Der Reiz des Neuen …
Wie alle Jahre wieder wurden auch in diesem Winter viele unserer Vierbeiner zu den Festtagen reich beschenkt. Hundespielzeug hat um Weihnachten Hochkonjunktur, und so fanden sich Stofftiere, Kauknochen und Quietschspielzeuge unter dem Weihnachtsbaum ein. Doch schon nach kurzer Zeit verlieren viele Hunde bereits das Interesse am Objekt der Begierde, das noch kurz zuvor all ihre Aufmerksamkeit fesselte. Warum sind unsere Fellnasen so wankelmütig, wenn es um ihr Spielzeug geht? Was bedeutet diese Launenhaftigkeit in Bezug auf den Wert eines Spielzeugs? Und gibt es Spielzeug, das besser ankommt als anderes?
Spieltrieb
Während für viele Menschen, trotz des wachsenden Marktes von Gadgets und Spielen für Erwachsene, dem Spieltrieb noch etwas sehr Kindliches innewohnt, sind sich Wissenschaftler größtenteils einig, dass dieser auch im fortgeschrittenen Alter von Bedeutung für uns ist. Nicht anders ergeht es da unseren vierbeinigen Freunden. Auch ältere Hunde sind oft mit Begeisterung dabei, wenn es um das Spielen geht – dabei werden zunächst zwei Formen des Spiels unterschieden: Soziale Spiele im Gruppenverband oder mit dem Menschen oder unsoziale Spiele mit Objekten.
Diese unsozialen Spiele mit Objekten scheinen ihren Ursprung im Raubtierverhalten zu haben, nicht zuletzt auch weil Hunde Spielzeuge bevorzugen, die sie auseinandernehmen können. Während Hunde im Spiel mit Artgenossen oft um ein Spielzeug streiten, zeigen sie sich im Spiel mit ihren zweibeinigen Bezugspersonen meist weitaus kooperativer. Derartige Spiele werden von Hunden also nicht als Dominanzkampf empfunden – vielmehr scheinen die Hunde das Spielzeug als Belohnung von Herrchen oder Frauchen anzusehen. Insgesamt sind sich Experten heute einig, dass das Spielen – allein mit Spielzeug oder im Verband – für Hunde von großer Wichtigkeit ist. Es prägt ihre Entwicklung und bietet ein wichtiges Ventil für Spieltrieb, Instinkte und geistige und körperliche Energie.
Die Freude am Neuen
Der Frage nach dem Reiz eines Spielzeugs ist im Jahre 2008 eine Studie der Universität Gießen nachgegangen. Dabei, so erklärt Studienleiterin Dr. Patricia Kaulfuß, hatte die Studie zunächst einen etwas anderen Hintergrund: „Als 1999 in der Samstagabendshow „Wetten, dass …“ der Border Collie Rico 77 Spielzeuge unterscheiden konnte und diese auf Kommando aus dem Nebenraum holte, entbrannte unter vielen Experten eine heiße Diskussion. Eine Theorie besagte, der Collie könne sich lediglich die neuen Spielzeuge merken und diese wurden dann gezielt in der Sendung abgefragt. Daraus entstand die Idee zur Studie.“ Es ergab sich also die Frage, ob Hunde tatsächlich neues Spielzeug bevorzugten, und so machten die Forscher in ihrem Experiment Hunde verschiedener Rassen und unterschiedlichen Alters mit zwei Spielzeugen bekannt. Sie spielten eine Weile mit beiden Spielzeugen und präsentierten den Hunden im Anschluss drei Spielzeuge: Die beiden, mit denen die Hunde bereits gespielt hatten, und ein weiteres, brandneues. Dann wurden die Hunde losgelassen, um festzustellen, welches Spielzeug sie aussuchen würden. Das jeweils neue Spielzeug wurde dabei in fünfzig Tests überwältigende 38 Mal als Favorit erkoren. Die Ergebnisse ihrer Studie mit dem Titel „Neophilia in domestic dogs and its implication for studies of dog cognition“, auf deutsch: Neophilie bei Haushunden und deren Bedeutung für Studien zu kognitiven Fähigkeiten von Hunden, wurde im Journal „Animal Cognition“ veröffentlicht.
Das Ergebnis war also eindeutig:
Hunde bevorzugen neue Spielzeuge! Kaulfuß erklärt: „Natürlich gibt es auch unter Hunden eher „konservative“ Vertreter, die ihr angestammtes Spielzeug vorziehen, doch die überwältigende Mehrheit der Vierbeiner hatte mehr Freude an den neueren Spielzeugen.“ Hunde sind also auch nur Menschen, denn wer kennt ihn nicht, den Vertreter des Homo sapiens, der genau wie Hunde der Neophilie, also der Freude am Neuen, erliegt? Das Ergebnis der deutschen Studie wurde 2010 durch eine weitere Studie der Universität von Bristol bestätigt. Innerhalb dieser Studie spielten die vierbeinigen Probanden gerade einmal zweieinhalb Minuten mit einem neuen Spielzeug, bevor sie das Interesse verloren. Studienführer Prof. Dr. Stanley Coren äußerte sich dazu in der Zeitschrift „Psychology Today“: „Es scheint, dass ein Spielzeug langweilig für einen Hund wird, sobald dieser sich ausreichend mit dessen Anblick, Geräuschen und Gerüchen bekannt gemacht hat.“
Allgemeine Vorlieben und Abhilfe
Innerhalb beider Studien konnten die Forscher außerdem Rückschlüsse auf gewisse Vorlieben ziehen, die die meisten Hunde an den Tag legten. So bevorzugen Hunde Spielzeuge, die etwas weicher sind und nachgeben, auf denen sie herumkauen können oder die sie nach Herzenslust auseinandernehmen können. Harte, unflexible Spielzeuge können dagegen eher selten überzeugen. Diese Präferenz lässt sich vermutlich auf den Umgang mit Beute zurückführen. Ansonsten scheinen unsere Vierbeiner bei der Wahl ihres Spielzeugs relativ flexibel zu sein – zum Leidwesen vieler Einrichtungsgegenstände. Kaulfuß rät: „Da Hunde eine leichte Rot-Grün-Schwäche haben, sollte man bei der Farbauswahl kreativ sein. Außerdem sollte auch die Größe des Spielzeugs in einem vernünftigen Verhältnis zur Hundegröße stehen. Zusätzlich gibt es natürlich auch rassespezifische Vorlieben, Apportierhunde ziehen ein actiongeladenes Spiel natürlich einem „Kuschelspielzeug“ vor.“ Ein Favorit unter fast allen Hunden ist natürlich ein Spielzeug, das mit Futter gekoppelt wird und im Optimalfall ein wenig Geschick und/oder Intelligenz erfordert. Solche „intelligenten“ Spielzeuge trainieren nicht nur die kognitiven Fähigkeiten der Hunde und halten sie geistig fit, sie können auch als Beschäftigung eingesetzt werden, wenn Herrchen oder Frauchen für eine (möglichst kurze) Zeit einmal nicht zur Bespaßung zur Verfügung stehen können. Die Verabreichung der täglichen Futterration im Zusammenhang mit Spiel – egal ob geistig oder körperlich anstrengend – kann auch zur Bekämpfung oder Vorbeugung von Übergewicht eingesetzt werden. Dabei ist den Hunden relativ egal, ob es sich um teures hightech oder althergebrachte Spielzeuge handelt. Auch die Präsentation spielt eine große Rolle, und natürlich spielen auch Hunde lieber in Gesellschaft als allein.
Doch was bringen all diese Ratschläge, wenn unsere Vierbeiner trotzdem innerhalb von Minuten von ihren Spielzeugen gelangweilt sind? Während sich die Hersteller von Hundespielzeug die Hände reiben, gibt es jedoch auch andere Wege als regelmäßig neue Spielzeuganschaffungen. Die Begeisterung der Hunde lässt sich durch einfache Mittel auch für alte Spielzeuge wiederherstellen. Schon ein neuer Geruch an einem altbekannten Spielzeug kann die Hundenase reizen – dieser kann schon dadurch erreicht werden, dass man den Gegenstand einfach in Gras oder Blättern rollt. Auch hundeverträgliche Gewürze können die Dinge in neuem Duft erstrahlen lassen. Abwechslung beziehungsweise Rotation bei den Spielzeugen kann das Interesse ebenso wiederentfachen.
So rät Kaulfuß: „Spielzeuge sollten nicht rumliegen, sondern nach dem Spiel außerhalb der Reichweite der Hunde aufbewahrt werden. Das Hundespielzeug sollte regelmäßig ausgetauscht werden, um Abwechslung zu bieten.“ Aus den Augen aus dem Sinn funktioniert also auch bei Hunden, und so kann man seiner Fellnase ein altes Spielzeug schon nach einigen Tagen oftmals wieder als „brandneu“ verkaufen.
Sicherheit geht vor!
Wie schon gesagt, sind auch die Geschmäcker unserer Vierbeiner, wenn es um ihr Entertainmentprogramm geht, verschieden. Einige Hunde bevorzugen Spielzeug, das Laute von sich gibt, andere, ängstlichere Zeitgenossen werden davon eher verschreckt. Das erste und wichtigste Auswahlkriterium für ein Hundespielzeug sollte aber in jedem Fall die Sicherheit sein. Und das bezieht sich nicht nur auf die Verwendung von ungiftigen Materialien! Kleinteile von Stofftieren oder abgekaute Einzelteile können verschluckt werden und im Darm schlimme Schäden anrichten – dieser kann sich durch die Fremdkörper verschließen oder aufwickeln. Kaulfuß: „Der Markt bietet heutzutage eine breite Auswahl an Hundespielzeugen an, von denen Gott sei Dank die meisten unbedenklich sind. Leider sind jedoch auch Taue oder Tennisbälle heute immer noch beliebte Spielzeuge für den Hund, dabei sind sie völlig ungeeignet und können sogar gefährlich werden!“
Beherzigt man also einige wenige Leitlinien zum Thema Hundespielzeug, kann man fast jedem Vierbeiner leicht eine Freude machen. Unsere Hunde interessiert dabei wenig, wie viel Geld wir für das neue Objekt der Begierde ausgegeben haben, sie haben vor allem ihre Freude, wenn ihre Menschen in das Spiel miteinsteigen – was Studien zufolge nicht nur die geistige Entwicklung der Hunde fördert, sondern auch die Mensch-Hund-Bindung stärkt. In diesem Sinne: Lasst die Spiele beginnen …!
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