Menschen sind sehr gut in der Erkennung visueller Signale. So behaupten Hundebesitzer oft, dass sie allein aufgrund des Verhaltens ihres Hundes wissen, was er gerade „im Kopf“ hat. Und das ist auch kein Wunder. Denn durch das Zusammenleben mit einem Hund lernt der Mensch die Bedeutung bestimmter Signale seines Vierbeiners zu verstehen.
Kommunikationssignale
In der psychologischen Forschung muss man in diesem Zusammenhang aber genau zwischen zwei Situationen unterscheiden. Wir können nur dann über wahre Kommunikationssignale sprechen, wenn wir wissen, dass der Sender des Signales dieses auch absichtlich benutzt, um das Verhalten des anderen zu beeinflussen. Steht beispielsweise der Hund an der Türe, dann sagt er „Ich will hinaus“ – meint sein Herrchen. Es ist aber nun nicht von vorneherein gesagt, dass es sich dabei um ein echtes Signal handelt. Zwar will der Hund hinausgehen, kommt aber wegen der verschlossenen Türe nicht weiter. Während sein Herrchen das „Stehen an der Türe“ für ein Signal seines Wuffi an ihn hält, könnte diese Situation theoretisch auch nur ein „Nebenprodukt“ der Absicht, nämlich dass der Hund hinaus möchte, die geschlossene Türe ihn aber an seinem Vorhaben hindert, sein.
Einfache Signale
Wissenschaftler haben es nicht leicht, wenn sie die Signalfunktion mancher Verhaltensweisen prüfen müssen. Die Situation ist einfacher, wenn es um ganz spezielle Signale geht. Die bekannte Pose des Pfau-Männchens beispielsweise: Sie wurde durch die Evolution „geformt“, um einen Eindruck auf das Weibchen zu machen. Die Männchen benutzen dieses Signal nur in einer speziellen Situation, nämlich vor der Paarung. Auch ist die Signalfunktion eines bestimmten Verhaltens des Hundes (wie Knurren oder Hochziehen der Lefzen) in einer bestimmten Situation (bspw. Konkurrenz beim Futter) ziemlich eindeutig.
Komplexe Signale
Wenn es aber um allgemeine Formen des Verhaltens geht, ist die Kommunikationsfunktion nicht mehr so selbstverständlich und eindeutig. Kann ein Hund seinen Besitzer beispielsweise über eine Veränderung seiner Umwelt informieren? Die positive Anwort auf diese Frage würde die Fähigkeit des Hundes zur Aussendung von Signalen bestätigen.
Um diese Fragen zu klären, haben wir zunächst eine Versuchssituation ausgearbeitet, bei welcher der Hund die Hilfe seines Besitzers benötigt, um sein „Problem“ lösen zu können. Die Untersucherin versteckte ein Stück Futter in einem Zimmer der Wohnung vor den Augen des Hundes an einer Stelle, die er nicht erreichen konnte. Außer der Untersucherin und dem Hund war niemand sonst im Zimmer. Dann wurde der Hund für eine kurze Zeit allein gelassen, bevor der Besitzer, der über das Versteck des Futters nicht Bescheid wusste, ins Zimmer kam. Was würde der Hund nun tun? Konnte er seinem Besitzer irgendwie das versteckte Futter „zeigen“? Das Ergebnis vorweggenommen: Es war natürlich kein Wunder für uns, dass alle zehn Besitzer sehr rasch herausfanden, wo das Futter versteckt war. Die Hunde hatten es ihnen gezeigt. Denn wie schon erwähnt, sind Menschen ja sehr gut im „Lesen“ von Verhaltenssignalen ihrer Vierbeiner.
Da ist das Versteck!
Wie ging dieser Versuch nun konkret vor sich? Als die Besitzer ins Zimmer kamen, gingen die Hunde zum Futterversteck und blieben dort stehen. Wir hatten aber die Besitzer instruiert, sich nicht sofort um den Hund zu kümmern, sondern sich eine Minute lang auf einen Stuhl zu setzen und eine Zeitung zu lesen. Diese Versuchsanordnung war notwendig, um herauszufinden, ob der Hund irgendwelche Kommunikationssignale benutzen würde, um die Aufmerksamkeit seines Besitzers auf sich und auf das versteckte Futter zu lenken. Für wissenschaftlich Interessierte sei angemerkt, dass wir natürlich auch sog. Kontrollsituationen hatten, wo entweder kein Futter versteckt wurde (so hatte der Hund nichts dem Besitzer zu zeigen) oder der Besitzer nicht ins Zimmer kam (also saß der Hund allein im Zimmer).
Der Hund zeigt´s dem Menschen
Die Analyse der Videoaufnahmen bestätigte, dass die Hunde tatsächlich kommunikative Signale benutzten, um die Aufmerksamkeit des Besitzers auf sich selbst und auch auf das Futter zu lenken. So ein Verhalten haben wir als „Zeigen“ definiert. Und zwar richteten die Hunde viel öfter ihren Blick zum Versteck, wenn der Besitzer im Zimmer war, als wenn sie allein waren. Sie schauten auch den Besitzer viel länger an, wenn man vorher Futter versteckt hatte, als wenn kein Futter im Zimmer war (wie beim Kontrollversuch). Hunde gaben auch oft Laut, wenn sie entweder in die Richtung des verstecken Futters oder in die Richtung des Besitzers blickten. Also eindeutige absichtliche kommunikative Signale.
Blickwechsel hat Signalcharakter
Die interessanteste Beobachtung war jedoch, dass die Hunde sehr oft so genannte Blickalternationen (also Blickwechsel) machten, wobei sie ihre Blickrichtung rasch vom Versteck zum Besitzer und dann wieder vom Besitzer zum Versteck wechselten. Blickalternation ist ein typisches Verhalten bei Kleinkindern, wenn sie ihren Willen noch nicht mit Hilfe der Sprache ausdrücken können. Es scheint also, dass viele Hunde diese Fähigkeit erworben haben, vermutlich durch Interaktion mit dem Menschen.
Ähnliche Kommunikationsformen
Menschen und Hunde haben ähnliche Kommunikationsformen
Natürlich ist ein Experiment nicht genug, um eine endgültige Antwort zu geben, aber es sieht so aus, als ob einige Verhaltensmuster des Hundes auch einen deutlich kommunikativen Charakter hätten, und diese werden vom Hund benutzt, um den Besitzer zu „informieren“ und/oder dessen Verhalten zu beeinflussen. Wir nehmen an, dass die kognitiven Fähigkeiten des Hundes in einer menschlichen Umgebung ein schnelles Lernen ermöglichen (s. auch Artikel „Wie denken Hunde? Über die Wahrnehmung und das Erkenntnisvermögen unserer Vierbeiner“ von Dr. Sylvain Fiset in WUFF 7/2003) und dass Hunde während der ontogenese erlernen, solche Verhaltensweisen zu produzieren, die eine Kommunikation mit dem Menschen erleichtern. Und so ist es auch kein Wunder, dass diese Kommunikationsformen oft unseren ähneln und wir sie daher leicht verstehen können.
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