Ein bestimmter, als treuherzig bezeichneter Blick des Hundes lässt kaum einen Menschen unberührt. Bei dieser auch als Dackelblick bezeichneten Mimik sind der innere Abschnitt der Augenbrauen und der innere Augenwinkel angehoben, wodurch das Weiße in den Augen sichtbar wird und auf der Stirne einige Falten auftreten. Über diese Form der hundlichen Mimik und ihre Bedeutung gibt es bereits einiges an wissenschaftlicher Literatur. Erst kürzlich jedoch wurde die dafür verantwortliche anatomische Grundlage entdeckt.
Das bekannte Wort vom Hund als des Menschen bester Freund ist wohl nicht ohne Grund entstanden. Wie wir aus zahlreichen Studien wissen, ist die soziale und kommunikative Organsiation des Hundes der des Menschen sehr viel ähnlicher als etwa die zwischen Schimpansen und Menschen. Während es früher noch geheißen hat, man dürfe einem Hund niemals in die Augen schauen, weil er dies als Bedrohung auffasse, so wissen wir heute, dass dies so nicht der Fall ist. Vielmehr unterscheidet der Hund menschliche Verhaltensweisen im Kontext. Das heißt, es macht für ihn einen Unterschied, in welchem Zusammenhang wir ihm in die Augen schauen (und er in unsere). Wie viele von uns aus der eigenen Erfahrung wissen, kann unser Vierbeiner zudem unterscheiden, ob wir ihn zornig anschauen oder freundlich bzw. liebevoll. Außerdem kennt er ohnehin bereits jede Mimik unseres Gesichtes, vielleicht sogar noch bevor wir sie überhaupt ausdrücken.
Anders verhält es sich natürlich bei fremden bzw. unbekannten Personen. Normales Anschauen ist da zwar ebenfalls kaum ein Problem, anders jedoch ein starres Fixieren mit den Augen, und dies noch dazu schweigend. So wie wir Menschen ein solches Verhalten als eher bedrohlich auffassen würden, so auch unser Hund. Es kommt also immer auf den Kontext an, in dem ein Verhalten gezeigt wird. Das ist aber ohnehin nichts Neues. So meinte etwa Adam Miklósi von der Eötvös Loránd Universität in Budapest als Ergebnis einer Studie, in der das Verhalten von Hunden und (auch mit Menschen sozialisierten) Wölfen untersucht wurde, dass einer der Hauptunterschiede des Hundes gegenüber einem Wolf seine Fähigkeit sei, dem Menschen ins Gesicht zu schauen (Miklósi 2003).
Ein solcher Augenkontakt dürfte für den Hund in der Kommunikation mit dem Menschen sogar eine größere Rolle spielen als eine bloße Zeigegeste, wie die Kognitionsbiologin Juliane Kaminski (damals noch im Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig) nachweisen konnte. Demnach bewerten Hunde die Zeigegeste eines Menschen weniger relevant, wenn sie dessen Augen nicht sehen können (Kaminski 2012).
Dass Hunde die Emotionen ihrer Menschen auch an ihrem Gesichtsausdruck erkennen können, ist für Hundehalterinnen und -halter eine Alltagserfahrung. Allerdings müssen die Hunde den Zusammenhang zwischen dem Gesichtsausdruck und der entsprechenden Emotion bei ihrem Menschen erst lernen. In diesem Fall können sie sogar auf einem bloßen Bild den Gesichtsausdruck eines Menschen einer bestimmten Gefühlslage (fröhlich oder zornig) zuordnen, wie Wissenschaftler der Vetuni Wien zeigen konnten (Müller 2015).
Andererseits nun können auch Menschen den Gesichtsausdruck ihres Hundes interpretieren. Und viele Menschen, selbst solche, die keine großen Hundeliebhaber sind, sind davon berührt, wenn Hunde ihre Stirne runzeln, vor allem wenn sie dabei die Augenbrauen, vor allem deren mediale (innere) Anteile anheben, wodurch das Auge auch größer wirkt. Weil ein solcher hundlicher Gesichtsausdruck dem eines Kleinkindes ähnlich sei und außerdem etwas traurig wirke, würde das für den Hund einen selektiven Vorteil darstellen (Waller 2013). Demnach seien Hunde mit dieser Fähigkeit in einem Tierheim deutlich schneller vermittelbar als solche, bei denen diese Fähigkeit nicht so ausgeprägt sei.
Anatomische Entdeckung
All diese und ähnliche Forschungsergebnisse über die mensch-hundliche Kommunikation sind also schon länger bekannt. Relativ neu hingegen ist eine anatomische Entdeckung, die Juliane Kaminski und ihr Team von der University of Portsmouth in Großbritannien gemacht haben. »Weil bestimmte Augenbrauenbewegungen im Hundegesicht für Menschen attraktiv zu sein scheinen«, so Juliane Kaminski zu WUFF, »also der klassische Hundeblick, war es ein nächster Schritt, Hund und Wolf zu vergleichen, um zu sehen, inwieweit Domestikation hier einen Einfluss gehabt haben könnte«.
In einer vergleichenden Untersuchung der anatomischen Präparate von 6 Hunden und 4 Wölfen (die übrigens nicht wegen der Studie getötet wurden!) fanden Kaminski und ihr Team heraus, dass die Gesichtsmuskulatur von Hunden und Wölfen zwar weitgehend ähnlich ist, sich jedoch rund um das Auge signifikant unterscheidet, wie die Abbildung auf Seite 85 zeigt. Dieser Unterschied erklärt nun auch die vorhin genannte Fähigkeit der Hunde. Im Besonderen handelt es sich um zwei Muskeln.
Ein mimischer Muskel, der den inneren Anteil der Augenbraue anhebt (Musculus levator anguli oculi medialis, LAOM) und damit auch den Innenwinkel des Auges nach oben zieht, ist bei den hundlichen Präparaten stets vorhanden. Bei den Wölfen hingegen finden sich stattdessen nur Bindegewebsfasern und spärliche Muskelfasern.
Ein weiterer Gesichtsmuskel, der allerdings eine größere Variabilität aufwies als der vorher beschriebene, zieht den äußeren Augenwinkel in Richtung Ohr (Musculus retractor anguli oculi lateralis, RAOL). Alle Hunde mit Ausnahme des Huskys verfügen über diese Fähigkeit und haben daher diesen Muskel. Bei dreien der vier untersuchten Wölfe fand sich hier zwar ebenfalls ein solcher Muskel, dieser aber deutlich schwächer ausgeprägt als bei den Hunden. Das Fehlen dieses Muskels beim Husky wird von den Wissenschaftlern übrigens mit einer größeren genetischen Nähe des Huskys zum Wolf, also zu seinem Urahn, gedeutet.
Mimische Differenzen bei Hund und Wolf
In Korrelation zu den anatomischen Befunden untersuchten Kaminski und ihr Team in einer Verhaltensanalyse 27 Haushunde (in Tierheimen) und 9 Wölfe (in 2 Wolfparks). Dabei wurden die Häufigkeit und das Ausmaß des Anhebens des inneren Augenwinkels gemessen. Erwartungsgemäß war dies bei den Hunden am häufigsten der Fall (5-mal häufiger als bei den Wölfen). Zudem konnten die Hunde den inneren Augenwinkel/ die innere Augenbraue deutlich höher anheben als dies bei den Wölfen der Fall war. Das Ergebnis der Verhaltensanalyse lässt sich also durch die anatomische Situation der mimischen Muskulatur um das Auge erklären.
Hundlicher Vorteil
Die Wissenschaftler interpretieren ihre Ergebnisse in zweierlei Hinsicht. Einerseits würde das Anheben der Augenbraue bzw. die Vergrößerung des Auges durch Anheben des inneren Augenwinkels dem hundlichen Gesicht, wie schon erwähnt, einen kindlichen Ausdruck verleihen. Außerdem habe ein derartiger Ausdruck auch eine Ähnlichkeit mit dem Gesichtsausdruck eines traurigen Menschen. Dadurch würde der Eindruck einer Schutzbedürftigkeit entstehen, was beim Menschen eine entsprechende Reaktion auslöst. Demnach hätten Menschen in weiterer Folge solche Hunde bevorzugt und damit bewusst oder unbewusst selektiert, wodurch sich dieses Verhalten dann verfestigt habe. Unter Verweis auf die vorhin erwähnte Studie, in der eine bessere Tierheim-Vermittelbarkeit von Hunden mit dieser Fähigkeit gegeben sei (Waller 2013; auch Kaminski war Teil dieses Forscherteams), sei dieser Selektionseffekt noch immer präsent, so Kaminski.
Es gebe allerdings noch einen weiteren Grund, vermutet die Wissenschaftlerin in ihrer Studie, warum die Fähigkeit des Anhebens der Augenbraue für die hund-menschliche Bindung so wichtig sei. Diese Fähigkeit würde nämlich eine große Rolle in der Kommunikation zwischen Hunden und Menschen spielen. So wirken Bewegungen der Augenbrauen (und Stirnrunzeln) beim Menschen in der zwischenmenschlichen Kommunikation als deutliche Hinweise, die auch das, was gerade gesprochen wird, betonen bzw. verändern. Psychologische Studien würden nachweisen, dass dies ein ausschließlich beim Menschen vorhandenes Merkmal sei. Menschen würden in der Kommunikation v.a. die obere Gesichtshälfte des anderen betrachten. Sie tun dies übrigens auch bei Fotos von Hunden und anderen Tieren, wie in einer Studie an der Universität von Lincoln (Großbritannien) nachgewiesen wurde (Guo 2010). Demnach würden am häufigsten die Augen betrachtet, danach folgen Nasen- und Mundregion.
Das Weiße im Auge
Kaminski und ihr Team diskutieren in ihrer Studie noch eine weitere Hypothese als Erklärung, warum das Anheben der Augenbrauen beim Hund so attraktiv auf den Menschen wirkt. Wenn der Hund dies nämlich tut, zeige sich viel deutlicher die weiße Sklera ( sog. Lederhaut) des Auges, so wie dies auch beim Menschen der Fall ist. Die Hypothese lautet, dass bei einer weißen Sklera die Blickrichtung viel deutlicher zu erkennen ist als bei einer pigmentierten, also farbigen. Es ist natürlich für die Kommunikation und Kooperation von Vorteil, wenn ich weiß, wohin der andere gerade schaut. Möglicherweise ist es also nicht oder nicht nur das Kindchenschema des berühmten Dackelblicks, sondern die Annahme einer besseren (sozialen) Kommunikation, die den Menschen Hunde als vierbeinige Partner bevorzugen lässt.
Insgesamt, so schlussfolgern die Wissenschaftler der University of Portsmouth, würden soziale Interaktionen zwischen Mensch und Hund im Verlauf der Domestikation einen Selektionsdruck auf die mimische Muskulatur des Hundes ausgeübt haben. Dieser sei stark genug gewesen, um zu der Entwicklung eines neuen Muskels, eben des LAOM, geführt zu haben.
Literaturquellen
• Guo K. et al., Human spontaneous gaze patterns in viewing of faces of different species. Perception 2010;39:533–542.
• Kaminski J. et al, How dogs know when communication is intended for them. Dev. Sci. 2012;15:222–232.
• Kaminski J. et al, Evolution of facial muscle anatomy in dogs, Proc Natl Acad Sci USA 2019;116(29):14677-14681 (open access: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1820653116)
• Miklósi A. et al., A simple reason for a big difference: Wolves do not look back at
humans, but dogs do. Curr. Biol. 2003;13:763–766.
• Müller C. et al, Dogs Can Discriminate Emotional Expressions of Human Faces, Current Biology 2015;25(5):601-605.
• Waller et al., Paedomorphic Facial Expressions Give Dogs a Selective Advantage, PLoS One 2013;8(12):e82686. (https://doi.org/10.1371/journal.pone.0082686)
Vorgestellt
Dr. Juliane Kaminski
Langjährigen Leserinnen und Lesern von WUFF wird die Wissenschaftlerin noch aus ihrer Zeit am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig bekannt sein, wo sie bis 2007 gearbeitet hat und aus welcher Zeit sehr interessante Forschungsergebnisse stammen, die in verschiedenen Artikeln von WUFF zitiert wurden. Nach einem kurzen Aufenthalt (2007-2008) an der University of Cambridge und danach wieder mehreren Jahren am Max-Planck-Institut, forscht und lehrt Juliane Kaminski seit 2012 an der University of Portsmouth.
Ihr wissenschaftliches Interesse gilt vor allem der Mensch-Hund Kommunikation und deren Einfluss auf die Domestikation. In diesem Zusammenhang entstand auch die in diesem Artikel vorgestellte anatomisch-ethologisch vergleichende Studie von Hunden und Wölfen über die Evolution der hundlichen Gesichtsmuskulatur.
Pdf zu diesem Artikel: hundeblick