Wildes Raufspringen

Von Yvonne Adler

So gewöhnen Sie ihm das Raufspringen ab

Die Kolumne zum ­Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hunde­trainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit ­Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In ­dieser Ausgabe geht es um einen American Akita, der sein Frauchen bei der ­Be­grüßung wild anspringt und an ihr zerrt.

Hallo Frau Adler, hier mein Problem:
Hund – Rüde – 10 Monate – American Akita. Um meinem Hund eine Freude zu machen, habe ich ihm immer etwas mitgebracht, wenn ich nach Hause gekommen bin. Mal eine Forelle, mal eine Beinscheibe, mal einen Knochen usw. Ab dem 8. Monat fing es an, dass er mich massiv gemaßregelt hat, wenn ich nach Hause gekommen bin. Er springt an mir hoch, zerrt an mir rum, beißt mich in den Hintern oder was er erwischt, und dann steckt er den Kopf in die Tasche. Ich bringe natürlich jetzt schon eine Weile nichts mehr mit. Aber das Fordern hat noch nicht aufgehört. Ich versuche ihn dann zu ignorieren. Aber es ist sehr schwierig, weil er sehr ausdauernd ist und es weh tut, wenn er an mir herum­zerrt und beißt. Ayko (so heißt er) wiegt schon 48 kg und ich 60 kg, und ich bin nur 1,62 m groß. Wir besuchen seit 6 ­Wochen eine Hundeschule in Leipzig. Ich wäre dankbar für Ihre Hilfe.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Werner

Antwort von Yvonne Adler:
Liebe Frau Werner!
Das „Raufspringen“ ist sicherlich eines der häufigsten Themen, das Hundehalter beschäftigt. Viele Hunde trainieren sich dieses bereits im Welpenalter an. Der Grund dafür ist einfach erklärt: Welpen lecken die Lefzen bei der Mutterhündin oder bei anderen adulten Hunden, um so sozial zu interagieren. Unsere Mundwinkel sind jedoch viel weiter oben, weshalb Welpen/Junghunde notgedrungen raufspringen müssen. Dieses Verhalten verstärkt sich dann sehr schnell von selbst, weil viele Menschen das „Raufspringen“ im Welpenalter noch unterstützen, weil der kleine Hund ja so nett und knuffig ist. Selten bedenkt man, dass aus dem Welpen später ein sehr großer Hund werden wird, der mit seinen ausgewachsenen 50 kg Menschen auch umwerfen und damit verletzen kann.

Zu Beginn des Trainings ist das Wichtigste, dass Sie sich klar darüber sind, dass Sie eine hohe Erwartungshaltung bei Ayko erzeugt haben. Nicht nur, dass eine Begrüßungssituation für Hunde sowieso sehr energiegeladen und freudig ist, haben Sie hier mit Ihren „ganz tollen Belohnungen“ nochmals dieses freudige Ereignis stark verstärkt. Daher ist es aus Hundesicht nur logisch, dass, wenn Frauchen kommt, wir mal sehen, ob sie wieder etwas Tolles mitbringt. Wenn dem nicht so ist, ist der Hund natürlich frustriert und den damit verbundenen Stress versucht Ihr Hund nun mit Hochspringen, Herumzerren, Zwicken usw. zu kompensieren. Zusätzlich gibt es zu beachten, dass die raufspringende Handlung Ihren Hund in der Tätigkeit selbst verstärkt, wodurch wir unbedingt ein alternatives Verhalten dem Hund als Lösungsweg anbieten müssen.

Überlegen Sie sich nun am Anfang, welches alternative Verhalten Sie Ayko für eine Begrüßungssituation antrainieren könnten. Sie schreiben, dass Sie schon seit 6 Wochen eine Hundeschule besuchen. Was ist dort das Lieblingskommando von Ihrem Hund? Wenn dies beispielsweise „Steh“ ist, würde ich ­direkt damit starten, da er das Kommando bereits kann und nun nur lernen muss, dies auch in der aufgeregten Situation zu zeigen. Ich persönlich bevorzuge in eher stressigen Situationen für Hunde Kommandos, die dem Hund noch einen Bewegungsspielraum ermöglichen. Dies ist für Hunde dann viel leichter auszuführen. Stellen Sie sich vor, Sie sind sehr nervös und man würde Sie zum Stillstehen „zwingen“, glauben Sie, Sie könnten dies in der Aufregung und mit dem erhöhten Muskeltonus gut ausführen? Ich schlage daher für junge Hunde gerne das Kommando „schön unten bleiben“ vor. Gemeint ist damit, dass Ihr Hund alles machen darf, wenn er nur mit allen 4 Pfoten am Boden bleibt. Das Training starten Sie wie folgt: wenn Sie heim kommen, begrüßen Sie Ihren Hund ganz ruhig und loben ihn für „schön unten bleiben“. Das Kommando „schön unten bleiben“ wird ganz nett und freundlich ausgesprochen und erfolgt im Training anfangs auch nur, wenn Ihr Hund wirklich unten ist. So kann er verinnerlichen, was damit überhaupt gemeint ist. Hier ist es sehr hilfreich, wenn man dem Hund die Hände hinstreckt und sich beispielsweise zu ihm bückt, damit er lernt, dass es gar keine Notwendigkeit zum Raufspringen gibt. Das richtige Verhalten kann man zusätzlich mit einer guten Kaustange für Ihren Hund verstärken. ABER diese Kaustange sollten Sie in Ihrer ­Situation direkt in der Wohnung haben und keinesfalls von draußen mitbringen, da wir sonst wieder die ­Erwartungshaltung, die Ihr Hund schon von früher kennt, verstärken. Die Kaustange haben Sie beispielsweise direkt im Vorzimmer neben der Tür, Ihr Hund sieht also, dass Sie dann zur Kaustange greifen, wenn er alle 4 Pfoten am Boden hat. Dann nehmen Sie die Stange und halten sie Ayko mit nach unten gestreckter Hand hin. Der Hund wird kurz begrüßt und gelobt für „schön unten bleiben“. Danach bzw. währenddessen bekommt er seine Kau­stange. Dies hat den zusätzlichen Effekt, dass der aufgekommene Stress durch die Begrüßung durch die Kaustange wieder abgebaut werden kann.

Um das Training erfolgreich zu absolvieren, sollten Sie hier auch Ihre Körperspannung und Ihr Gefühl beachten. Ist die Begrüßung mit Ihrem Hund für Sie sehr aufregend und voller Freude? Dann sollten Sie hier mehr Ruhe einkehren lassen. Diese überträgt sich auf Ihren Hund und kann ihn dazu veranlassen, den Situationen mit mehr Gelassenheit zu begegnen. Wenn Sie das Kommando „schön unten bleiben“ mit Ihrem Hund gut geübt haben, ist es an der Zeit, die Kausachen auch wieder zu reduzieren. Es werden im Prinzip die Kaustangen immer kleiner mit dem gleichen Ritual wie oben beschrieben. Wenn dies gut funktioniert, dann reicht in Zukunft nur mehr ab und zu ein Leckerchen bzw. ein ruhiges Lob.

Falls im Übungszeitraum Ihr Hund trotzdem immer mal wieder raufspringt, bleiben Sie bitte ohne viel Aufregung stehen und wiederholen Sie das gewünschte Kommando in aller Ruhe und mit nach unten gerichteter Position. Sobald alle 4 Pfoten am Boden sind, loben Sie Ihren Hund und geben direkt die Verstärkung mit der Kaustange. Die Situationen bei der Eingangstür sollten im besten Fall so verlaufen, dass Ihr Hund für richtiges Verhalten gelobt wird und es gar keiner Korrektur bedarf. In der Zeit, in der das Verhalten noch nicht gefestigt ist, sollten Sie auch darauf achten, dass nur Besucher kommen, die sich auch an Ihre Anweisungen halten. Denn wenn hier auch nur ein Besucher das Raufspringen belohnt oder Ihren Hund sogar dazu auffordert, kann es sein, dass das Training wieder Rückschritte erlitten hat, da das alte „unerwünschte Verhalten“ dadurch wieder belohnt wurde. Seien Sie sich außerdem auf jeden Fall bewusst, dass Ihr Hund ca. 2 Monate (nach Ihrer Beschreibung) Zeit hatte, das „unerwünschte Verhalten“ zu trainieren. Dementsprechend kann es auch einige Zeit und gewissen Aufwand bedeuten, hier ein neues Verhalten anzutrainieren.

Ich wünsche Ihnen und Ihrem Hund viel Ruhe bei Begrüßungssituationen, um so den gewünschten Lernerfolg rascher zu erhalten.
Ihre Yvonne Adler

Pdf zu diesem Artikel: adler_springen

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