Wolf – Hund – Mensch: – Eine uralte „Beziehungskiste“ als Thema am Wolfs­forschungszentrum

Es ist schon eigenartig, dass ein Menschenaffe und ein hundeartiger Karnivore – ein Mensch und ein Wolf – eine derart enge Verbindung eingingen, dass der eine ohne den anderen kaum mehr denkbar scheint. Mensch und Wolf? Nun ja, Mensch und Hund natürlich, aber letzterer ist ja bekanntlich ein domestizierter Wolf. Diese enge und schon fast ewig anhaltende Beziehung ist einer der ­Hauptgründe, warum wir am Wolfsforschungszentrum in Ernstbrunn zu den ­geistigen Leistungen von Wölfen und Hunden, sowie ihrer Kooperations­fähigkeit untereinander und mit Menschen forschen.

Wir empfinden es als selbstverständlich, dass wir mit dem Hund Gassi gehen, dabei andere Leute mit oder ohne Hunde treffen, meist freundlich plaudern, während die Hunde einander beschnuppern. Man wundert sich nicht darüber, dass so viele ­Hunde in Österreich und Deutschland mit so vielen Millionen Menschen zusammen­leben. Mensch und Hund gehören eben zusammen, und zwar schon sehr lange. Bereits im Zuge ihrer Auswanderung aus Afrika, vor etwa 80.000-60.000 Jahren, kamen unsere Vorfahren im Nahen Osten mit Wölfen in Berührung. Seitdem ist nicht nur der Wolf für die Menschen ein beständiges Thema, damals begann auch jene Annäherung der Wölfe an die Menschen (oder umgekehrt), die schließlich zur Hundwerdung führte.

Schon die alten Griechen waren Hundenarren
Hunde sind unsere längstgedienten Kumpantiere, sie arbeiten, jagen oder kämpfen im Team mit uns und wir haben Grund zur Annahme, dass die frühesten Heere der Menschheit, die nach dem Sesshaftwerden nötig wurden, um Besitz und Herrschaft zu sichern, bereits Mensch-Hunde­heere waren. Und schon die alten ­Griechen waren Hundenarren; große, molosser­artige Hunde, die nett zu Freunden, aber grausam zu ­Feinden sein ­mussten, mischten in ihren ­Schar­mützeln und Schlachten mit.

Die kriegerische Vergangenheit der Hunde und Menschen ist hoffentlich Geschichte. Die meisten Hunde in den modernen Gesellschaften sind einfach nur Sozialgefährten ihrer Menschen. Der Wolf in Form des Hundes war damit ständiger Begleiter jeglicher menschlicher Kulturentwicklung in den letzten Jahrzehntausenden. Menschen ohne Hunde sind unvollständig, sogar die Entwicklung von Kindern klappt in ihrer Gegenwart besser;

Menschen sind „biophil", haben also ein nahezu instinktives Interesse an den Dingen der Natur und an ­Tieren, ins­besondere sind sie „kynophil", also „hundefreundlich". Umgekehrt sind Hunde ohne Menschen nicht ­definiert, für die meisten Hunde ist die Be­ziehung zu ihren Menschen ­wichtiger als selbst zu ­Artgenossen. Die Essenz der Hundwerdung war es eben, ­symbiotisch mit uns zu leben. Somit ist jedes Gassigehen auch eine Erinnerung an ein langes Stück gemeinsamer Geschichte von Mensch, Wolf und Hund.

Der Mythos vom Werwolf
Wölfe bevölkern seit jeher ­unsere Fantasien und Märchen und der Mythos vom Werwolf, also der Verwandlung von Mensch in Wolf und umgekehrt, ist eines der ältesten Themen der Menschheit, vorhanden bei allen indogermanischen Völkern. Besser könnte man die bestehende Wesensverwandtschaft zwischen Wölfen und Menschen gar nicht symbolisieren. Wölfe waren für Menschen immer schon Partner und Gegner, Projektions­fläche, bis heute. Und sie spielten eine zentrale Rolle in der Entwicklung der menschlichen ­Spiritualität.

Neben der faszinierenden Biologie der Wölfe und ihrem menschenähnlichen Sozialleben sind dies Gründe genug, der Einladung des Brandstätter Verlags nachzukommen und ein Wolfsbuch zu schreiben, das sich nicht nur auf den Wolf konzentriert, sondern vielmehr unsere lange „Beziehungskiste" zu Wolf und Hund beleuchtet. Schließlich leiten wir (Friederike Range, Zsófia Virányi und ich) seit Jahren ein weltweit einzigartiges Wolfsforschungszentrum in Ernstbrunn im Weinviertel, wo uns das Zusammenleben mit 15 Timberwölfen und 14 Hunden, alle gleichartig von uns handaufgezogen, und die wissenschaftliche Arbeit mit ihnen lehrten, wie Wölfe so ticken. Sie sind keine „edlen Wilden". Wie wir auch, haben sie ihre Stärken und Schwächen, Vorlieben, ­Abneigungen und kleinen Ticks. Dennoch oder gerade deswegen haben wir gelernt, einander zu achten und zu akzeptieren. Respekt ist übrigens das Schlüsselwort auch im Umgang mit Wölfen und Hunden.

Es ist kein Buch nur über das Wolfsforschungszentrum. Vielmehr habe ich (KK) versucht, eine möglichst umfassende, möglichst wissenschaftlich fundierte Darstellung der ambivalenten und facettenreichen Beziehung zwischen Wolf und Mensch zu geben und aus diesem Blickwinkel auch die Entwicklungsgeschichte des Hundes neu zu beleuchten. Es geht unter anderem darum, was Hunde und Wölfe voneinander unterscheidet, und um die Vermittlung von Hintergrundwissen für einen partnerschaftlichen Umgang zwischen Mensch und Hund. Unsere hands-on-Arbeit mit Wölfen und Hunden bildet dafür die Basis. Das ist kein Buch für andere Wissenschaftler, sondern für die vielen Wolfs- und Hunde­interessierten. Darum habe ich auch versucht, verständlich und nicht allzu wissenschaftlich zu schreiben und so den neuesten Stand der Erkenntnis zur Genetik von Wölfen und Hunden bis hin zu den Methoden des Hundetrainings zu vermitteln. Ziel war es sicherlich nicht nur, unsere uralte Faszination für den Wolf zu beleuchten, sondern damit einen neuen, von Achtung und Partnerschaft geprägten Blick auf den alten „besten Freund des Menschen", den Hund, zu ermöglichen.

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