Der Deutsche Schäferhund gilt als eine nach den Kriterien der „Rassehygiene“ gezüchtete Hunderasse, die in der Nazizeit zu einem nationalen Symbol Deutschlands avancierte. Von der 1968er-Generation als „Faschistenhund“ abgelehnt, fand die Rasse vor allem Verwendung bei Militär und Polizei. Doch auch diese rücken heute immer häufiger vom Deutschen Schäferhund ab; als Grund werden zunehmende gesundheitliche Probleme der Rasse angegeben. Immer häufiger werden stattdessen Malinois und Rottweiler als Diensthunde verwendet. Im Folgenden ein kurzer historischer Überblick über den Deutschen Schäferhund.
Im Jahr 2005 lebten in Deutschland über eine Million Menschen mit einem Deutschen Schäferhund zusammen im Haushalt. Das ist Platz eins. Bereits in den 1960ern gehörte die Rasse in der BRD zusammen mit Pudeln und Dackeln zu den am häufigsten gehaltenen Rassehunden.
Anders als bei zahlreichen anderen heutigen Hunderassen ähneln die Ohren des Deutschen Schäferhundes jenen des Wolfes: Sie stehen aufrecht und sind sehr beweglich. Für die Körpersprache der Hunde sind sie daher bestens geeignet. Die Farbe des Fells kann variieren: einfarbig grau oder schwarz mit gelben, grauen oder rotbraunen Abzeichen. Während des Fellwechsels haaren die Tiere stark. Hündinnen erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 60 Zentimeter und wiegen bis zu 32 Kilogramm; Rüden können fünf Zentimeter höher und acht Kilo schwerer sein.
Vielseitiger Arbeiter
Als Gebrauchshund findet der Deutsche Schäferhund vielseitige Verwendung: Militär, Polizei und Zoll zahlreicher Länder bedienen sich seiner; als Sanitäts-, Schutz-, Hirten-, Wach- Bergrettungs- und Lawinensuchhund kommt er zum Einsatz. Und als Blindenführhund: Im Park eines Krankenhauses im Jahre 1916 gab ein Deutscher Schäferhund den Anstoß zur Gründung einer Schule zur Ausbildung von Hunden für diese Aufgabe. Ein Arzt ging damals mit einem erblindeten Soldaten und seinem Schäferhund spazieren. Da wurde er ins Haus gerufen und ließ den Patienten samt Hund zurück. Als der Mediziner zurückkam, regnete es, aber das Tier hatte den blinden Mann ins Trockene geführt. Dieses Ereignis inspirierte den Arzt. Die von ihm gegründete Schule wurde 1925 vom „Deutschen Roten Kreuz“ übernommen und entwickelte weltweit Vorbildcharakter. Deutsche Schäferhunde wurden für diese Aufgabe von Beginn an unter anderem in der Schweiz und England gerne genutzt.
Schärfe und Fitness
6. September 1969: Schalke 04 und Borussia Dortmund treffen in der Kampfbahn Rote Erde aufeinander. In der 37. Spielminute bringt Hansi Pirkner die Königsblauen 1:0 in Führung. Jubelnd laufen Fans auf das Spielfeld, und einer der Deutschen Schäferhunde, welche die Ordner mit sich führen, beißt den Schalke-Spieler Friedel Rausch in den Allerwertesten. Seinen Mannschaftskollegen Gerd Neuser erwischt es am Bein. Diese Anekdote ist legendär geworden, doch gerade die Frage der Schärfe des Deutschen Schäferhundes wird häufig diskutiert, denn Vorfälle mit Hundebissen gehen leider allzu häufig auf sein Konto. Seit Jahrzehnten taucht er ganz weit oben in den Statistiken über die Häufigkeit von Hundebissen in Deutschland und Österreich auf. Zwischen 1968 und 2002 gab es in Deutschland bei Zwischenfällen mit Deutschen Schäferhunden 26 menschliche Todesopfer, im Vergleich zu sieben bei Vorfällen mit Rottweilern.
DSH – cleverer Allrounder
Diese Hunderasse – originär geschaffen als moderner Gebrauchshund – ist für vielfältige Aufgaben geeignet, weil ihre vornehmlichen Eigenschaften wie Anpassungsfähigkeit, Cleverness, Erziehbarkeit und Wachsamkeit sie dazu prädestinieren. Dazu gehört auch die ihr innewohnende Schärfe, welche für einige Einsatzbereiche der Tiere ausdrücklich erwünscht ist. Ihretwegen benötigt der Deutsche Schäferhund aber eine besonders konsequente Erziehung. Darum wird er auch nur für Menschen empfohlen, die bereits Erfahrung in der Hundeerziehung und -haltung haben und die ihm zur Gesunderhaltung und gegen Langeweile ausreichend Bewegung und Beschäftigung bieten können und wollen. Dann kann er auch als Familienhund in Frage kommen – besonders geeignet vor allem für sportliche Aktivitäten.
In der Ratgeber-Literatur wird betont, dass die Auswahl eines seriösen Züchters besonders wichtig ist, um ausgeglichene Tiere zu erhalten. Zu achten sei darauf, dass das Tier ein besonnenes Wesen hat und nicht etwa nervös ist. Gewarnt wird etwa davor, dass einige Zuchtbetriebe aus Gewinnstreben zu aggressive Tiere züchteten, um sie als Wachhunde besser vermarkten zu können.
Dieses Thema bietet reichlich Stoff für Debatten. Vor den Ereignissen 1989/90 wurden in BRD und DDR unterschiedliche Ergebnisse bei der Zucht der Hunde erzielt. Nach dem Ende der DDR stand die Frage im Raum, welche Variante nun besser sei. Die Westhunde hätten zu viel von ihrer Schärfe eingebüßt, hieß es unter anderem aus dem Osten. Im Westen war hingegen insbesondere der Körperbau der Osthunde Anlass für Kritik. Seiner Härte wegen war zwar international die Ostvariante dieser Gebrauchshunde durchaus beliebter. Offiziell setzte sich aber der Weststandard durch.
Hier taucht auch der zweite große Streitpunkt auf, um den es beim Deutschen Schäferhund immer wieder geht, der Körperbau. So manche Zuchtlinie zielt zu stark auf das Aussehen der Tiere ab, mit allen Nachteilen, die eine übertriebene Fokussierung auf diesbezügliche Ideale in puncto Gesundheit der Tiere hat. Seriöse Züchter orientieren sich mehr an der Fitness und der Gebrauchsfähigkeit der Tiere für Sport und Arbeit. Inzwischen hat sich das Aussehen der Hunde deutlich verändert. Bei der Zucht wurde beispielsweise ein nach hinten schräg abfallender Rücken angestrebt, was gesundheitliche Probleme nach sich zieht – besonders häufig: Schwierigkeiten mit Hüftgelenken und Knochen. Kritiker warnen insbesondere am Beispiel dieser Rasse vor gesundheitsschädlichen Moden in der Hundezucht. Derweil wird seit einigen Jahren versucht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und jene Fitness wieder herzustellen, welche die Tiere mit geradem Rücken noch hatten (s. WUFF 6/2005).
TV-Star und Gesellschaftshund
Die Aufzählung der vielfältigen Möglichkeiten der Nutzung des Deutschen Schäferhundes ist besonders eindrucksvoll. So werden Aufzählungen seiner Einsatzfelder gerne mal rhetorisch als Liste der von ihm ausgeübten Berufe verpackt oder er wird sogar in eine Berufshunde benamste Gruppe eingeordnet. Vielfach erscheinen die Tiere in der Öffentlichkeit als richtige Persönlichkeiten: Als „Kommissar Rex“ begegnet uns seit 1994 ein Deutscher Schäferhund auf dem Bildschirm. Er hilft den zweibeinigen Kollegen maßgeblich beim Fällelösen und steht in der Not als Retter parat. Die deutsch-österreichische Co-Produktion wurde zum Exportschlager. In etwa 100 Länder verkaufte sich die Krimiserie. Zahlreiche Merchandising-Artikel kamen auf den Markt. Der Fernsehsender Sat.1 vermarktete sogar „Kommissar-Rex“-Krankenversicherungen für Hunde.
Ähnlich menschelte es bereits 1989: Im Kinofilm „Mein Partner mit der kalten Schnauze“ taucht ein Deutscher Schäferhund namens Jerry Lee auf, der sich für einen Hund doch recht seltsam benimmt, etwa wenn er zum Trinken einen Strohhalm benutzt oder darauf besteht, im Auto vorne zu sitzen.
Auch das noch …
Der Einsatz von Hunden in der modernen Kriegsführung geht auf Bemühungen Deutschlands zurück. Ab 1870 initiierte die Führung der Armee Programme zum Training und zur Zucht von Hunden. In Kleinstädten wurden entsprechende Vereine gefördert und Wettbewerbe ausgelobt. Zu Beginn des ersten Weltkrieges verfügte Deutschland über 6.000 bestens abgerichtete Kriegshunde. Bis zum zweiten Weltkrieg war die Menge auf über 40.000 aufgestockt worden. Verwendung fanden in den Kriegen primär Deutscher Schäferhund, Dobermann und Rottweiler.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland die vormalige Vorbildfunktion Großbritanniens in der Hundezucht zunehmend abgelehnt. Stattdessen waren unter dem Einfluss Bismarcks eher explizit deutsche Hunderassen gefragt. Da passte ein streng hierarchisch aufgebauter Verein, der das Nationale betont, ins Bild – ein „deutscher Verein deutscher Liebhaber eines deutschen Hundes“, wie eine Selbstbeschreibung des „Vereins für deutsche Schäferhunde (SV)“ lautete. Gegründet 1899 mit zunächst 60 Mitgliedern, war die Mitgliederzahl bis 1914 bereits auf 6.555 gestiegen. Frauen durften zwar Mitglied im Verein werden, hatten aber kein Stimmrecht. 1901 gab es 250 als reinrassig anerkannte Deutsche Schäferhunde. 1913 waren es schon 12.824. Der Verein betrieb intensiv Werbung und so verbreitete sich die Hunderasse rasch international.
Gezüchtet wurde der Deutsche Schäferhund in erster Linie als Diensthund für den militärischen und polizeilichen Gebrauch. Als ihr Schöpfer gilt der Mitbegründer des „SV“, Max von Stephanitz (1864-1936). Von Beruf Rittmeister, war dieser durch und durch patriotisch eingestellt. Er war Anhänger der rassistischen Lehre der sogenannten Rassenhygiene, die Ideen aus der Vererbungslehre vereinfachte und auf den Menschen anwenden wollte, um ihn nach eigenem Gutdünken zu formen. Dazu sollten ungewollte Menschen vernichtet, die Vermehrung gewollter jedoch gefördert werden. Als ungewollt galten jene Menschen, von denen die Vertreter dieser rassistischen Lehre meinten, dass mit ihrer Gesundheit oder dem Körper etwas nicht stimmte oder welche sie als Angehörige einer Menschensorte betrachteten, die ihnen ganz allgemein von schlechter Qualität erschien. Und genau diese Prinzipien wendete von Stephanitz auf die Zucht der Hunde an. Diese Hunderasse wurde also geplant erschaffen, unter Zuhilfenahme einer menschenverachtenden, rassistischen Lehre, die eigentlich dazu gedacht war, eine hochgezüchtete Menschenrasse zu erschaffen.
Die Vorfahren dieser zwischen 1880 und 1895 geschaffenen Hunderasse lassen sich nicht genau ermitteln, genannt werden aber thüringische und württembergische Hütehunde. Vorläufer der Rasse sollen im Norden und in der Mitte Deutschlands eher eine gedrungene, kräftige Form gehabt haben, im Süden schlanker und höher gewesen sein. Ziele bei der Zucht des deutschen Schäferhundes waren vor allem Leistungsfähigkeit, Kampfeslust, Verteidigungswille, Anhänglichkeit und Gelehrigkeit.
Später knüpften auch die Nazis mit ihrer Lehre an die Rassenhygiene an, griffen aber auch explizit Grundsätze der Tier-, insbesondere der Hundezucht auf. Sie machten den Deutschen Schäferhund zum nationalen Symbol. In der Schule wurde die Nazi-Lehre den Zöglingen am Beispiel von Erfolgen in der Hundezucht nahegebracht. Sie stand Pate bei der angestrebten Erschaffung der propagierten Menschenart. Der deutsche Schäferhund wurde dabei gerne als Muster an Gelehrigkeit herangezogen.
Vor diesem ideologiegeschichtlichen Hintergrund avancierte diese Hunderasse im Rahmen der Studentenrevolte ab 1967 zum Sinnbild der Beständigkeit des in Deutschland verbreiteten autoritären Charakters; Geschichtsprofessor Wolfgang Wippermann gegenüber dem WDR: „Für uns 68er war der Schäferhund-Besitzer natürlich der Faschist par excellence“.
Fazit der Redaktion
Dieser Beitrag von Dr. Daniel Josten zeichnete einen Abriss der wechselvollen Geschichte des Deutschen Schäferhundes, dessen Zuchtverein 1899 gegründet wurde und der heute den größten Rasseverein der Welt darstellt. Zudem ist der Deutsche Schäferhund zu einem äußerst lukrativen Exportartikel, heute vor allem nach Südostasien, mutiert. Damit zusammenhängende Probleme wurden in mehreren WUFF-Artikeln thematisiert (siehe u.a. WUFF 9/2012 – www.wuff.eu/dsh_0912)