Wenn es Wuffi zu stressig wird … Spannungsübertragung und Erwartungshaltung

Von Yvonne Adler

Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und  Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz ­formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe geht es darum, was eine erhöhte Spannung des Hundehalters, aber auch dessen hohe Erwartungshaltung für den Hund bedeuten kann.

Liebe Frau Adler!
Ich bitte Sie, uns Hilfe bezüglich unseres 8 Monate alten Malinois-Rüden Hicks zu geben. Seit wir in der Hundeschule an einem Kurs für ­Fortgeschrittene ­teilnehmen (ca. ein Monat), hat er begonnen in die Leine zu beißen. Dies passiert ca. 20 Minuten, nachdem wir mit dem Training starten. Er zerrt ­daran herum und lässt die Leine nicht mehr los. Ich habe bereits viele ­Dinge ­probiert, aber nichts hat Erfolg gebracht. Das Einzige, das hilft, ist eine Leine aus Kettengliedern. Leider hat er sich daran schon einen Zahn abgebrochen, weshalb ich die Leine nicht weiter verwenden möchte. Ich finde das sehr schade, da er bisher ein Musterschüler war. Bitte geben Sie mir Tipps!
Mit freundlichen Grüßen,
Vanessa Mirtl

Antwort von Yvonne Adler:

Liebe Frau Mirtl!
Aus Ihrer Beschreibung schließe ich, dass Ihr Hund dieses Verhalten nun bereits einen Monat lang im neuen Kurs in Ihrer Hundeschule zeigt. Ein junger Hund, welcher gerade in der Pubertät ist, gerät leicht in eine Stresssituation, in der Stresshormone im Körper ausgeschüttet werden. Hunde versuchen diesem Stress entgegenzuwirken, indem sie bspw. beginnen, an Dingen zu beißen – in Ihrem Fall eben in die Leine. Wenn dann der Besitzer durch Ziehen an der Leine reagiert, entsteht schnell ein Zerrspiel (Beutespiel): der Hund zerrt in die eine Richtung und der Besitzer zerrt zurück. Dies wiederum kann leider schnell zur Gewohnheit werden.

Wenn Sie nun auf eine Ketten­leine umsteigen, um das Verhalten zu verhindern, bekämpfen Sie nur die Symptome, aber nicht die Ursache des Verhaltens. Die Kette hindert den Hund nur deshalb am Leine-beißen, weil sie ihm unangenehm ist und/oder sogar Schmerzen zufügt.

Um Ihr Problem zu lösen, ist es notwendig, dass Sie viel Ruhe, Gelassenheit und Konse­quenz ins Training bringen. Einerseits sollten Sie sich dabei selbst beobachten: sind Sie vielleicht vor oder während des Trainings sehr angespannt? Hatten Sie einen stressigen oder ärgerlichen Tag und konnten vor dem Training nicht abschalten? Kommen Sie direkt von der Arbeit zum Training? Sind Sie vielleicht zu spät dran und haben Sie Sorge nicht rechtzeitig zu kommen?

Wenn Sie eine der Fragen mit Ja beantworten können, kann dies eine der Ursachen sein. Jegliche Spannung, die wir Menschen in uns tragen, kann sich auf den Hund übertragen. Deshalb sollten Sie sich selbst und Ihre innere Anspannung genau im Auge behalten. Wenn Sie einen sehr stressigen Tag hatten, sollten Sie vor dem Training einen kurzen, entspannenden Spaziergang machen, um ruhig und gelassen auf den Trainingsplatz zu kommen. Sollten Sie einmal zu spät dran sein, macht das überhaupt nichts. Nehmen Sie sich auch dann auf jeden Fall noch die Zeit, einige Minuten mit Hicks ­spazieren zu gehen, um die anfängliche Anspannung abzubauen. Sie brauchen keine Sorge haben, zu viel zu verpassen. Der Trainer bzw. die Trainerin hat sicher Verständnis für die jeweilige Situation und wird nach dem Kurs noch ein paar Minuten Zeit haben, um Ihnen zu erklären, was am Anfang gemacht wurde.

Außerdem sollten Sie auf Ihre Erwartungshaltung während des Trainings achten. Sie sollten sich auf jeden Fall Ziele stecken, aber erwarten Sie nicht zu viel von sich und Ihrem Hund. ­Achten Sie deshalb darauf, dass Sie Hicks immer die nötigen Hilfestellungen geben, wenn Kommandos noch nicht absolut sicher sind. Hicks sollte alle Übungen gut umsetzen können und keinesfalls überfordert sein. Dies gibt dem Hund Sicherheit und reduziert den Stress. Wenn Sie dies beachten, wird das Training von Beginn an viel entspannter ablaufen!

Durch Ihre Erklärung scheint es außerdem so zu sein, dass das Training derzeit zu lange für Hicks dauert. ­Versuchen Sie deshalb, die Dauer für den Anfang ein bisschen zu verkürzen. Im besten Fall besuchen Sie momentan nur für 15 Min. den Kurs, sodass der Stresslevel für Hicks nicht zu hoch wird und er das unerwünschte Verhalten gar nicht zeigen kann. Sollte Ihr Hund schon vor Ablauf dieser Zeit erhöhten Stress zeigen, dann beenden Sie das Training früher.

Funktioniert dies gut, können Sie bei den nächsten Terminen die Dauer step by step erhöhen. Dabei dürfen Sie das Training immer nur um ein paar Minuten erhöhen, so dass verhindert wird, dass Hicks wieder in das alte Verhalten verfällt.

Zusätzlich sollten Sie die Atmosphäre des Kurses beachten. Herrscht ein entspanntes Lernklima? Unterstützen sich die Teilnehmer gegenseitig? Vielleicht sind auch zu viele Mensch-Hund-Teams im Kurs, weshalb eine stressige Atmosphäre vorherrschen kann. Sollten Sie diesbezüglich selbst Bedenken haben, wäre ein anderer Kurs für Sie und Hicks ratsam!

Ich hoffe, Sie haben bald wieder viel Spaß beim gemeinsamen Training mit Ihrem jungen Hicks!

Ihre Yvonne Adler

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