Was Hänschen nicht lernt …? – Über das Lernverhalten unserer Hunde

Von Sophie Strodtbeck

Lernen ist die zusammenfassende Bezeichnung für das Erwerben relativ über­dauernder Erfahrungen, die Verhalten und Verhaltensmöglichkeiten, Handeln und Handlungsmöglichkeiten verändern" (Eberspächer 1987). Lernen ist ein Prozess, der nicht sichtbar ist. Er dient der Anpassung an eine flexible Umwelt (Adaption) und bewirkt eine Plastizität des Verhaltens. Lernen ist also an die Wahrnehmung und Verarbeitung der Umwelt gekoppelt. Je höher ein Lebewesen entwickelt ist, desto mehr kann Instinktverhalten durch Lernverhalten überlagert werden. Na, das sieht doch für unsere Haushunde schon mal ganz gut aus!

In der Tat haben Hunde ein sehr ­komplexes Lernverhalten. Sie lernen latent, motorisch, durch Nachahmung und Erfahrungen. Häufig werden jedoch auch Vorgänge als Lernen bezeichnet, die es tatsächlich aber nicht sind ­(siehe Kasten).

Grundsätzliche Einteilung des ­Lernens
Anders das fakultative Lernen, das entgegen dem obligatorischen Lernen, ein Lernen ist, das nicht unbedingt für das Überleben notwendig ist. Sitz, Platz, Fuß, ­sämtliche ­„Kunststückchen" und anderes ­„Hundeballett" sind hier einzuordnen.

Beginnen wir nun mit dem Bereich des assoziativen, erfahrungsbedingten Lernens. Es wird oft bei Verhaltensproblemen eingesetzt.

Da wäre zunächst das obligatorische Lernen, das für das Überleben des Individuums lebensnotwendig ist. Die meisten angeborenen Ver­haltensmuster werden durch Lern­prozesse verfeinert und auf spezifische Eigenschaften des Lebensraumes abgestimmt. Dieses Lernen erfolgt bei einem jungen Hund vor allem im ­Rahmen des Spielverhaltens. Der ­Welpe lernt im Spiel mit den Geschwistern wichtige Verhaltens­ketten aus dem Jagd- oder Sexualverhalten, sowie das „Kleingedruckte" der innerartlichen Kommunikation.

Klassische Konditionierung – Systematische Desensibilisierung
Stellen wir uns einen Hund vor, der auf dem Behandlungstisch beim Tierarzt schmerzhafte Erfahrungen machen musste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Hund keine Probleme damit, auf einem Tisch zu stehen. Die schlechte Erfahrung bei der Behandlung führte allerdings dazu, dass er jetzt Furcht bekam, sobald er einen Tisch erblickte. Er assoziierte also Tische mit der beängstigenden Situation. Oder anders ausgedrückt, der Tisch wurde zum ankündigenden Reiz für Schmerzen. Es fand eine klassische Konditionierung statt. Hierbei lernt der Organismus eine neue Assoziation zwischen zwei Reizen, nämlich zwischen einem Reiz, der zuvor keine Reaktion auslöste, und einem anderen, der nach den Gesetzen der Natur die Reaktion auslöste. Hier also Tisch und Schmerzen oder, bei Pawlow, Glocke und Speichelfluss; den Versuch kennt wohl fast jeder. Schlimmer noch bei diesem Beispiel: es war nicht mehr nur der Behandlungstisch, sondern der Hund generalisierte die Furcht auf alle Tische. Und es fand zudem eine Sensibilisierung statt, der Organismus wurde empfindlicher und die Antwort auf den Reiz „Tisch" wurde intensiver (die Sensibilisierung ist das Gegenteil der Habituation, also der Gewöhnung, bei der die Reizantwort mit der Zeit nachlässt oder gar gänzlich erlischt).

Hat also eine solche Sensibilisierung stattgefunden, dann hilft eine systematische Desensibilisierung. Das heißt, der Hund wird zunächst in unmittelbarer Umgebung eines Tisches gefüttert, ohne dass er darauf muss oder gar behandelt wird. Nach und nach wird die Fütterung auf den Tisch verlagert und letztendlich sogar auf den Behandlungstisch. Die Furcht des Hundes verschwindet. Die Methode der Desensibilisierung ist in dieser Fallbeschreibung so erfolgreich, weil der Hund eindeutig unter einer Furcht litt und diese erlernt wurde.

Seit einigen Jahren wird auch in der Hundeszene mehr und mehr mit Desensibilisierung ­gearbeitet. Zunächst beschränkte sich der ­Einsatz auf die Behandlung von ängstlichem Verhalten, das ist verhaltenstherapeutisch teilweise nachvollziehbar. Man nähert sich dem Objekt der Furcht auf weite Entfernung, bleibt dort, wo der Hund noch keine Furcht zeigt, füttert ihn und belohnt vielleicht zusätzlich sein entspanntes Alternativverhalten. Sobald sich der Hund während der Annäherung fürchtet, geht man wieder einen Schritt zurück und schaut, ob er wieder frisst. Denn solange er Futter aufnehmen kann, hat er keine Angst. Nach und nach wird der Hund sich, wie im genannten Beispiel, dem Tisch furchtfrei nähern können.

Wir halten also fest, dass die systematische Desensibilisierung eine Methode ist, die bei einem (Problem-) Verhalten, dem tatsächlich Furcht zugrunde liegt, eine Möglichkeit sein kann, mit dem Hund zu arbeiten und Furcht zu verringern.

Die systematische Desensibilisierung, die in der Verhaltenstherapie eine wichtige Rolle spielt, ist ein Beispiel für die klassische Konditionierung. Ein konditioniertes Entspannungssignal, bei dem der Hund auf das Äußern eines Wortes oder eine Berührung an einer bestimmten Stelle entspannt, wäre ein anderes.

Die Systematische Desensibilisierung ist eine Methode aus der Verhaltenstherapie, die durch die schrittweise Annäherung zum Abbau von Ängsten führt. Der Grundsatz der Verhaltenstherapie ist: Alles, was gelernt wurde, kann auch wieder verlernt werden.

Lernen aus Konsequenzen – ­Operante Konditionierung
Hunde bringen sowohl Belohnungen als auch Bestrafungen mit ihrem jeweiligen Verhalten in Verbindung, wenn sie zeitlich direkt auf das gezeigte Verhalten folgen.

Erinnerung ist die Angst oder die Hoffnung, es könnte noch einmal ­passieren. Hunde lernen ähnlich wie wir Menschen. Wir alle streben nach der Steigerung unseres Wohlbefindens und vermeiden Schmerz und Unbehagen. Wenn eine Verhaltensweise unangenehme Folgen für uns hat, so werden wir sie in Zukunft seltener zeigen. Hat sie jedoch einen angenehmen Effekt, so werden wir sie häufiger zeigen. Das ist das Gesetz der Wirkung und der Grundsatz der operanten oder auch instrumentellen Konditionierung.

Positive Verstärkung – Ein ­Verhalten soll häufiger auftreten
Der Klassiker hierfür wäre ein Hund, der am Tisch bettelt und Männchen macht, und ein Mensch, der ihm dafür etwas von seinem Essen abgibt. Das läuft allerdings oft eher unterschwellig und der Mensch ist sich gar nicht bewusst, dass er seinem Hund gerade etwas beibringt. Anders ist es aber, wenn man seinem Hund zum Beispiel während des Essens auf seinen Platz schicken möchte und ihm, kaum dass er dort liegt, ein Leckerchen gibt oder Aufmerksamkeit schenkt. Diese Art des Vorgehens nennt sich positive Verstärkung, denn etwas Angenehmes wird hinzugefügt. Leider kämpft Mensch auch ständig gegen andere, dem Hund in diesem Moment vielleicht wichtigere Bestätigungen wie soziale oder auch hormonelle Ver­stärker an …

Beginnen wir mit der schönen ­Seite des Lernens, der Förderung und Motivation. Wenn der Hund etwas macht, was uns gefällt, belohnen wir ihn, indem wir ihm etwas dafür geben. Das können ein verbales Lob, ein ­Streicheln, Futter, sein Lieblingsspielzeug oder auch nur ein Lächeln und ein Blick sein. Etwas Angenehmes wird hinzugefügt. Was angenehm ist, bestimmt in diesem Falle der Hund, je nachdem, was er mag.

Negative Verstärkung – ein ­Verhalten soll häufiger auftreten
Nicht nur der Erhalt von etwas Angenehmem kann ein Verhalten verstärken, sondern auch die Möglichkeit, etwas Unangenehmes los­zuwerden. Wenn ein Welpe von seinen Geschwistern entfernt eingeschlafen ist, frierend und einsam erwacht, sucht er die Nähe zu seinen Wurfgeschwistern auf, legt sich zu ihnen und es wird ihm wieder warm. Wenn ihm das nächste Mal kalt ist oder er sich allein fühlt, wird er sich wieder an seine Geschwister kuscheln. Das Abstellen der (negativen) Kälte und der sozialen Isolation dient dabei als Verstärker.

Positive Bestrafung – ein ­Verhalten soll seltener auftreten
Nun kommen wir in den Bereich, der dafür da ist, dass ein Verhalten seltener gezeigt wird. Eine ­positive Bestrafung dient dem Erlernen einer Hemmung im Verhalten. Häufig handelt es sich um die Endhandlungen, die gehemmt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist das Erlernen der Beißhemmung. Zwei Welpen spielen mit­einander und beißen sich dabei spielerisch. Wenn einer der beiden zu stark zubeißt, wird sich der andere durch ein ebenso starkes Zurückbeißen wehren. Derjenige, der zuerst zu stark zubiss, wird lernen, dass das für ihn unangenehme Konsequenzen hat und wird in Zukunft „sanfter" spielen. Durch ­diese Lernerfahrung wird er aber keine Furcht vorm Spielen oder vor anderen Hunden entwickeln! Das entspannte Kampfspiel geht oft direkt nach der kurzen Auseinandersetzung weiter oder wird später fortgesetzt. Die Bestrafung bezog sich ausschließlich auf das zu starke Beißen und hemmt dadurch dieses Verhalten. Etwas Unangenehmes wird hinzugefügt und der Hund kann es mit seinem „Ver­gehen" in Verbindung bringen. Das nennt man eine positive Bestrafung.

Negative Bestrafung – ein ­Verhalten soll seltener auftreten
In beiden Fällen wird das zu grobe Einsetzen der Zähne geahndet und in Zukunft seltener gezeigt werden. Bei der positiven Bestrafung sind es die unangenehmen Konsequenzen, die den Welpen in der Zukunft hemmen werden, nochmals so zu grob zu spielen, bei der negativen Bestrafung hingegen ist es der Verlust des Spielpartners.

Nehmen wir den Welpen aus dem vorigen Beispiel, nur dass Sie diesmal das „Opfer" sind und die spitzen Welpenzähnchen blutige Löcher in Ihren Händen hinterlassen. Sie drehen sich als Konsequenz auf sein schmerzhaftes Verhalten einfach um, gehen weg und beenden das Spiel. Dadurch ­entziehen Sie ihm das ­Angenehme, nämlich den Spaß am Spiel. Die Be­strafung durch Entzug des Angenehmen nennt man negative Bestrafung.

Positiv und negativ heißt weder gut noch böse!
Wie die Beispiele zeigen, gibt es also zwei Formen der Verstärkung und zwei der Bestrafung. Die Unterscheidung ist durch die Wörter positiv und negativ gekennzeichnet. Die Bezeichnung positiv heißt in diesem Zusammenhang, dass einem Verhalten ein Reiz folgt; die Bezeichnung negativ bedeutet hingegen, dass ein Reiz entfernt, weggenommen oder ganz vermieden wird, wenn sich ein bestimmtes Verhalten zeigt. Daraus ergeben sich die positive und negative Verstärkung als auch die positive und negative Bestrafung (siehe Tabelle oben).

Falsches Timing – ­Handlungs­ketten
Die Mensch-Hund-Beziehung lässt sich aber nicht auf die reine Lerntheorie reduzieren – ein Glück! Man kann Lernprozesse, gerade wenn es um Belohnung und Strafe geht, nicht losgelöst von der Persönlichkeit des Einzelnen diskutieren!

Falsches Timing und der dadurch begünstigte Aufbau von Handlungsketten kann zum Problem werden. Bei der positiven Verstärkung kann ein Fehler im Aufbau der Arbeit zum Gegenteil des Lernziels führen. Wer zum Beispiel seinen Hund oft zurückruft, wenn dieser sich entfernt, und ihn dann mit Futter bestätigt, wird etwas feststellen: Subjektiv gesehen trainiert der Mensch zwar den Rückruf, der Hund lernt aber nebenbei etwas ganz anderes. Das Lernergebnis wird sein, dass Hund häufig wegläuft. Seltsam? Nein, gar nicht. Denn er hat gelernt, dass er sich entfernen muss, damit der Rückruf und die damit verbundene Futterbelohnung kommt. Man nennt das eine Handlungskette. Eigentlich wäre es sinnvoller, dem Hund Futter zu geben, wenn er bei einem bleibt, und ihn nicht für das Weglaufen zu belohnen.

Latentes Lernen
Das latente Lernen findet täglich und ohne besondere Motivation statt. So hat man experimentell herausgefunden, dass eine satte Ratte, die in ein Labyrinth gesetzt wird und ziellos umher läuft, später in hungrigem Zustand im gleichen Labyrinth ihr Ziel (Futter) schneller findet als eine Ratte, die mit dem Labyrinth noch nicht vertraut ist. Es ermöglicht auch Hunden, sich im Alltag mit Erfahrungswerten zurechtzufinden, z.B. wenn sie einen bereits einmal gegangenen Weg schon kennen.

Das latente Lernen, das ohne erkennbaren Grund und ohne Motivation auftritt, ist ein Lernen ohne Verstärker, das zunächst meist unbemerkt bleibt. Kommt es jedoch zu einer bewussten Verstärkung dieses Lernens, wird der Lernfortschritt deutlich sichtbar. Aus diesem deutlichen Lernfortschritt kann man schließen, dass schon vorher ein Lernprozess stattgefunden hat, der jedoch latent bleibt, bis der Verstärker ihn ans Licht bringt.

Motorisches Lernen
Motorisches Lernen umfasst alle ­Prozesse des Erwerbs, Erhalts und der Veränderung von primär motorischen, aber auch sensorischen und kognitiven Strukturen. Ziel ist die Verbesserung jeglicher Bewegungskoordina­tion. Die Verbesserung der Koordination ist somit auf Veränderungsprozesse im Zentral-Nerven-System zurückzuführen. Im Kleinhirn werden sozusagen Bewegungsschablonen erstellt, die der Koordination von ­Körperbewegungen dienen.

Da wäre zunächst das kinästhetische oder auch motorische Lernen. Das motorische Lernen bezieht sich auf die Aneignung von Verhaltensweisen, Handlungen und Fertigkeiten, die sich vor allem auf die motorische Leistung des Körpers beziehen. Es handelt sich dabei um ein Lernen durch Bewegungswahrnehmung bzw. das Lernen von Bewegungsabläufen. Ein früher oft eingesetzter Klassiker dieser ­Lernform ist beim Hund das Beibringen des Kommandos „Sitz" per ­kinästhetischem Lernen. Man drückt den Hintern des Hundes nach unten, während man das Kommando gibt. Nach einigen Durchgängen wird der Hund das Wort „Sitz" mit der zunächst passiv ausgeführten Be­wegung nach unten assoziieren und wird diese dann nach kurzer Zeit aktiv ausführen, wenn er das Kommando hört. Ähnliches passiert, wenn man zum Erlernen von „Platz" den Hund unter das ausgestreckte Bein lockt, wo er dann liegen muss.

Soziales Lernen
Diese sozial-kognitive Theorie setzt bei einem Lernprozess an, den ein Mensch oder ein Hund auf Grund von Beobachtung von Verhaltens­weisen anderer Menschen / Hunde und der dazugehörenden Konsequenzen erfährt. Beim „Lernen am Modell" identifiziert sich der beobachtende Hund mit dem zu beobachtenden Modell. Durch Identifikation und Beobachtung wird der Beobachter beeinflusst. Die Beeinflussung umfasst sowohl das gesehene ­Verhalten als auch die aus dem Verhalten entstandenen Konsequenzen. Bewertet der Beobachter die ­ent­standenen Konsequenzen als ­positiv, wird er sie nachahmen. Bewertet er die gesehenen Konsequenzen als negativ, wird er sie nicht nachahmen.

Besonders junge Tiere, also Tiere, die die soziale Umwelt noch nicht in ihrer Gänze kennen, profitieren vom sozialen Lernen. Sie lernen im Sozialverband Gefahren kennen, ohne sich selbst zu gefährden. Sie bekommen Informationen über Ressourcen und Feinde von ihren Sozialpartnern und Familienmitgliedern präsentiert. Das Lernen erfolgt schneller als durch eigenes Ausprobieren.

Damit ein Lebewesen durch Beobachtung lernen kann, sind verschiedene Voraussetzungen wichtig: Das Gesehene kann nur wahrgenommen werden, wenn das Individuum aufmerksam ist. Um ein Verhalten nachzuahmen, müssen bestimmte Gedächtnisleistungen ablaufen, damit das Verhalten auch erinnert wird, um später in Form einer konkreten Handlung gezeigt werden zu können. Es muss aber auch einen Anlass geben, damit das beobachtete Verhalten tatsächlich gezeigt wird, hieran sind also auch bestimmte Motivations- und Verstärkungsprozesse beteiligt.

Lernen durch Nachahmung wird auch „Lernen am Modell" genannt. Diese Form des Lernens ist an das Be­obachten von Vorbildern/Modellen geknüpft. Da Hunde soziale Lebe­wesen sind, lernen sie auch in sozialen Kontexten.

Einfache und echte Nachahmung
Davon zu unterscheiden ist die echte Nachahmung, bei der der Beobachter zielgerichtet agiert, weil er den Zusammenhang zwischen den Verhaltenskomponenten und dem Ziel der Handlung begreift. Je häufiger ein Hund erfahren hat, dass sein Mensch ihm die Lösung eines Problems zeigen kann, der Hund sich also auf die Kenntnisse seines Menschen verlassen kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund diesem Verhalten Aufmerksamkeit schenkt und es imitiert.

Nachahmung ist nicht gleich Nach­ahmung. Zur besseren Unterscheidung der beteiligten kognitiven Prozesse werden verschiedene Begrifflichkeiten gewählt. Wird ein Lebewesen lediglich auf ein Objekt oder einen Ort aufmerksam gemacht, der dann vom anderen Lebewesen eingehender inspiziert wird, so spricht man von „local enhancement" (ortsbezogene Verstärkung). Ein Klassiker: ein Hund sieht, dass ein anderer intensiv an einem Grasbüschel schnüffelt, und geht sofort auch zu dieser Stelle, um zu schauen (bzw. zu riechen), was es dort so Spannendes gibt. Auch ein Mensch, der sich interessiert einer Stelle im Gras zuwendet, wird das Interesse des Hundes wecken. Bei der einfachen Nachahmung kopiert der Beobachter die Handlung, ohne jedoch den tieferen Sinn oder das Ziel der Handlung zu verstehen.

Spiegelneurone
Eine Voraussetzung für die Fähigkeit zum Nachahmungslernen sind die Spiegelneurone. Diese Nerven­zellen sind unter anderem dazu da, das Gegenüber zu imitieren und Empathie zu empfinden. Das Phänomen der Stimmungsübertragung, also der Spiegelung von Stimmungen vom Menschen auf den Hund (aber auch andersrum!) kennen wir alle. Aber auch das Imitieren von Handlungen: Gähnen Sie Ihren Hund einmal an, ich bin mir ziemlich sicher, dass er mit­machen wird!

„Do as I do"
Was beim Gähnen funktioniert, funktioniert auch bei komplexeren Handlungen. Aus der Fähigkeit zum Nachahmungslernen bei unseren Hunden hat sich sogar eine eigene Trainingsmethode entwickelt: „Do as I do". Das Kommando „Do it" hilft dem Hund dabei, sich auf die vorgemachte Handlung zu konzentrieren. Hunde, die auf diese Art trainiert wurden, ahmten ihnen bislang unbekannte Aktionen mit einer hohen Trefferquote zuverlässig nach. Auch das ist nur dank der Existenz von Spiegelneuronen ­möglich.

Oft macht’s die Mischung
Unsere Hunde haben also, wie auch wir Menschen, verschiedene Möglichkeiten, Dinge zu lernen. Darum ist es schade, wenn wir uns nur auf eine der Lernformen stürzen und die anderen vernachlässigen. Oft macht’s die Mischung! Wenn wir das ganze Spektrum nutzen, machen wir es unserem Hund und uns einfacher.

Hintergrund
Was Lernen NICHT ist

Was oft mit Lernen verwechselt wird, tatsächlich aber kein Lernen und daher von diesem deutlich abzugrenzen ist, betrifft folgende Vorgänge.

■ Dabei handelt es sich um Verhaltens­änderungen, die aufgrund von physiologischen Prozessen möglich werden und kein Training benötigen (Knochenwachstum, Hormone, ­Entwicklung der Nervenbahnen).

■ sind keine eigene Lernform, sondern eine besondere Erscheinungsform des Gedächtnisses zu bestimmten Zeitabschnitten, den sogenannten sensiblen Phasen. Diese Zeitfenster der Möglich­keiten sind themengebunden, genetisch determiniert und nur schwer löschbar. Bei echter Prägung sind sie irreversibel. Beim Hund finden prägungsähnliche Vorgänge statt, von einer echten Prägung, wie bei den Lorenz’schen Gänseküken, kann man beim Hund jedoch nicht ­sprechen.

■ Unbedingte Reflexe, Orientierungsreaktionen, Automatismen (nicht reizgebunden), angeborene Auslösemechanismen (reizgebundene Reaktionen).

■ Ermüdung, Gewöhnung/Sensitivierung (Kurzzeit), Drogen (u. a. Narkosen, Psychopharmaka).

Verhalten nimmt zu

Verhalten nimmt ab

Reiz wird hinzugefügt
oder präsentiert

Positive Verstärkung

(etwas Angenehmes
wird hinzugefügt)

Positive Bestrafung

(etwas Unangenehmes wird

hinzugefügt)

Reiz wird weggenommen oder weggelassen

Negative Verstärkung

(etwas Unangenehmes wird ­weggenommen)

Negative Bestrafung

(etwas Angenehmes wird

weggenommen)

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