Vertrauensbildende Übungen für Mensch und Hund

Von Kristina Ziemer-Falke

Immer wieder stößt man beim Thema Hundetraining auf den Rat, mit seinem Hund doch unbedingt vertrauensbildende Übungen machen zu müssen. Doch was heißt das genau? Wie sehen solche Übungen aus und auf was sollte man achten? Sind alle Übungen für jeden Hund gleich gut geeignet?

Was heißt „Vertrauen“ überhaupt? Vertrauen bedeutet, von der Richtigkeit von Handlungen sowie der Möglichkeit und Fähigkeit zu Handlungen überzeugt zu sein. Diese Überzeugung kann sich dabei auf sich selber (Selbstvertrauen) oder andere beziehen. Vertrauen bedeutet also daran zu glauben oder zu fühlen, dass man selber oder eine andere Person mit einer unsicheren Situation umgehen kann. Treten Umstände auf, deren Ausgang ungewiss oder risikobehaftet ist, so bedeutet Vertrauen die Zuversicht in sich selber unbeschadet daraus hervorgehen zu können oder den Glauben, dass jemand anderes einen gut durch die Situation leiten wird. Im Zusammenleben mit Hunden spielen beide Ebenen, das Vertrauen in sich selber, sowie das Vertrauen in den jeweils anderen eine große Rolle. Eine nähere Betrachtung lohnt sich!

Ich kann das!
Der Alltag mit Hund stellt zahlreiche Herausforderungen, die Vertrauen in die Fähigkeiten des Anderen, aber auch in sich selbst nötig machen. Hunde sollten lernen, dass neue und unerwartete Dinge auf positive Weise gemeistert werden können. Vertrauen in die eigenen Stärken und Fähigkeiten ist dafür sehr wichtig, damit unbekannte Situationen nicht zu Hilflosigkeit und Gefühlen der Ohnmacht führen. Doch wie erlangen Hunde dieses Vertrauen in sich selbst? Hier spielen Erfahrungen eine große Rolle. Je öfter Situationen gut gemeistert werden, desto größer wird das Zutrauen dies auch zukünftig zu schaffen. Dabei müssen es nicht objektiv wirklich kritische oder gefährliche Situationen sein. Im Alltag gibt es vieles, was das Selbstvertrauen fördern kann. Dazu gehört jegliches Überwinden von Hindernissen, um am Vertrauen des Hundes in sich selbst zu arbeiten. Tunnel oder Röhren, durch welche man durchläuft, Steinmauern zum drüber Balancieren, Sitzbänke, auf die man sich legen kann, Planen oder Luftmatratzen, auf die man drauf treten kann, obwohl sie sich komisch anfühlen oder wackeln, Flatterband, durch welches man durch muss, obwohl es sich unberechenbar bewegt usw. stärken das Zutrauen in die eigenen Möglichkeiten. Es eignet sich also alles, woran der Hund wachsen kann.

Auch viele Auslastungsarten sind toll, um dem Hund ein stärkeres Selbstvertrauen zu geben. Die Erfahrung, selber handlungsfähig zu sein und Erfolg zu haben, wirkt sich auf Hunde sehr positiv aus. Besonders Mantrailing hat sich in diesem Bereich als sehr effektiv erwiesen. Einige Hundetrainer bieten auch sogenanntes Thera-Trailing an. Dabei handelt es sich um Mantrailing, das besonders darauf ausgerichtet ist unsichere und ängstliche Hunde zu stärken. Diese Handlungssicherheit wird dann auch in den Alltag übertragen und sorgt dort für ein stressfreieres Leben. Aber auch viele andere Sportarten fördern das Vertrauen des Hundes in sich selbst, z.B. Zughundesport, ZOS (Zielobjektsuche) oder Dummyarbeit. Alles, wobei sich der Hund als stark und kompetent erlebt, bietet sich an.

Mit dir zusammen schaffe ich das!
Genauso wichtig wie das Vertrauen in sich selbst ist das Vertrauen in den Bindungspartner Mensch. Wie schön und stressfrei ist das Leben mit einem verlässlichen und vertrauenswürdigen Partner an seiner Seite! Aber wie wird der Mensch zu so einem Partner? Damit der Hund seinem Halter vertraut, ist es wichtig, dass er diesen als sicher und zuverlässig wahrnimmt. Sehr viel Sicherheit gibt es, wenn der Mensch für den Hund gut einzuschätzen ist. Dabei können viele kleine Rituale im Alltag sehr hilfreich sein. Dinge, die immer auf die gleiche Art geschehen sind für Hunde vorhersehbar und geben Sicherheit. Dazu kann es gehören, dass vor dem An- und Ableinen immer ein Sitz gemacht wird oder auch, dass jeden Abend nach der Tagesschau auf dem Sofa gekuschelt wird usw. Welche Rituale für wen und in welchem Ausmaß gut sind, ist dabei eine ganz individuelle Sache. Weiterhin wirkt es entspannend, wenn der Hund die Reaktionen seines Menschen gut vorhersehen kann. Dafür ist es wichtig, dass der Mensch in gleichen oder ähnlichen Situationen möglichst immer gleich reagiert. Ist es ok, wenn der Hund heute im Bett schläft, morgen bekommt er aber dafür Ärger, kann der Hund das kaum nachvollziehen und wird seinen Menschen als schwankend und unberechenbar wahrnehmen. Dies führt zu Unsicherheit und Misstrauen. Das Gleiche gilt für ungerechte, d.h. für den Hund nicht nachvollziehbare Strafen durch seinen Menschen, die eine große Unsicherheit beim Hund auslösen. Grundsätzlich sollte nie mit Strafe gearbeitet werden, wenn es einen besseren Weg gibt das unerwünschte Verhalten abzubrechen, z.B. durch ein Alternativverhalten!

Außerdem sollte der Halter seinen Hund nicht in Situationen bringen, die ihn überfordern, d. h. die nicht gemeistert werden können. Erfährt der Hund vermehrt, dass ihn sein Mensch Reizen aussetzt, mit denen er nicht umgehen kann, und wird er in dieser Hilflosigkeit allein gelassen, d. h. ohne die Unterstützung des Halters, führt das zu großem Misstrauen in die Führungsqualitäten des Menschen.

Wie ist der Plan?
Nicht jeder Mensch kommt als geborener Hundeführer auf die Welt, dem alle Hunde uneingeschränkt ihr Vertrauen schenken. Das ist aber nicht schlimm. Es gibt einiges, was man als Mensch tun kann, um das Vertrauen zu fördern. Guckt man sich in der Hundewelt um, dann sind Hunde, denen andere Hunde freiwillig und gerne folgen, d.h. vertrauen, diejenigen, die sehr souverän und ausgeglichen agieren und gute Entscheidungen zum Wohle aller treffen. Halten sich Menschen an diese Vorgaben, sind sie schon auf einem sehr guten Weg. Um souverän zu wirken ist es wichtig immer einen Plan zu haben. Das gilt besonders für unerwartete Ereignisse. Es lohnt sich also schon im Vorfeld einmal alle möglichen „Was wäre, wenn“ Szenarien im Kopf durch zu spielen: Was wäre, wenn:

• Plötzlich ein fremder Hund um die Ecke kommt
• Ein Mensch auf uns zukommt, den mein Hund unheimlich findet
• Es knallt und mein Hund sich erschreckt
• Ein Objekt auftaucht, vor dem mein Hund sich fürchtet
• usw.

Dabei geht es nicht in erster Linie darum einen perfekten Masterplan für jeden Einzelfall zu haben. Vielmehr soll es verhindern, dass auch der Mensch durch die Überraschung eines plötzlich auftretenden Reizes in Hilflosigkeit erstarrt und sein Hund so den Eindruck bekommt, dass auch sein Halter mit der Situation überfordert ist. Ein paar generelle Richtlinien helfen schon, um kritische Situationen zu meistern:

• Bestimmten Reizen ausweichen
• Sich schützend vor den Hund stellen
• Dem Hund zeigen, dass bestimmte Dinge nicht gefährlich sind, indem der Mensch sie z.B. selber berührt
• Dem Hund ein Verhalten abfordern, das er gut kann und ihn so aus der Situation rausbringt
• usw.

Auch hier sollte wieder geschaut werden, was für das jeweilige Mensch-Hund-Team sinnvoll ist.

Spiel und Spaß
Auch gemeinsames Spiel fördert die Bindung und das Vertrauen. Beim Sozialspiel mit dem Hund begibt sich der Mensch ganz auf die hündische Ebene und interagiert mit seinem Hund körpersprachlich. Was ganz leicht klingt ist oftmals in der Praxis gar nicht so einfach umzusetzen und braucht ein wenig Übung. Zu spielen wie ein Hund fordert den ganzen Körper. Am besten schaut man sich zuvor einmal an wie Hunde untereinander spielen und imitiert diese Bewegungen dann, um ein Spiel mit dem eigenen Hund anzuregen. Den Hund jagen und sich jagen lassen, aber auch Raufspiele sind eine tolle gemeinsame Beschäftigung und stärken das Vertrauen, als auch die Ausschüttung von Oxytocin bei Mensch und Hund. Auch, wenn der Hund anfangs ein wenig verunsichert scheint und sich nicht gleich auf das neue Spiel einlässt, lohnt es sich dran zu bleiben und es immer mal wieder zu probieren. Einige Hunde finden es anfangs einfach ein wenig seltsam ihren Menschen so ungewohnt agieren zu sehen und brauchen ein bisschen, um sich darauf einzulassen.

Entspannung – auf Kuschelkurs
Eine weitere tolle Möglichkeit Vertrauen zu stärken ist das gemeinsame Entspannen und Kuscheln. Dafür ist es hilfreich, wenn sich zunächst der Mensch in eine entspannte Stimmung bringt bevor er beginnt mit dem Hund zu interagieren. Ist der Mensch ruhig, kann er beginnen seinen Hund ganz langsam an für ihn angenehmen Stellen zu streicheln. Dabei sollte immer eine Hand am Körper des Hundes bleiben, um zu vermeiden, dass der Hund durch das Ab- und Wiederansetzen der Hand aus der Entspannung gerissen wird. Ist der Hund zunehmend entspannter, kann der Mensch beginnen auch Körperteile zu berühren, die für den Hund nicht so angenehm oder eher empfindlich sind: z.B. die Rute, die Pfoten, die Lefzen usw. Damit der Hund lernt, dass auch Berührungen an diesen Stellen vertrauensvoll zugelassen werden können ist es sinnvoll diese eher kritischen Berührungen in die angenehmen Berührungen einzubetten. Dazu streichelt man zuerst eine Stelle, die der Hund als angenehm empfindet, z.B. den Hals. Im direkten Anschluss berührt man (zunächst sehr kurz) eine Stelle, die der Hund als nicht so angenehm empfindet, z.B. die Lefzen, um direkt im Anschluss daran wieder den Hals zu streicheln. Auf diese Art kann man nach und nach alle schwierigen Stellen mit dem Hund erarbeiten. Dies ist z.B. bei Verletzungen oder Krankheiten eine große Hilfe, wenn der Hund an solchen Stellen untersucht oder behandelt werden muss.

Auch die vielen kleinen Berührungen und Kontaktaufnahmen zwischendurch, sowohl vom Hund als auch vom Halter, fördern den sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen. Eine kurze Streicheleinheit im Vorbeigehen durch den Menschen oder auch ein kurzer Schnauzenkontakt durch den Hund sagen „Wir gehören zusammen!“ und sollten im Alltag nicht zu kurz kommen.

Gemeinsam bis ans Ende der Welt …
Das Thema Vertrauen und vertrauens­­bildende Maßnahmen ist sehr umfangreich und umfasst zahlreiche Bereiche und Übungen. Die Gewichtung ist sicher sehr unterschiedlich, Ziel ist jedoch immer die Stärkung der Beziehung und Bindung des jeweiligen Mensch-Hund-Teams, um gemeinsam erfolgreich, ­entspannt und in gegenseitigem Vertrauen durchs Leben zu gehen. So können auch unerwartete Ereignisse kompetent und souverän ­gemeistert ­werden, frei nach dem Motto: „Mit dir gehe ich bis ans Ende der Welt!“

Achtung vor Überforderung

Wenn der Hund an furchtauslösende Dinge herangeführt wird, ist es wichtig ihn nicht unbewusst in einen zusätzlichen Konflikt zu bringen. Das kann schnell geschehen, wenn versucht wird den Hund durch z.B. Futter an einen für ihn unheimlichen Reiz heranzulocken. Auf der einen Seite ist der Hund durch das Futter sehr motiviert, auf der anderen Seite hat er jedoch Furcht vor dem Reiz. Nähert er sich an, bekommt er zwar das Futter, muss dafür jedoch die Wohlfühldistanz zum Reiz unterschreiten. Diese zwei Motivationen, Distanz zum Futter verringern und Distanz zu furchtauslösendem Reiz beibehalten führen oft zu erheblichem Stress und Übersprungsverhalten. Besser ist es an dieser Stelle ohne Lockmittel zu arbeiten, den Hund dafür aber unbedingt für jede freiwillige Annäherung an den Reiz, die er von selber ausführt, sehr gut zu bestätigen! Toll geeignet ist hierbei das Training über einen Clicker.

Arbeit mit traumatisierten Hunden

Achtung beim Spiel mit Hunden, die durch Menschen traumatisiert wurden! Viele dieser Hunde sind nicht gut auf den Menschen sozialisiert oder haben sogar schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht. Körpersprachliche Spielversuche des Halters können daher oft als Drohung oder sogar Angriff missverstanden werden. Zeigt der Hund Angst, sollten daher sofort die Spielversuche abgebrochen werden. Für diese Hunde sind andere vertrauensbildende Übungen erstmal besser geeignet.

Pdf zu diesem Artikel: vertrauensbildung

 

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