Wir kennen derzeit drei Wolfhundrassen, entstanden aus Kreuzungen von Wolf und Hund. Ursprünglich gekreuzt, um einen besonders leistungsfähigen Gebrauchshund, eine Art Superschäferhund bzw. Supergebrauchshund zu züchten, haben sie diese Erwartung trotz vielfach guter Leistungen bislang nicht erfüllt. Im Folgenden ein kurzes Porträt der Wolfhunde, das die Probleme aber auch ein eventuell realisierbares Potenzial dieser drei Rassen konkret ansprechen soll.
Vorweg zur Begriffsklärung:
Als Wolfshunde (mit „s") bezeichnet man wolfsähnliche Hunde, während man die echten Wolf-Hund-Rassen aus Kreuzungen besser als „Wolfhunde" (also ohne „s") bezeichnet.
Im vorigen Jahrhundert war in der Hundezucht die Idee aufgekommen, durch Kreuzung des Deutschen Schäferhundes mit dem Wolf eine Art Super-Schäferhundrasse zu erzüchten. Man wollte auf diese Art die Gesundheit und Vitalität des Wolfes nutzen, um damit sowohl den Niedergang dieser Eigenschaften beim Deutschen Schäferhund zu bekämpfen als auch die Rasse noch zu verbessern. Auf diese Weise kam es zur Entstehung von drei verschiedenen Wolfhunderassen: Den Sarloos Wolfhund in den Niederlanden durch Leendert Saarloos, den Tschechoslowakischen Wolfhund durch die damalige tschechoslowakische Armee und den Lupo Italiano in Italien.
Nur bedingte Gebrauchstüchtigkeit
Alle drei Wolfhunderassen sind interessante Hunde geworden, die teilweise durchaus mit erstaunlichen Leistungen und fesselndem Verhalten überraschen können. Doch die erhofften Supergebrauchshunde sind sie dennoch nicht geworden. Doch das war auch nicht zu erwarten, denn Wölfe folgen bei ihren Handlungen deutlich unbeirrbarer als Hunde ihren Instinkten einschließlich dem Jagdtrieb und zeigen auch eine angeborene große Vorsicht. Diese Eigenschaft lässt sich auch oft bei ausgestellten Hunden dieser Rassen sehen, die sich auf Hunde-Schauen mit eingezogenem Schwanz zeigen. Weil sie vor allem ihren eigenen Interessen folgen, kann man auch den für Gebrauchshunde unbedingt erforderlichen absoluten Gehorsam meist nicht erwarten. Die Gebrauchstüchtigkeit eines Hundes der Wolfhunderassen hängt wohl sehr von ihrem jeweiligen Anteil an Wolfs- und Hundegenen ab.
Wolfhunde bellen weniger als Hunde, manche nur selten, was sich aus ihrer Herkunft erklärt. Denn Wölfe können zwar bellen, tun dies meist aber nur als kurzes „Wuff" als Warnung, besonders der Welpen oder auch als „Bellstrophe" beim Heulen. Längeres Bellen am Bau würde ja beim Wolf in der Natur die Jungen gefährden, da ja dadurch z.B. Bären angelockt werden könnten.
Der domestizierte Hund hingegen wurde vor ca 12-15.000 Jahren zur „Steinzeit-Alarmanlage", als der Mensch begann, sesshaft zu werden und sich anzusiedeln. Der Hund als erstes Haustier wurde dem Menschen vermutlich unentbehrlich und hat sich aus diesem Grund rasch über die von Menschen bewohnten Regionen der Erde ausgebreitet. Dazu hatte der Hund ausdauernd zu bellen gelernt, was aber heute unter den beengten Bedingungen der Neuzeit oft nicht mehr erwünscht ist.
Kein Hund für Anfänger!
Der Anteil an Wolfsgenen eines Wolfhundes ist je nach seiner Zuchtgeschichte unterschiedlich. Dementsprechend ist auch die Wolfsähnlichkeit im Verhalten, das nicht immer einfach ist und auch beträchtliche individuelle Verschiedenheiten aufweist. Wolfhunde eignen sich keinesfalls für Anfänger in der Hundehaltung, sie sind fluchtbereit und wildern gern. Nicht wenige Wolfhunde enden vorzeitig durch Tötung, meist dann, wenn sie nicht zu erziehen sind und ihr Verhalten eine Gefahr darstellen könnte. Allgemein ist zu sagen, dass eine Verbesserung dieser Situation erst nach vielen weiteren Generationen intensiver Selektion auf „verlässliche Hundeeigenschaften" zu erwarten ist.
In der Geschichte des Haushundes kamen zufällige Kreuzungen mit Wölfen in der Natur immer wieder vor, aber auch durch den Menschen beabsichtigte. So gibt es in den USA ca. 300.000 sogenannte wolf hybrids, das sind Wolf-Hund-Kreuzungen mit allen möglichen Hunderassen. Eigene Wolfhundrassen sind jedoch dort nicht entstanden. Aber ein sehr früher interessanter Fund solcher Wolfhunde in Amerika sind Kreuzungen des kleinen mexikanischen Wolfes Canis lupus bailey mit Hunden in der prähispanischen Stadt Tetahuacan nordöstlich von Mexico City (Raul Valádez et al, 2002). Die gefundenen Proben stammen aus einer Zeit vor mehreren Jahrhunderten unserer Zeitrechnung. Die Tiere waren vorwiegend pflanzlich ernährt, also offenbar gefüttert worden.
Bedeutung des verlässlichen Gehorsams
Ein ganz wesentlicher Faktor für einen verlässlichen Gebrauchshund ist eine sichere „Hemmbarkeit". So darf z.B. ein Diensthund eine Person nicht attackieren, solange er nicht dazu den Befehl erhalten hat. Diese spezielle Hemmbarkeit findet man unter den Hunderassen bei zwei Gattungen am besten ausgebildet, und zwar bei den sogenannten gundogs (Flintenhunde, also Stöber-, Vorstehhunde und Retriever) und bei den Schäferhunden. Bekannt ist ja das feste Vorstehen der Vorstehhunde, das manchmal sogar zu einer pathologischen Starre führt, sodass man sie in diesem Zustand wie eine Statue herumtragen kann!
So muss man schon bei den Junghunden der Wolfhunde überprüfen, ob bei ihnen eine ausreichende Hemmbarkeit vorhanden ist bzw. muss diese ihnen, wo möglich, entsprechend beibringen. Meiner Meinung nach könnte eine dementsprechend intensive und frühe Auswahl die Erreichung des Selektionsziels wesentlich beschleunigen.
Gibt es also Aussichten für den „Gebrauchswolfhund"?
Die drei bisherigen Versuche dieser Art haben Teilerfolge erzielen können. Doch gibt es immer noch viele Enttäuschungen, und – wie schon erwähnt – hat es noch keine dieser Rassen bis heute zu einer richtigen Diensthunderasse geschafft. Das ist aber auch nicht verwunderlich, denn schließlich hat die Erlangung perfekter Gebrauchshunde Hunderter, wenn nicht Tausender Jahre bedurft und hat beim Hund in Europa schon vor zwei- bis dreitausend Jahren begonnen!
Die bisherigen Versuche bei den Wolfhunden zur Gebrauchstüchtigkeit sind daher trotz unleugbarer Erfolge immer noch eher bescheiden zu nennen. Um einen verlässlichen Wolfhund für die Arbeit als Gebrauchshund zu erzüchten, wäre es daher wohl am besten, ausgesuchte Exemplare aller drei Wolfhundrassen in einer einzigen großen Zuchtgruppe zu vereinen, einer intensiven internationalen Selektion auf die verschiedenen Gebrauchsformen zu unterziehen und sie global der Weiterselektion zuzuführen. So könnten Verlässlichkeit und Einsatzfähigkeit schneller optimiert werden. Dazu wäre noch viel intensive, am besten eben wohl internationale Züchtungsarbeit über viele Jahre erforderlich. Die bisherigen Züchtungen verliefen nicht optimal und hatten auch einen zu geringen Umfang. Vermutlich ist bei den derzeitigen Wolfhundrassen auch der Anteil der Wolfsgene noch zu hoch. Schnellere Fortschritte könnte man vermutlich erzielen, wenn man schon Wolfhundwelpen mit Schäferhundwelpen vergleicht, um zu sehen, welche der Wolfhundwelpen imstande sind, schon früh den Wünschen des Menschen, einschließlich einer absoluten Hemmung, verlässlich und ausdauernd nachzukommen.
Ein wesentlicher Nachteil ist, dass Wolfhunde sich bei der Arbeit zwar zunächst meist eifrig und willig zeigen, es ihnen aber bald sehr langweilig werden kann. Stundenlange ausdauernde Tätigkeit auch bei eintöniger Arbeit im Dienste des Menschen ist bei ihnen meist noch nicht wie bei unseren Gebrauchshunderassen genetisch gut verankert. Alleinsein kann daher häufig zur Zerstörungswut führen und Härte ist im Umgang mit ihnen absolut nicht angebracht. Viel hängt davon ab, ob und wie man ihnen die Arbeit interessant und abwechslungsreich gestalten kann.
Die drei Wolfhundrassen
Die drei heutigen Wolfhundrassen sind der Saarloos Wolfhund, der Tschechoslowakische Wolfhund und der Italienische Wolfdog (Lupo Italiano).
1. Der Saarloos Wolfhund (FCI – Standard Nr. 311)
Dies ist die erste bekannte Wolfhundrasse. Der Züchter Leendert Saarloos (1884-1969) hatte bereits 1925 mit Kreuzungsversuchen zwischen einer europäischen Wölfin und einem Deutschen Schäferhundrüden begonnen. Daraus entstand zuerst ein Weibchen, das er mit ihrem Vater paarte, was in Hinblick auf die Inzuchtsituation gewiss keine gut überlegte Entscheidung war. Dementsprechend gab es im Weiteren viele Probleme durch Inzuchtfolgen, zudem zeigt sich bei diesen Hunden eine große Neigung zur Scheu.
In den Niederlanden wurde in der Züchterschaft auch lange diskutiert, ob man die angeborene „Vorsicht" bzw. Scheuheit des Saarlooswolfhundes, kynologisch „Wesensschwäche" genannt, belassen oder dagegen selektieren sollte. Die Zucht durch Herrn Saarloos war jedenfalls aus heutiger Sicht eine ausgesprochen wenig fundierte Unternehmung, um es milde auszudrücken. Nun ist man sehr darum bemüht, die genetische Vielfalt in der Rasse zu verbessern. (Den FCI-Rassestandard des Saarloos Wolfhund siehe www.wuff.eu/Saarloos)
2. Der Tschechoslowakische Wolfhund (FCI – Standard Nr. 332)
Im Gegensatz zum Saarloos Wolfhund wurde die Zucht des Tschechoslowakischen Wolfhundes (Ceskoslovenski vlcak) 1993 bereits in größerem Umfang sehr planmäßig begonnen und geht auf Ing. Karel Hartl zurück, der 1958 in der Grenzstation Libejovice den ersten Wolf-Schäferhundwurf eines Deutschen Schäferhundes mit einer Karpatenwölfin züchtete. F3- und F4-Nachkommen wurden dann bereits als Diensthunde in der Armee verwendet. Diese Hunde haben in Tests leicht Strecken von 100 km mit einer Geschwindigkeit von über 12 km/h zurückgelegt. Auch sie haben einen starken Jagdtrieb, wie alle Wolfhundrassen. Obwohl sie teilweise in verschiedener Art und Weise gut verwendbar sind, haben sie sich jedoch, – wie zu erwarten war – im Gegensatz zu den Hoffnungen ihrer ersten Züchter als neue Gebrauchshundrasse nicht allgemein durchsetzen können. (Den FCI-Rassestandard des Tschechoslowakischen Wolfhundes siehe www.wuff.eu/Tschech)
3. Der Italienische Wolfhund (Lupo Italiano) (Nicht FCI-anerkannt)
Diese Rasse entstammt ebenfalls der Paarung eines Deutschen Schäferhundes mit einer Wölfin aus dem Appenin. Sie ist aber heute in den Händen einer staatlichen Organisation, der „Ente per la tutela Lupo Italiano", die allein berechtigt ist, sie zu züchten und zu veräußern. Derzeit gibt es nur ca. 500 Exemplare dieser Rasse. Die Hunde werden vorzugsweise von italienischen Forstämtern als Suchhunde und Lawinenhunde verwendet. Diese Einschränkung erfolgt wohl aus Rücksicht auf die Möglichkeit, dass entkommene Exemplare wildern oder sich mit den in Italien vorkommenden wilden Wölfen paaren könnten.
Auch die Italienischen Wolfhunde erweisen sich zum Teil noch als sehr scheu und ängstlich, andere verhalten sich dagegen hundeähnlich und können ausgebildet werden, wobei sie ausgezeichnete Fährten- und Erdbebensucharbeit ausführen.
Literaturhinweis
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Raúl Valadez et al, Dog-wolf Hybrid Biotype Reconstruction from the Archeological City of Teotihuacan in Prehispanic Central Mexico, 9 th ICAZ Conference, Durham 2002, Dogs and People in Social, Working, Economic or Symbolic Interaction (eds Lynn M Snyder and Elizabeth A. Moore) pp. 120.130
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