Wenn Hundefreunde zusammenhalten – Auf den Hund gekommen …

Von Nicole Meichl

Ein Hilferuf auf Facebook verändert das Leben von WUFF-Leserin Nicole Meichl. Ohne zu zögern sagt sie Ja. Ja zu Lu, dem kleinen Bully mit schlimmer Vergangenheit und noch schlimmeren Folgen. Als Nicole Meichl den kleinen Hund in Empfang nimmt, kommen ihr große Zweifel: „Wie soll ich das bloß schaffen?"

In unserem kleinen Häuschen in der Steiermark leben wir mit 4 Hunden, 4 Meerschweinchen und 2 Ratten. Wegen unserer zwei französischen Bulldoggen traten wir auf Facebook der netten Gruppe „Austria’s Bullyfreunde" bei. Die daraus entstandenen Treffen und Diskussionen wollten wir nicht mehr missen. Immer wieder wurden auch Notbullys gepostet. So auch er: der kleine Lu! Sofort als ich das Foto sah, war ich in ihn verliebt. Ebenso erging es meinem Lebensgefährten. Aber wir hatten ja schon 4 Hunde. Während wir diskutierten, ob wir ihn nicht holen sollten, hatte sich jedoch bereits jemand gemeldet, um Lu aufzunehmen.

Mit Spannung beobachteten wir das neue Leben von Lu und leider ­stellte sich bald heraus, dass der kleine ­Bully neuerlich einen Platz suchte. Die Besitzer waren mit Lus gesundheitlicher Situation überfordert. Er hatte massive Probleme beim Kot- und Harnabsetzen. Genaueres war uns aber noch nicht bekannt. Sofort und ohne darüber nachzudenken schrieb ich der derzeitigen Besitzerin von Lu, dass wir ihn aufnehmen würden, wenn sich sonst keiner fände. Aber ich räumte auch meine finanziellen Bedenken ein. Wir hatten gerade umgebaut und unser Rocky hatte wegen schwerer HD gerade Golddrähte implantiert bekommen. Doch das Echo der Facebook-Gruppe war enorm. Alle sagten uns zu, dass sie uns helfen würden. Jeder meinte auch, dass es eine gute Idee sei, wenn wir ihn nehmen würden, da wir schon Erfahrung mit misshandelten und kranken Hunden hätten.

Neuer Hund: was sagt der Partner?
Markus, mein Lebensgefährte, wusste zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dass ich schon zugesagt hatte. Würde er Ja sagen? War es nicht völlig verrückt, sich noch einen Hund zu nehmen? Würden wir das finanziell und zeitlich schaffen? Fragen über Fragen! Als Markus nach Hause kam, überfiel ich ihn gleich mit meinem Plan, Lu aufzunehmen, und er stimmte mir auch sofort zu. Trotz aller widrigen Umstände fühlten wir beide, dass Lu zu uns gehörte. Zwei Tage später machte ich mich mit einer Freundin und meinen zwei Bullys auf den Weg nach Krems, um Lu abzuholen.

Sein Schicksal berührte mich sehr. Er war von einem Platz zum nächsten weitergeschoben und auch miss­handelt worden. Auf der langen Fahrt nach Krems rätselten wir, wie gut oder schlecht sein Gesundheitszustand wirklich sei. Zwischenzeitlich vereinbarte eine Freundin für uns gleich einen Termin in der Tierklinik Leoben, bei der wir bei der Rückfahrt vor­bei­schauen wollten.

In Krems angekommen, verstand sich Lu sofort mit meinen anderen Bullys. Unübersehbar sein gesundheitlicher Zustand: er verlor die ganze Zeit über Harn und Kot. Die Vorbesitzerin zeigte uns, wie man seine Blase ausdrückt, welche Medikamente er bekommen muss und wie sie bisher alles handhabte. Plötzlich verstand ich ihre Überforderung und fing an zu zweifeln, ob wir das alles schaffen würden. War es am Ende doch die falsche Entscheidung gewesen? Konnte ich das Markus und meinen anderen Hunden antun? Gibt es eine Lösung für Lus Probleme?

Ab zum Tierarzt
Angekommen in Leoben ­erwartete uns bereits der Tierarzt. Nach einer Röntgenaufnahme und einem Gesundheitscheck vermutete er, dass eine Bandscheibe im Wirbelkanal feststeckt. Es stellte sich heraus, dass seine Aftermuskeln keinen Tonus aufwiesen. Eine sichere Diagnose könnte nur mit einem CT gestellt werden. Wir beschlossen es vorerst mit 3 Wochen Schmerztabletten und Entzündungshemmern, Inkontinenztabletten, Chiropraktik und Akupunktur zu ­versuchen.

So niederschmetternd der erste Tierarztbesuch war, so einfach erwies sich die Rudelzusammenführung im trauten Heim. Ich öffnete einfach die Tür und meine beiden anderen Hunde begrüßten uns, schnüffelten an Lu, und mir kam es so vor, als würden sie sagen: „Ach, du bist es". Lu war von der ersten Sekunde an in das Rudel integriert, und in diesem Moment wusste ich, dass ich das Richtige getan hatte. Innerhalb weniger Tage lernte Lu von meinen beiden anderen Rüden, wie man markiert und somit uriniert. Er lernte auch, seinen Kot im Freien abzusetzen. Natürlich verlor er ab und an noch ein paar Tropfen und auch sein Schließmuskel ­funktionierte nur zu ungefähr 60 %. Aber was ­hätte man in dieser kurzen Zeit mehr er­warten dürfen?

Der Weg ist das Ziel
Nach drei Wochen wurde Lu beim Tierarzt kastriert und dabei auch sein Nasen- und Gaumensegel korrigiert, damit er endlich richtig atmen konnte. Beim CT kam heraus, dass er eine Verletzung an den Wirbelkörpern als Folge einer Fremdeinwirkung aufweist. Seine Probleme mit den Ausscheidungsorganen kamen jedoch von einer Missbildung im Lendenwirbelbereich. Eine Zyste hatte sich von der Unterhaut weg bis in den Wirbelkanal gebildet. Um die Schmerzen von Lu in den Griff zu bekommen, ließen wir ihn chiropraktisch behandeln. Das brachte einen großen Erfolg und Lu war in kurzer Zeit schmerzfrei. Nur mit der Inkontinenz mussten wir leben lernen.

Aber nun machte uns etwas anderes große Sorgen. Lu wurde immer dünner, verlor sein Fell und er hatte ­ständig Durchfall. Dieser Durchfall brachte auch uns an unsere Grenzen, da Lus Afterschließmuskel ja nach wie vor nicht vollständig funktionierte. Dies hatte zur Folge, dass es für Lu unmöglich war, seinen Kot zu halten. Also waren wir nochmals in der Tierklinik und es stellte sich ­heraus, dass Lus Haut übersät war mit Eiterfurunkeln. Der ­anfängliche Verdacht auf Sarcoptesräude, was verheerende Folgen für mein Rudel gehabt hätte, wurde nicht ­bestätigt. Die tiefen Hauteiterungen waren wohl durch extrem ­unhygienische Zustände bei seinen Erstbesitzern hervor­gerufen worden.

Der Gedanke, wo der schwer misshandelte Lu gelebt haben musste, ließ mich seither nicht mehr los. Diese Hautdia­gnose bedeutete nun strenge Diät und wir mussten Lu den kompletten Brustbereich und sein Hinterteil abrasieren, damit wir diese jeden Tag waschen und desinfizieren konnten. Auch sein Körbchen, seine Decken, seine Halsbänder und Brustgeschirre mussten täglich gereinigt werden. ­Diese Monate bedeuteten für uns sehr viel Arbeit und ­Konsequenz, aber wir zogen es durch!

Tierschutz lohnt sich auf jeden Fall
Heute ist Lu ein süßer kleiner Hund, der sein Leben genießt! Wir haben seinen Durchfall, seine Schmerzen und auch seine Hautkrankheit unter ­Kontrolle bringen können. Geblieben ist seine Inkontinenz, aber auch mit der haben wir gelernt umzugehen. Ich bin wirklich beeindruckt, welchen Zusammenhalt es unter Hundehaltern geben kann, wenn es darum geht, zu helfen. In der ­Facebookgruppe „Austria’s Bullyfreunde" waren über 800 Euro für Lus ­Behandlungen zusammengekommen. Aber auch von den Tierärzten bin ich tief be­eindruckt, welch Engagement, Hilfsbereitschaft und fachliches Know How aufgebracht wurde, um Lu zu heilen.

Lu lebt nun ein normales Hundeleben und ist ein fröhlicher kleiner Kerl, der bei jedem unserer Bullytreffen dabei ist. Trotz allem, was er durchmachen musste, ist er ein absolut sozialverträglicher Hund, egal ob mit Menschen oder anderen Hunden. Das ist das, was mich immer wieder erstaunt, und ich bereue es keine Sekunde, ihn geholt zu haben. Ich wurde oft gefragt, warum ich mir das immer wieder antue und misshandelte Hunde aufnehme, denn man könne ja nicht alle retten. Nein, nicht alle, aber die, die man rettet, für die bedeutet es alles!

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