mit gutem Beispiel voran. Auch bei dieser Rasse ist die HD präsent. Der Zuchtwart des zuständigen Rasseclubs hat die Zeichen rechtzeitig erkannt und gemeinsam mit der veterinärmedizinischen Universität Wien eine eigene Untersuchungsreihe gestartet. Es wurden zahlreiche Hunde untersucht, mit dem Ergebnis, daß der Club ab 1.Jänner 2000 die HD-Überprüfung für Zuchttiere zwingend vorschreibt.

Mehr Kompetenzen dem ÖKV
Der ÖKV, Dachverband der meisten österreichischen Zuchtvereine, reklamiert für die ihm angeschlossenen Züchter Qualität und Gesundheit in der Rassehundezucht. In Wirklichkeit aber hat der ÖKV bis auf die sehr „milden“ Rahmenzuchtbestimmungen keinerlei Einfluß auf die Qualität und Gesundheit der einzelnen Hunderassen. In Wahrheit kann der ÖKV lediglich die Richtigkeit des Abstammungsnachweises („Ahnentafel“) garantieren. Die absolute „Zuchthoheit“ liegt hingegen ausschließlich bei den Rassevereinen, die die Rahmenzuchtbestimmungen des ÖKV verschärfen können, dies aber nicht müssen.

Teufelskreis der Verbandsstruktur
In der Obmännerkonferenz des ÖKV entscheiden u.a., wie der Name schon sagt, die Obmänner der Rassezuchtvereine. Diese wiederum sind teilweise selber Züchter und natürlich kaum interessiert, sich selbst strengere Zuchtbestimmungen aufzuerlegen. Hier sollte Österreichs größter kynologischer Dachverband durchaus mehr Kompetenzen erhalten, in Zusammenarbeit mit Tierärzten und den anerkannten Experten der jeweiligen Rassen.

Was meinen Sie zu diesem Thema? Schreiben Sie uns: WUFF, A-3034 Maria Anzbach.

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SIE entscheiden!

Wie immer bestimmt der Nachfrager, in diesem Fall der Welpenkäufer, das Angebot und somit letztendlich die Qualität der Hunde. Solange Welpenkäufer blind und blauäugig ihren Welpen aussuchen, wird keine Änderung eintreten. Erst wenn Sie als Welpenkäufer auf entsprechende Gesundheitszeugnisse der Elterntiere bestehen, wird eine Änderung einteten. Aber auch solange Massenzüchter im Vorstand eines Vereines sitzen und nicht von ihren Mitgliedern abgewählt werden, solange werden derartige positive Bemühungen zur Verbesserung einer Rasse torpediert werden.

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