Es passiert oft, ganz besonders nach der Weihnachtszeit und in den Ferien. Die Rede ist vom Tiere aussetzen. Was mit dem herrenlosen Schäferhund in folgendem Beitrag passiert ist, weiß wohl nur der Besitzer. WUFF-Autorin Silke Richter hat den Hund gefunden und sucht nun nach Anhaltspunkten, verbunden mit der Hoffnung, dass der Rüde zu gegebener Zeit ein Zuhause findet in dem er glücklich ist.
Es gibt Momente, da wünschte ich mir, ich hätte dich niemals kennengelernt. Das wäre einfacher gewesen. Bequemer. Nun gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe versucht, mich dagegen zu wehren, dir einen Namen zu geben. Das macht es nur noch schlimmer, dachte ich. Im Herzen nenne ich dich nun Magisto. Das passt sehr gut zu unserer Begegnung, die für mich voller magischer Momente war, als sich unsere Blicke trafen. Du warst auf der Suche und völlig verunsichert. Du hast scheinbar auf jemanden gewartet, der wohl nicht mehr zurückkommt …
Was war passiert?
Rückblick: Es war Dienstag, der 28. Dezember 2021. Mein Tag lief bis dato etwas durcheinander, dementsprechend war auch meine Laune. Ich hatte keine Lust, mit meinem Hund in die Natur rauszufahren. Aber irgendetwas trieb mich innerlich an, den Kurs in Richtung Bergen aufzunehmen. Das Areal um den dortigen Aussichtspunkt in der sächsischen Gemeinde Elsterheide ist ein Naturschutzgebiet, das von Fotografen und Wolfsbeobachtern gern genutzt wird. Ich wollte gerade die letzte Kurve kurz vor dem Parkplatz passieren, als ich zwei Frauen mit Kinderwagen beobachtete, in deren unmittelbarer Nähe ein Schäferhund ohne Leine lief.
»Der Hund gehört sicher dazu und hört bestimmt auch auf ihr Rufen«, dachte ich noch so, als der Rüde plötzlich sehr aufgeregt meinem Auto hinterherrannte und kurze Zeit später direkt vor mein Fahrzeug lief. Ich machte in letzter Sekunde eine Vollbremsung.
Der Hund roch auffällig an meinen Autotüren und Reifen während ich mich innerlich darüber aufregte, wie verantwortungslos die Halterinnen seien. Ich hupte, der Hund zeigte keine Reaktion sich von meinem Auto entfernen zu wollen. Die beiden Damen blieben stehen und beobachteten mit Abstand was nun weiter passierte. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass der Schäferhund nicht etwa wie vermutet Interesse an meinem Hund hatte, der in seiner Transportbox saß. Dieser herrenlos wirkende Hund suchte etwas völlig anderes. Wie sich jetzt herausstellen sollte, war der einsame Rüde den beiden Frauen ein kurzes Stück hinterhergelaufen, bis er mein Fahrzeug entdeckt hatte. Da standen wir nun zu dritt und fragten uns was wir jetzt am besten tun sollten. Das Tier einfach sich selbst überlassen? Niemals! Vom Besitzer fehlte jede Spur.
Er weicht mir nicht mehr von der Seite
Währenddessen legte sich der Hund wie selbstverständlich vor mein Auto, das mitten auf der Straße stand. Weiterfahren konnte ich nicht, das ließ der um mein Auto laufende aufgeregte Hund nicht zu. Die Gefahr ihn dabei zu verletzen wäre jetzt auch viel zu groß gewesen.
Ich rief in meiner ersten Verzweiflung den zuständigen Gebietsmanager Dr. Alexander Harter an, dessen Nummer ich glücklicherweise im Handy gespeichert habe. Er betreut das Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland, zu dem auch das Areal rund um den Aussichtspunkt in Bergen /Elsterheide gehört. Eine Rettungskette wurde in Gang gesetzt. Die zuständige Gemeinde informierte die hiesige Feuerwehr, während der Hund nicht mehr von meiner Seite wich und immer wieder an mir schnupperte und sanft meine Hände ableckte. Wir schauten uns in die Augen und ich spürte in diesem Moment eine tiefe Verbundenheit, die sich mit Worten nur schwer beschreiben lässt. Dieses Gefühl und dieser eindringliche, sanftmütige, hinterfragende Blick des Hundes nach dem Warum werde ich in meinem Leben nie wieder vergessen. Diese magische Begegnung bleibt in meinem Herzen. Für immer.
Ich wusste nicht, was dem Hund konkret passiert war, aber eines stand für mich nach intensiver Beobachtung schnell fest: Dieser Hund suchte und wartete auf etwas bzw. jemanden. Er entfernte sich gelegentlich von mir, um dann schnell wieder zurückzukommen. Ruhelos, rastlos, traurig und verunsichert lief er immer wieder einen geringen Radius rund um seinen Fundort herum ab.
Ich sprach Passanten an. Keiner von ihnen kannte den Hund. Plötzlich näherte sich ein schwarzes Auto. Vielleicht war das der Besitzer, so meine Hoffnung. Fehlanzeige. Der ältere Herr half mir dabei den Hund kurz abzulenken damit ich mein Auto ohne Zwischenfälle wenigstens an den Straßenrand fahren konnte. Geschafft! Und zack lag der Rüde wieder direkt vor meinem Auto. Später suchte er die nahe liegende Umgebung ab und schaute immer wieder auf die Straße, während ich die Umgebung absicherte, damit eintreffende Fahrzeuge ihn nicht verletzten. Ich kann nicht erklären warum, aber ich wusste genau, dass dieser Hund nicht weglaufen würde. Dann näherten sich zwei Einsatzwagen der Feuerwehr. Erlösende Hilfe war unterwegs. Der erste Versuch den Hund in das Auto zu locken schlug fehl. Ich rief ihn zu mir und zeigte mit meinem Arm in das Fahrzeug. Er folgte meiner Handbewegung und mir fiel ein Stein vom Herzen ob der Gewissheit, dass er sich nun endlich in Sicherheit befand.
Ich ahnte noch nicht wie sehr sein Schicksal mich weiterhin beschäftigen würde. Auf dem Nachhauseweg hinterließ ich in der Gemeindeverwaltung meine Kontaktdaten. Wenig später erhielt ich den Anruf, dass der Hund nun ins Tierheim gebracht werde. Kaum hatte ich das Handy aus der Hand gelegt, schossen mir Tränen in die Augen. Die Aufregung und Sorge um den Hund verwandelten sich in Traurigkeit. Ich begann das Ereignis langsam zu verarbeiten.
Auf Grund seines Verhaltens erhärtete sich in mir immer mehr der Verdacht, dass dieser Hund ausgesetzt worden war. An Schlaf war in der Nacht nicht zu denken. Es folgten Aufrufe in den Sozialen Medien, in dem der Beitrag Hunderte Male geteilt wurde. Es fehlte auch weiterhin jede Spur des Besitzers. Auch die Meldungen in der Presse brachten keine Erfolge.
Ich hatte das dringende Bedürfnis am nächsten Tag noch mal zur Fundstelle zu fahren, um nach Spuren zu suchen. Ich sprach spontan Spaziergänger und Einwohner des Ortes an, ob sie jemanden kennen, der einen Schäferhund vermisst. Nix. Null Anfragen, null Informationen. Bis dato wurde öffentlich auch keine Person als vermisst gemeldet, die als Hundebesitzer infrage kommen könnte. Ich rief zwei Tage später im Tierheim in Neuhausen an der Spree an, um mich zu erkundigen, wie es dem Hund geht, der weder Halsband trug noch einen Chip hatte. Die tierärztliche Untersuchung hat erfreulicherweise gezeigt, dass der Gesundheitszustand des unkastrierten Rüden so weit in Ordnung ist. Emotional dürfte das ganz anders aussehen, so wie er an der Fundstelle gesucht und gewartet hat. Erkundigt hatte sich nach ihm aber niemand.
Ich hatte ihm zu dem Zeitpunkt längst einen Namen gegeben. Obwohl ich das eigentlich nicht wollte. Denn das macht alles nur noch schlimmer für mich, dachte ich. Aber ich konnte nicht anders. Und ja: Ich habe auch überlegt, ob Magisto bei uns einziehen könnte. Doch dieser doppelten Verantwortung wäre ich derzeit nicht gewachsen. Es spricht zu vieles dagegen. Und alleiniges Mitleid hilft keinem weiter. Zudem wäre es der wohl schlechteste Ratgeber für solch eine gravierende Entscheidung.
Ehrlich gesagt habe ich auch lange überlegt, ob ich den Kontakt zum Tierheim zukünftig überhaupt beibehalten möchte. Denn auch das bindet »blöderweise«. Ich habe mich anders entschieden. Denn du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf Magisto. Wenn Corona nicht wäre, hätte ich mich längst spontan auf den Weg zu dir gemacht. Nur um zu schauen, wie es dir geht. Vielleicht wären wir auch zusammen rausgegangen. Das können wir bei späteren Besuchen aber sicher nachholen, wenn es die Situation zulässt. Noch schöner wäre es natürlich, wenn du bis dahin jemanden gefunden hättest der dich glücklich macht. Ich hoffe wir sehen uns noch mal wieder. Bis dahin: Alles Gute fremder Seelenhund. Ich werde dich und unsere magische Begegnung nie vergessen.
Wer kennt diesen Hund?
Wer Angaben zu dem Hund oder Halter machen kann, meldet sich bitte im Tierschutzligadorf in 03058 Neuhausen/Spree
Ausbau Kirschberg 15
Telefonnummer: +49 3560 840124
Infotelefon: +49 35608 419030
E-Mail: info@tierschutzliga.de
Tipps beim Auffinden eines herrenlosen Hundes
Verschaffen Sie sich zuerst einen groben Überblick von der Situation und überlegen Sie, in welcher Reihenfolge Sie jetzt am besten tätig werden. Versuchen Sie ruhig zu bleiben, das gibt auch dem fremden Tier Sicherheit. Aktivieren Sie wenn möglich Passanten und bitten diese um Hilfe, wenn es beispielsweise darum geht die Umgebung abzusichern. Schauen Sie ob nicht doch der Halter in der Nähe ist oder vielleicht noch kommt, weil er seinen Hund sucht. Nähern Sie sich fremden Hunden niemals frontal, sondern nur seitlich, vorausgesetzt es geht keine Gefahr von dem Tier aus. Wenn der Hund es problemlos zulässt, können Sie versuchen das Tier anzuleinen. Verständigen Sie die Gemeinde, die für den Fundort zuständig ist. Plan B wäre Feuerwehr, ein nahe gelegenes Tierheim, einen Tierarzt oder die Polizei zu verständigen. Ist das Tier verletzt oder macht es einen sehr kranken Eindruck ist es ratsam einen Tierarzt zuerst zu kontaktieren. Nehmen Sie fremde Hunde nicht im eigenen Auto mit, denn Sie wissen nicht wie sich das Tier verhält. Sie dürfen Fundtiere auch nicht einfach mitnehmen und behalten, sie müssen generell bei der Behörde gemeldet werden, da es sich um fremde Tiere handelt die anderen Menschen gehören. Schließlich kann es sein, dass der Hund schmerzlich vermisst wird. Erst wenn nach einem gewissen Zeitraum kein Halter gefunden wurde, kann das Tier zur Adoption freigegeben werden.
Nachtrag zu Magisto/Momo
Bis Ende Januar hat sich bislang niemand nach dem Schäferhund erkundigt. Die Mitarbeiter des Tierheims haben ihm den Namen Momo gegeben, der ab sofort ein neues Zuhause sucht. Der Schäferhund wird auf ein Alter von etwa fünf Jahre geschätzt. Vermutlich, so die Einschätzung des Tierheimes, war Momo ein Hofhund, der nicht immer gut behandelt wurde. Dennoch habe er einen treuen, gutmütigen Charakter behalten. Er brauche noch Erziehung und entsprechend seiner Rasse auch Auslastung. Hündinnen findet Momo toll, Katzen dürfen nicht in seinem neuen Zuhause leben. »Idealerweise suchen wir für ihn eine Familie mit Haus und eingezäuntem Grundstück. Wer ernsthaftes Interesse an dem Traumburschen hat, kann sich vertrauensvoll an unsere Hundepfleger im Tierschutzliga-Dorf wenden«, erklärt Tierheimleiterin Dr. Annett Stange. Kontakt siehe Text.
WUFF-Information
Das Aussetzen von Tieren ist strafbar
Wer Tiere in Deutschland, Österreich und in der Schweiz aussetzt, macht sich strafbar und bringt das Leben der Tiere in Gefahr. Diese Widrigkeit ist kein Kavaliersdelikt. So gilt:
Deutschland
Das Aussetzen von Tieren ist eine Ordnungswidrigkeit und kann gemäß § 18 Abs. 1 Nr.4 TierSchG mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro bestraft werden. Wenn das Tier durch die Aussetzung verstirbt, handelt es sich um eine Straftat gem. § 17 TierSchG. Diese kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe belangt werden. (Quelle: Tierschutz für Hunde: Artgerechte Hundehaltung – Bußgelder, bussgeldkatalog.org)
Schweiz
Aussetzen von Tieren (Art. 26 Abs. 1 lit. e TSchG) Art. 26 Abs. 1 lit. e TSchG verbietet das Aussetzen und Zurücklassen eines im Hause oder Betrieb gehaltenen Tieres in der Absicht, sich seiner zu entledigen. Das Aussetzungsverbot wird auch in Art. 16 Abs. 2 lit. f TSchV festgehalten. Wer vorsätzlich, das heißt mit Wissen und Willen, gegen das Aussetzungsverbot verstößt, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, kombiniert mit Buße bestraft. Wer nur fahrlässig handelt wird ebenfalls bestraft, riskiert aber bloß eine Buße bis zu 20.000 Franken. Wenn die Tat darauf zurückzuführen ist, dass jemand die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat, spricht man von Fahrlässigkeit (Art. 18 Abs. 3 des Strafgesetzbuches StGB). Das Tier befindet sich in Obhut des Tierhalters, der für seine Pflege, Unterkunft und Nahrung sorgt. Eine Aussetzung im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. e TSchG liegt dann vor, wenn das Tier durch eine positive Tätigkeit aus diesem geschützten Zustand in einen neuen verbracht wird, in welchem sein Leben, sein Wohlbefinden oder seine Unversehrtheit erheblich gefährdet sind, falls nicht ein rettender Zufall eintritt. Davon zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Tierschutzvereins, der bereits verwilderte Hauskatzen einfängt, sterilisiert und in die natürliche Umgebung freilässt. (Quelle: www.tierrecht.ch/strafrecht.html)
Österreich
Hunde dürfen nicht ausgesetzt werden. Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sind Verwaltungsübertretungen und werden mit Strafen von bis zu 7.500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15.000 Euro geahndet. Weiter kann die Behörde ein Tierhaltungsverbot auferlegen und ein Tier einziehen. Zuständig für den Vollzug sind die Veterinärdienste und Amtstierärzte in den Bezirkshauptmannschaften bzw. in Wien die MA 60. Dort können (auch anonym) Verstöße gegen das Tierschutzgesetz angezeigt werden. (Quelle: www.hundecollege.at/hund-und-recht)