Kein anderes Haustier hat sich dem Lebensstil des Menschen so angepasst wie der Hund. Wissenschaftler vom Messerli Forschungsinstitut an der Vetmeduni Wien haben erstmals untersucht, wie sich die Aufmerksamkeit bei Hunden im Laufe ihres Lebens entwickelt bzw. wie sie sich im Alter verändert und welche Ähnlichkeiten es dabei zum Menschen gibt.
Hunde sind individuelle Persönlichkeiten, besitzen ein Bewusstsein und sind äußerst lernfähig. Damit ihnen das Lernen gelingt, müssen sie über ein ausreichendes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration verfügen. Die Aufmerksamkeit verändert sich allerdings im Laufe des Lebens. Dies gilt für Hunde genauso wie auch für Menschen. Eine kürzlich am Messerli Forschungsinstitut an der Vetmeduni Wien durchgeführte Studie widmete sich erstmals der Frage, wie sich die Aufmerksamkeit bei Hunden über die gesamte Lebenszeit verändert, und dies unter Berücksichtigung von Parallelen beim Menschen.
Personen für Hunde interessanter als Dinge
Um herauszufinden, wie rasch Hunde unterschiedlicher Altersklassen ihre Aufmerksamkeit entweder Objekten oder Personen schenken, führten die Wissenschaftler um Lisa Wallis zwei Tests durch. Die Tiere wurden in der ersten Situation mit einem Kinderspielzeug konfrontiert, das plötzlich von der Decke baumelte. Gemessen wurde nun, wie rasch jeder einzelne Hund auf dieses Ereignis reagierte und wie schnell die Hunde sich daran gewöhnten. Dabei stellte sich heraus, dass alle Hunde zu Beginn ähnlich rasch auf den Reiz reagierten. Ältere Tiere verloren aber in weiterer Folge eher das Interesse an dem Spielzeug als jüngere.
In der zweiten Testsituation betrat eine dem Hund bekannte Person den Raum und gab vor, eine Wand anzumalen. Alle Hunde reagierten, indem sie die Person und die Malerrolle in den Händen der Person länger betrachteten als das Spielzeug, das zuvor von der Decke hing.
Was die Wissenschaftler daraus schließen, erklärt Lisa Wallis so: „Die soziale Aufmerksamkeit war bei allen Hunden größer als die nicht-soziale Aufmerksamkeit. Sie achten im Schnitt also eher auf Objekte, die von Personen benutzt werden, als auf Objekte ohne Personen. Wir fanden auch heraus, dass ältere Hunde genauso wie reifere Menschen eine gewisse Gelassenheit zeigen. Sie sind nicht so rasch aus der Ruhe zu bringen wie jüngere Hunde“.
Selektive Aufmerksamkeit im mittleren Erwachsenenalter am höchsten
In einem weiteren Test untersuchte Wallis die sogenannte selektive Aufmerksamkeit. Die Hunde mussten dabei sich abwechselnde Aufgaben hintereinander lösen. Zuerst sollten sie Wurststückchen, die Wallis in den Raum warf, finden. Nach dem Auffressen des Leckerlis sollten die Hunde Blickkontakt mit Wallis aufnehmen und ein erneut geworfenes Wurststückchen finden. Die Aufnahme des Blickkontakts markierte Wallis mithilfe eines sog. Clickers (ein Gerät, das ein klickendes Geräusch erzeugt). Nach 20 Durchläufen ermittelte Wallis die Zeitspannen vom Finden des Futters bis zur Aufnahme des Blickkontakts. Da waren es die Hunde mittleren Alters (3-6 Jahre), die am schnellsten reagierten.
„Die sensomotorischen Fähigkeiten von Hunden mittleren Alters befinden sich unter diesen Testbedingungen auf einem Höchstniveau. Jüngere Hunde schnitten wahrscheinlich schlechter ab, weil sie insgesamt weniger Erfahrung haben. Bei älteren Hunden sind es wahrscheinlich die motorischen Fähigkeiten, die mit dem Alter nachlassen. Beim Menschen gibt es im Alter zwischen 20 und 39 einen vergleichbaren Höhepunkt der sensomotorischen Fähigkeiten“, so Wallis.
Pubertäre Hunde besitzen die steilste Lernkurve
Nicht nur Menschen, auch Hunde gehen während ihrer Adoleszenz durch eine schwierige Phase (1-2 Jahre). Diese Phase der hormonellen Umstellung ist vergleichbar mit der Pubertät beim Menschen. Beim Clicker-Test reagierten die Junghunde deshalb manchmal etwas verzögert. Es zeigte sich aber auch, dass adoleszente Hunde nach mehreren Wiederholungen ihre Leistung schneller verbesserten als andere Altersgruppen. Die Lernkurve der Pubertierenden ist demnach am steilsten. „Die Pubertät birgt also ein erhebliches Lernpotenzial und große Trainierfähigkeit bei den Hunden“, so Wallis.
Fazit
Hunde entwickeln sich im Laufe ihres Lebens ähnlich wie Menschen. Sie zeigen eine steile Lernkurve in der Pubertät und Gelassenheit im Alter.
HINTERGRUND
Gleiches Grundmuster kognitiver Funktionen
Hunde entwickeln sich im Laufe ihres Lebens in Bezug auf die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit ähnlich wie Menschen. In der Pubertät haben sie eine steile Lernkurve, im Alter dominiert die Gelassenheit. Im Folgenden einige Grundlagen zum besseren Verständnis der vorgestellten Studie.
Die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit ist die Grundlage für Bewusstsein, Wahrnehmung und Erkenntnis, wie Studien am Menschen gezeigt haben. Konkret meint Aufmerksamkeit die Fähigkeit, aus vielerlei – gleichzeitigen – Reizen der Umgebung sich selektiv auf einen Reiz zu konzentrieren und auf diesen zu reagieren. Auch wenn dies zunächst eine simple Tatsache zu sein scheint, so handelt es sich dabei dennoch um einen komplexen kognitiven Prozess.
Studien (Blough 2006, Pearce 2008) haben nachgewiesen, dass Menschen und nicht-menschliche Säugetiere dasselbe Grundmuster in der Entwicklung und Alterung kognitiver Funktionen aufweisen. Auch die Funktion der Aufmerksamkeit funktioniert bei Tieren ähnlich wie beim Menschen.
In der hier vorgestellten Studie wurden 145 Border Collies untersucht, wobei man sich auf eine einzige Rasse beschränkt hat, um rassespezifische Unterschiede der Fähigkeit zur Aufmerksamkeit auszuschließen. Das Alter der Hunde betrug zwischen 6 Monaten und knapp 14 Jahren. Die Wissenschaftler bildeten daraus folgende 7 Altergruppen:
1: Späte Welpenzeit (0,5-1 Jahr)
2: Adoleszenz (Jugend: >1-2)
3: Frühes Erwachsenenalter (>2-3)
4: Mittleres Alter (>3-6)
5: Spätes Erwachsenenalter (>6-8)
6: Seniorenalter (>8-10)
7: Geriatrisches Alter (>10)
Die Studie der Wissenschaftler des Messerli Forschungsinstitutes der Vetmeduni Wien sowie des Departments für Kognitionsbiologie der Universität Wien ist kürzlich im Journal Frontiers in Psychology erschienen (L. Wallis et al., Lifespan development of attentiveness in domestic dogs: drawing parallels with humans. Frontiers in Psychology 2014;5)