Waldliebe auf dem Rothaarsteig: Waldbaden und wandern mit Hund

Von Romy Robst

Weitwanderungen liegen voll im Trend. Mit kommt nur, was in einen Rucksack passt – und natürlich der geliebte Vierbeiner. Wer sich das erste Mal der Herausforderung einer mehrtägigen Wanderung stellt, findet im Rothaarsteig einen leichten, gut beschilderten Weg, der allerdings tonnenschwere Überraschungen parat hält.

»Ist das dieses Waldbaden?«, frage ich meine Mitwanderin, als ich nach sechs Stunden strammer Wanderung im Dauerregen bis auf die Knochen nass bin. Sie lächelt, denn unter ihrem weiten Regenponcho ist sie deutlich trockener als ich unter meiner durchgeweichten Regenjacke. Selbst Wanderhund Lotte, eine Münsterländer-Dame, ergeht es unter ihrem Regenmantel besser als mir. Aber es sind nur noch wenige Minuten bis zur Unterkunft und dort wartet eine heiße Dusche auf mich. Beim Weitwandern unter solchen regnerischen Bedingungen gewinnen die kleinen Dinge im Leben eine große Bedeutung. Wann erfreuen wir uns im Alltag schon mal an der Selbstverständlichkeit einer heißen Dusche? Wer mehrere Tage zu Fuß in der Natur unterwegs ist, den Witterungsbedingungen – egal ob Regen, Sturm oder sengende Hitze – gnadenlos ausgeliefert ist, erkennt zwangsläufig den Wert alltäglichen Komforts.

Diesen werde ich auf unserer 6-tägigen Wanderung tatsächlich noch drei Mal besonders wertschätzen, denn so oft komme ich nachmittags klitschnass im Hotel an. Der Wettergott hat es nicht sonderlich gut mit uns gemeint. Dennoch will ich dieses »Waldbaden« auf dem Rothaarsteig nicht missen. In den Hotels werden wir von Gastgebern in Empfang genommen, die auf Wanderer eingestellt sind und alte Handtücher für dreckige (aber glückliche) Wanderhunde bereithalten. Wir haben diesen riesigen Wald im Rothaargebirge fast ganz für uns allein und lernen die Natur ganz neu kennen. Dort hängen an grünem, sattem Moos glitzernde Regentropfen. An anderer Stelle umhüllt uns eine mystische Nebelstimmung wie aus dem Bilderbuch. Wir suchen mit viel Fantasie Märchengestalten in moosüberzogenem Totholz des naturbelassenen Waldes. Wir lauschen dem Zwitschern der Vögel, der Duft des feuchten, modrigen Waldbodens steigt uns in die Nase und wir spüren den kühlen Wind auf der Haut – Natur kann auch bei Regen unglaublich unterhaltsam sein.

156 Kilometer Qualitätswanderweg
Das Sauerland ist die bekannteste Wanderregion in Nordrhein-Westfalen. Ziemlich genau 4.462 Quadratkilometer misst die typische Mittelgebirgslandschaft und besteht überwiegend aus großflächigen Buchen- und Fichtenwäldern. Ihre höchsten Erhebungen hat sie im Rothaargebirge und wird wegen ihrer unzähligen Berge manchmal auch als »Land der tausend Berge« bezeichnet. Die beste Form, das Gebirge zu erkunden, ist zu Fuß – natürlich mit einem treuen Vierbeiner an seiner Seite. In sechs bis zwölf Tagen lässt sich der 156 Kilometer lange Rothaarsteig, der das Rothaargebirge von Brilon nach Dillenburg der Länge durchquert, erwandern. Der Qualitätswanderweg feierte letztes Jahr sein 20-jähriges Jubiläum und hat sich seither in der Welt der Weitwanderer etabliert. Dabei gilt er als leichter bis mittelschwerer Weitwanderweg, der sich auch gut für Einsteiger des Fernwanderns eignet. Mit seinen etwa 3.500 Höhenmetern jeweils im Auf- und Abstieg, braucht es für den Weg nur eine mäßige Kondition, aber dennoch eine gute Portion Durchhaltewillen. Die Etappen lassen sich je nach Fitnesslevel und persönlichen Vorlieben gestalten. Sportliche Wanderer laufen ihn in sechs Tagen, gemütliche können sich die doppelte Zeit nehmen.

Dabei wird jeder Wanderer, egal ob flott oder genussvoll unterwegs, sein ganz eigenes Rothaarsteig-Gefühl entwickeln. Eines jedoch sollte jeder Rothaarsteig-Wanderer im Gepäck haben: Die Liebe zum Wald. Denn wer diesen mag, wird hier seine wahre Freude haben. Mein ganz persönliches Rothaarsteig-Gefühl liest sich so: Wanderschuhe und Pfoten laufen wie auf Watte über federnde Waldböden, rücken auf schmalen Pfaden dichter zusammen, gleiten raschelnd durch Laub und stolpern hier und dort über eine hochstehende Wurzel. Währenddessen atme ich den würzigen Geruch des Waldes ein, lausche dem Rascheln der Blätter im Wind und sehe zu, wie auch meine Münsterländer-Hündin Lotte ihre Schnauze in den Wind hängt. Seite an Seite laufen wir durch überwiegend naturbelassene Wälder von Brilon im Sauerland über das Siegerland nach Dillenburg im Lahn-Dill-Bergland. Am Ende gilt für Wanderschuhe genau das Gleiche wie für Hunde: »Nur dreckige Wanderschuhe sind glückliche Wanderschuhe«.

Grenzgang zwischen NRW und Hessen
Er wird beschrieben, er wird besungen und nicht selten muss er für so manche Metapher herhalten. Ob wir ihn vor lauter Bäumen nicht sehen, ob es aus ihm herausschallt, wie wir hineingerufen haben oder ob wir uns vielleicht benehmen wie eine Axt in eben diesem – der Wald hat für uns Deutsche einen besonderen Stellenwert. Kein Wunder, mehr als ein Drittel unserer Landesfläche ist überzogen mit Kiefern, Fichten, Buchen, Eichen und anderen fest verwurzelten Riesen. Da macht der Rothaarsteig keine Ausnahme. Glücklicherweise präsentiert sich der Wald des Rothaargebirges in zahlreichen – auch trockenen – Facetten. So könnte man den Weg auch getrost »Weg der Quellen« nennen. Ich zähle ganze 14 direkt am Steig, darunter die der bekannten Ströme Ruhr, Sieg, Lahn und Dill. Hin und wieder landet ihr Quell direkt in meiner Trinkflasche. Allein am fünften Tag wollen sechs Quellen passiert werden: Kurz nach dem Start gesellt sich die Eder zu uns. Der kleine, durch den Regen satt gespeiste Fluss windet sich in zahlreichen engen Kehren um Bäume und legt wohl über hundert Kurven zurück, bis wir ihn an seiner Quelle verabschieden. Der nächste zarte Wasserstrahl markiert die Quelle der Sieg, dann sprudelt die Ilsequelle und kurz darauf entspringen Dill und Ochsenborn. Innerhalb von vier Kilometern erwachen vier Flüsse zum Leben – das ist an heißen Tagen ein Segen für den vierbeinigen Begleiter.

Wandern auf dem Rothaarsteig bedeutet aber auch, sich auf einen Grenzgang zwischen den Bundesländern Hessen und Nordrhein-Westfalen zu begeben. Nicht immer fällt dabei die geografische Orientierung leicht: Sauerland, Siegerland und Lahn-Dill-Bergland, ich bin mir nicht immer sicher, wo ich mich gerade befinde. Wanderhund Lotte ist dabei auch nicht unbedingt eine Hilfe. Fröhlich wackelt der Hundepopo vor mir her und weiß auf beängstigende Art und Weise schon am zweiten Tag an welcher Kreuzung wir wohin abbiegen müssen. Für Hunde scheint der Rothaarsteig wohl seinen ganz eigenen Geruch zu haben. Ich orientiere mich derweil besser an den Markierungen – das Symbol des Steigs ist ein weißes liegendes R auf rotem Grund – und den Grenzsteinen, die vor allem auf der zweiten und dritten Etappe die alten Grenzen markieren. Später werde ich auf unserer Wanderung erfahren, dass das Rothaargebirge durch seine natürliche Erhebung sogar Religionen und ganze Sprachräume trennte. Was auf der einen Seite Bööm heißt, nennen die anderen Bäum (Baum). Aus einer Fraa wird eine Frow (Frau) und aus Friehjuhr wird Fröyjohr (Frühjahr). Dass schon Berge bis 850 Meter Sprachbarrieren darstellen können, ist beeindruckend.

Aber in Sachen Geografie habe ich zumindest eines gelernt: So grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich irgendwo rechts NRW und irgendwo links Hessen befindet – also die richtige Laufrichtung vorausgesetzt. Ganz sicher, dass man sich gerade in NRW befindet, darf man übrigens sein, wenn man den Langenberg mit 843 Metern erreicht. Er ist nämlich der höchste Berg Nordrhein-Westfalens, bietet aber leider keine Aussicht. Diese jedoch darf man einige Kilometer später am Clemensberg und Kahler Asten nachholen. Auf der vierten Etappe des Weitwanderweges lerne ich, dass das Rothaargebirge nicht nur Sprachräume, Kulturen und Religionen trennt, sondern sogar ganze Flusssysteme. Genauer gesagt bildet es die Wasserscheide zwischen Rhein und Weser. Ruhr, Sieg oder Lahn beispielsweise fließen im Westen dem Rhein zu, während sich östlich das Wasser in Eder und Fulda sammelt und in die Weser mündet. Sinnbild dieses Phänomens ist der Rhein-Weser-Turm, von dessen Aussichtsplattform man bei gutem Wetter eine Panoramaaussicht über das Sauerland hat.

Einzigartig in Europa: Freilaufende Wisente
Es gibt Heidschnucken in der Lüneburger Heide, Rhönschafe in der Rhön und es gibt Wisente im Rothaargebirge. Die größten Landsäuger Europas leben seit 2013 in der Umgebung von Bad Berleburg wieder in freier Natur. Das Projekt zur Wiederansiedlung der eigentlich seit 300 Jahren ausgestorbenen, gehörnten Riesen ist einzigartig in Europa, aber eventuell nur noch ein Projekt auf Zeit. Denn ähnlich wie bei der Wolfsdiskussion sind sich Naturschützer und Landwirte naturgemäß nicht einig. Wisente fressen die Rinden von Buchen, respektieren keine Grenzen zwischen Nutzwald und Projektgebiet und ziehen so einigen Zorn auf sich.

Noch gibt es keine Entscheidung, wie es mit den tonnenschweren Kolossen weiter gehen soll. Ein neuerliches Gutachten jedoch pocht auf besseres Management der gehörnten Riesen. Womöglich wird das Projekt »Freilaufende Wisente« in Zukunft sogar gestoppt. Noch darf man als Wanderer des Rothaarsteigs aber darauf hoffen, ihnen zu begegnen. Die bis zu drei Meter langen und bis zu einer Tonne schweren majestätischen Riesen sind sehr scheu und man sagt, sie bleiben unsichtbar, wenn sie nicht gesehen werden wollen. Das war wohl auch der Fall, als mein Wanderhund und ich uns in der Nähe von Bad Berleburg aufhielten, gesehen haben wir die Wisente nämlich nicht. Aber vielleicht war dies auch gut so, denn wie bei Kuhherden in den Alpen, gilt bei Wisenten im Rothaargebirge insbesondere in tierischer Begleitung: Abstand halten. Trifft man mit Hund auf eine Herde Wisente, sollte man sie weiträumig umgehen. Vor allem bei Herden mit Jungtieren ist Vorsicht geboten. Der Hund sollte bei einem – wenn auch unwahrscheinlichem – Angriff abgeleint werden, sodass er flüchten kann.

Tipps für ein Wochenende auf dem Rothaarsteig
Wer keine Zeit für den gesamten Steig hat oder sich erst einmal langsam ans Etappenwandern herantasten will, kann auch ein Wochenende auf dem Rothaarsteig verbringen. Für eine zweitägige Tour bieten sich die ersten beiden Etappen an. Dann wandert man knapp 50 Kilometer von Brilon über Willingen nach Winterberg und lernt die abwechslungsreiche Wegführung des Steiges kennen. Bevor es auf einem Wegabschnitt langweilig werden kann, biegt der Steig ab, wechselt von breiten auf schmale Wege oder von akkurat strammstehenden Nadelbäumen in lichtere Haine oder Buchenwälder.

Neben vielfältigen Sinneseindrücken im Wald lassen sich an beiden Tagen auch einige Highlights des Rothaargebirges erkunden. Neben dem höchsten Berg von NRW, dem Langenberg, besteigt man den aussichtsreichen Clemensberg und kommt an einigen Quellen vorbei, auch an der Ruhrquelle. Rund um den Ginsterkopf darf man einige knackige Anstiege absolvieren. Auch die markanten Bruchhauser Steine, vier riesige Felsbrocken, die hoch auf dem gegenüberliegenden Berg thronen, sind dabei. Nicht zuletzt geht es durch die Niedersfelder Hochheide, die vor allem zur Heideblüte beeindruckt. Auch für ein Wochenende präsentiert sich der Rothaarsteig ausgesprochen vielseitig. Wem das nicht reicht, der kann sich den Steig ja zu einem Wetter vornehmen, bei dem es sich gut »Waldbaden« lässt.

Unterkünfte

Wer in den Rothaarsteig-Qualitätsbetrieben sein Quartier für die Nacht bucht, kann sich direkt am Steig abholen lassen, wenn das Wetter nicht mitspielt oder die Kondition bis zum Ziel nicht mehr reicht. Es sind gehobene bis solide Wanderunterkünfte, die auf Wanderer eingestellt sind und am Morgen bereitwillig die Thermoskanne auffüllen.

Brilon – Hotel Rech
Ein familiär geführtes, tolles Hotel mit allem, was das Wanderherz begehrt.
Hotel Rech
Hoppecker Str. 1-3
59929 Brilon
Tel.: 02961 9754 0
www.hotel-rech.de

Willingen – Hotel Rauszeit
Außergewöhnlich stilvoll eingerichtete Zimmer, mit hohem Gemütlichkeitsfaktor. Wers mag kann auch den kleinen, privaten Wellnessbereich inklusive Sauna nutzen.
Natur Boutique Hotel Garni
Schwalefelder Str. 34
34508 Willingen
Tel.: 05632 9856 26
www.naturhotel-rauszeit.de

Winterberg – Hotel Hessenhof
Mit großem Wellnessbereich mit Schwimmbad, Sauna & Co. Zudem komfortable Zimmer und sehr gutes Frühstück.
Hotel Hessenhof
Am Waltenberg 1
59955 Winterberg
Tel.: 02981 9300
www.hotel-hessenhof.de

Latrop – Hotel Gasthof Hubertushöhe
Wunderschön gelegen im hübschen Fachwerkdörfchen Latrop und obendrein sehr hundefreundlich: Eine Hundedusche mit lauwarmem Wasser, Empfehlungen für die Gassi-Runde und kostenlos ausleihbare Taschenlampen für den Abend. Zudem moderne Zimmer und gutes Essen.
Hotel & Gasthof Hubertushöhe
Latrop 11-13
57392 Schmallenberg-Latrop
Tel.: 02972 97110
www.hubertushoehe-latrop.de

Lützel – Hotel Ginsberger Heide
Echtes Wanderhotel! Das Essen schmeckt hervorragend.
Hotel Ginsberger Heide
Hof Ginsberg 2
57271 Hilchenbach – Lützel
Tel.: 02733 3224
www.hotel-ginsberger-heide.de

Irmgarteichen/Lützel – Gasthof Pension Jokebes
Urig gehts hier zu. Der Chef hat einiges über die Region, die Geschichte und den Wald zu erzählen.
Gasthof Pension Jokebes
Glockenstraße 11
57250 Netphen-Irmgarteichen
Tel.: 02737 9583
www.gasthof-jokebes.de

Dillenburg – Gasthaus Zum Schwan
Große, moderne Zimmer inmitten herrlicher Fachwerk-Idylle von Dillenburg. Das Frühstück füllt Reserven wieder auf. Auch das nur am Abend geöffnete Restaurant im Haus bietet leckeres Essen und dazu eine wohlige Atmosphäre.
Gasthaus Zum Schwan
Wilhelmsplatz 6
35683 Dillenburg
Tel.: 02771 8489 190
www.hotel.zumschwan-dillenburg.de

Informationen

Anreise
Mit dem Zug nach Brilon und mit dem Zug von Dillenburg zurück – das geht einfach und unkompliziert. Wer mit dem Auto anreist, kann von einem zum anderen Ort mit dem Zug fahren, muss jedoch mehrfach umsteigen.

Orientierung auf dem Rothaarsteig
Im Prinzip braucht es nicht viel, um entspannt auf dem Rothaarsteig zu wandern. Während man auf dem Weitwanderweg unterwegs ist, benötigt man keinerlei Karten, da der Steig außergewöhnlich gut markiert ist. Sehr intuitiv erkennt man sofort, wenn man einen Abzweig verpasst hat. Wer dennoch eine Karte benötigt, kann sich auf der Rothaarsteig-Website eine bestellen (www.rothaarsteig.de). Es gibt vom Rother Bergverlag und vom Kompass-Verlag Wanderführer über das Sauerland, die den Rothaarsteig abdecken. Vom Hikeline-Verlag und vom Conrad Stein Verlag gibt es Wanderführer ausschließlich über den Rothaarsteig. GPX-Tracks zur vorgestellten Mehrtagestour sowie Tipps zur Ausrüstung gibt es auf der Website der Autorin: www.etappen-wandern.de

Die Autorin

Romy Robst ist bergliebende Flachländerin aus Niedersachsen, die es oft in die Alpen zieht, die aber auch in Deutschland und dem Rest der Welt zu finden ist. Wobei sie am liebsten mit zwei Dingen unterwegs ist – ihrem Wanderhund Lotte und einem Trekkingrucksack, gepackt für mehrtägige Wanderungen. Wanderschuhe machen aus ihr eine Bergverrückte, Abenteurerin und Freiheitsliebende. In ihrem Blog www.etappen-wandern.de schreibt sie über Roadtrips mit ihrem selbstausgebauten Van und ihre Rucksack-Wanderungen durch Europa, in die Alpen und durch Deutschland. Als Autorin für den Rother Bergverlag schreibt sie Wanderbücher, unter anderem über den alpinen Fernwanderweg »Sentiero della Pace« in Italien und über »Winterwandern im Harz«.
www.etappen-wandern.de
www.instagram.com/romy.wandert

 

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