Verstehen Hunde die menschliche Sprache?

Von Karin Joachim MA

Wir reden viel mit unseren Hunden. Aber so wirklich im Bilde darüber, was sie von all dem tatsächlich ver­stehen, sind wir gar nicht. Und worauf reagieren sie eigentlich – wenn sie es denn tun? Die Fähigkeit zu sprechen wird bis heute als eines der Hauptmerkmale angesehen, das den Menschen von den Tieren unterscheidet. Was heißt es aber, dass unsere Hunde sich nicht wie wir Menschen wortreich äußern können, für das soziale Miteinander? Und was sagt das über ihre kognitiven Fähigkeiten aus?

Die innerartliche Kommunikation unserer Hunde ist sehr differenziert, auch ohne gesprochene Worte können sie sich gut verständigen. Sie bedienen sich dabei der verschiedensten Kommunikationskanäle. Verborgen bleibt uns beispielsweise weitgehend ihre geruchliche Kommunikation, wie etwa die Bedeutung von Urinmarkierungen. Hinzu kommt, dass wir Menschen immer noch Schwierigkeiten haben, uns körpersprachlich so auszudrücken, dass unsere Vierbeiner begreifen, was wir gerade meinen, wollen oder vorhaben. Diese jedoch sind gar nicht so schlecht darin, unsere gesprochenen Worte tatsächlich zu verstehen.

Wie wir mit unseren Hunden reden
Auch wenn es bislang erst wenige Studien zum Sprachverständnis unserer Haushunde gibt, so sind die Ergebnisse daraus bereits sehr aufschlussreich. Einige Studien widmeten sich zunächst einmal der Art und Weise, wie wir eigentlich mit unseren Hunden reden. Dazu erstellten im Jahr 2001 ungarische Forscher der Eötvös Loránd Universität in Budapest einen umfang­reichen Fragebogen, den sie an 37 Hundehalter ausgaben. Diese listeten insgesamt 430 verschiedene Begriffe auf, davon jeder einzelne Hundehalter ungefähr 30, die er tagein tagaus im Zusammensein mit ­seinem Hund benutzte. Die Forscher konnten dabei 8 Kategorien aus­machen:

■  Einladung (invitation): z.B. „Name des Hundes“, „Komm!“
■  Verbot (disallowance): „Stopp!“, „Nein!“, „Lass das!“
■  Befehl, eine bestimmte Position einzunehmen (posture): „Sitz!“, „Platz!“
■  Auf ein Objekt bzw. eine Person bezogene Handlungen (object or person related actions): „Gib mir den Ball“, „Geh zu …“
■  Erlaubnis (permission): „Lauf!“, „Nimm das Leckerchen!“
■  Fragen (questions): „Wo ist Peter?“, „Was hast du?“
■  Information (providing informa­tion): „Du kommst nicht mit“, „Da kommt der Postbote“
■  Einzigartige Aussagen (unique): Sehr individuell

Reaktionen auf unsere Worte
Auch wenn nicht alle Hundehalter dieselben Worte und Formulierungen in ihrem Repertoire hatten, so wurde deutlich, dass die Kommunikation mit ihrem Vierbeiner einer dieser Kategorien zuzuordnen war. Es fiel auch auf, dass viele Menschen außerdem noch Synonyme benutzten, also zusätzlich zu „Schau!“ z.B. „guck mal“, „Schau mich an!“. Ein Fünftel der ­Ausdrücke immerhin waren das. Und das Erstaunliche: die Hunde verstanden meist, was gemeint war. Damit wären wir auch schon beim Thema: ein Aspekt sind die Worte, die Menschen im Umgang mit ihren Tieren benutzen, aber wie sieht es überhaupt mit der Fähigkeit der Vierbeiner aus, diese auch wirklich zu verstehen?

Hierfür wurden in dieser Studie ­wiederum die Besitzer gefragt. Was glaubten diese? Über 80% waren der Ansicht, dass ihre Hunde jedes Mal (31%) oder situationsabhängig (53%) das Verhalten zeigten, das darauf hinwies, dass sie die Äußerung des Menschen verstanden hatten. Nur 16% fanden, dass ihre Vierbeiner nur gelegentlich die Befehle befolgten bzw. auf das, was der Mensch mitteilen wollte, adäquat reagierten. Dabei rangierten die 1-Wort-Äußerungen ganz oben auf der Verständnisskala. Je mehr Worte die Besitzer in einer Formulierung benutzten, desto eher schienen die Hunde nicht mehr jedes Mal („every time“) zu reagieren. Dafür aber eher situationsbedingt.

Besonders interessant: Ältere Hunde­halter fanden, dass ihre Hunde auf eine größere Zahl von Äußerungen ansprachen, ebenso wie ältere Hunde. Und: ältere Hunde reagierten häufiger auf die ganz speziellen („unique“) Formulierungen, dafür seltener auf Verbote und Einladungen. Das Verständnis für das menschliche „Geplapper“ scheint bei unseren Hunden im allgemeinen recht groß sowie flexibel zu sein. Außerdem lernen sie lebenslang dazu, was ihre hohe Verständnisfähigkeit im höheren Alter vermuten lässt.

Dass wir ihnen nicht nur 1-Wort-Befehle an den Kopf werfen, zeigt zudem, welche Wertschätzung wir ihnen entgegenbringen. Fern jeder Vermenschlichung transportieren längere Äußerungen oder ganze Sätze vor allem auch ein Gemeinschafts­gefühl.

Wiederholungen
Schon 1999 untersuchten Mitchell und Edmonson, wie und warum wir mit unseren Hunden reden. Sie filmten dabei 23 Hundehalter beim Spiel. Heraus kam, dass im Wortschatz der Hundehalter nur wenige Worte wie der Name des Tieres oder „Hier“ und „Komm“ (das am häufigsten) einen großen Anteil aller Sprachäußerungen (53%) ausmachten. Wiederholt wurden einzelne Worte, aber auch Satzteile. So enthielten 43% der Sätze ­Teile der zuvor gemachten Bemerkung. Dies, so schlussfolgerten die Forscher, drücke die Hoffnung aus, die Hunde würden genau das tun, was man gerade von ihnen erwartete. Ähnlich unterhalten wir uns auch mit Babys und Kleinkindern. Häufig seien auch Aussagen im Stil von „Ach, du bist aber nervös“, welche die Forscher als Versuch werteten, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt des Hundes hineinzuversetzen. Außerdem entstehe hierbei beim Menschen das Gefühl, er befände sich in einer Art realem Dialog mit seinem Tier, das allerdings eben nicht antwortet, zumindest nicht verbal, sondern indem es eine bestimmte Reaktion zeigt. Wiederholungen sagen allerdings auch sehr viel über den Sprecher selbst aus, vielleicht, dass er sich mit diesem Mittel selbst ermutigen oder bestätigen möchte.

Was verstehen unsere Hunde?
Vieles, was wir wissen, geht also eher von dem aus, was wir Menschen über das Sprachverständnis unserer Hunde annehmen, es ist unsere Sicht der Dinge. Was aber verstehen nun unsere Hunde? Wie verarbeiten sie unsere verbale Kommunikation? Das untersuchten Forscher um D. Mills von der britischen Lincoln-Universität. Sie sprachen übliche Kommandos wie „Sitz“ (engl. „sit“) absichtlich falsch aus, um deren Verständnisfähigkeit zu testen. Außerdem wurden alle ­anderen Kanäle wie Blickkontakt oder Gesten quasi ausgeschaltet. Die Hunde bekamen nur die Worte zu hören. Aus „sit“ wurde „sat“, „sik“ oder „chit“. Auf die veränderten Begriffe reagierten die Hunde mit Verzögerung, mal mehr (bei „chit“), mal weniger deutlich. Dies interpretierten die Forscher so: Die Hunde erkannten die Ähnlichkeiten des Klangs, waren also geschult darin, herauszufinden, was der Mensch meinte. Wenn aber die Stimme vom Band kam und andere Hinweise, etwa durch verhinderten Augenkontakt, fehlten, dann wurde es für den Vierbeiner schwer zu verstehen, was man ihm gerade mitteilen wollte. Gerade der Augenkontakt scheint für sie in unklaren Situationen von großer Bedeutung zu sein.

Eine Frage des Klangs
In einer weiteren Studie versuchten die Forscher zu ergründen, welchen Einfluss Veränderungen im Sprachklang bei den Hunden haben würden. Wie würden die Hunde reagieren, wenn der Hundebesitzer zum Beispiel verärgert oder fröhlich war? Eine dem Alltagserleben sehr nahe Fragestellung also. 10 Hunde nahmen hieran teil, das Ergebnis war jedoch alles andere als einheitlich. Nicht jeder Hund reagierte auf den veränderten Klang gleich. Am ehesten ähnelte sich das Verhalten der Hunde beim neutral oder fröhlich gesprochenen Kommando. Anders sah es bei verärgerten Besitzern aus: Da reagierte jeder Hund anders, was wohl an den unterschiedlichen bisherigen ­Alltagserfahrungen lag. Und, sie reagierten weniger berechenbar. Demzufolge macht es gar keinen Sinn, seinen Hund zornig oder ungeduldig zur Ausführung eines Befehls bringen zu wollen. Da müssen wir vermutlich unsere eigenen Befindlichkeiten hintanstellen.

Ermutigung und Babysprache
In mehreren anderen Studien ­konnte nämlich bestätigt werden, dass ­unsere Vierbeiner viel mehr auf verbale Ermutigung reagieren oder ein Problem wie einen Umweg viel besser begreifen, wenn wir sie sprachlich anfeuern oder ihnen Mut machen. Ist es Ihnen vielleicht schon aufgefallen? Wir tendieren beim Sprechen mit unseren Hunden gerne dazu, in eine Art Babysprache überzugehen. Besonders Frauen bedienen sich ­häufig einer höheren Stimmlage, wenn sie mit ihren Hunden sprechen. Dieses Wissen, dass damit eine besondere Freundlichkeit und Zuneigung ausgedrückt werden kann, scheint tief in uns verwurzelt zu sein. Nicht nur eine höhere Stimmlage gehört zur sogenannten Babysprache, sondern auch das Verwenden einfacherer Sätze und vieler Wiederholungen. US-Forscher fanden in diesem Zusammenhang ferner heraus, dass wir gegenüber fremden Hunden eher in diese Sprache verfallen und wir diese sogar öfter loben als unsere eigenen. Vielleicht, weil wir unbekannte Hunde damit i­nstinktiv besänftigen wollen.

Aber es gibt auch einen Unterschied zwischen der Babysprache, die wir gegenüber Kindern, und der, welche wir gegenüber Hunden anwenden: Kindern erklären wir eher etwas, die Sätze sind länger und enthalten auch nicht ganz so viele Wiederholungen. Mit Hunden reden wir eher in ­kurzen Sätzen und sind dabei weniger erklärend. Befehle oder Informationsvermittlung stehen im Vordergrund. Die Forscher nehmen an, dass die Babysprache gegenüber Hunden eher eine emotionale Komponente be­inhaltet. Bei Kleinkindern steht zudem die Unterstützung des Spracherwerbs ganz oben.

Wortlernen
Wir haben nun erfahren, wie wir uns gegenüber unseren Hunden verhalten und was diese verstehen. Aber wie lernen sie die Worte überhaupt? Auch dazu gibt es einige aufschlussreiche Ergebnisse: bekannt ist der Border Collie Rico (1994-2008), der in der deutschen Fernsehsendung ­„Wetten Dass“ auftrat. Damals konnte er 77 Spielzeuge begrifflich unterscheiden. Seine Fähigkeiten wurden daraufhin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig genauer unter die Lupe genommen. Tatsächlich gab es keine versteckten Hinweise seines Frauchens, aus denen der Border Collie ableiten konnte, welcher Gegenstand gerade gemeint war, wenn seine Besitzerin ihn bat, dieses unbekannte Objekt mit dem noch nie gehörten Namen aus der Menge seiner anderen Spielzeuge herauszuholen. Die Forscher folgerten, dass Rico im Ausschlussverfahren neue Begriffe lernte. Der Begriff, den er noch nicht kannte, musste zum neuen Spielzeug ­gehören. Man nennt dies auch „fast ­mapping“, also ein schnelles Zuordnen der Bedeutung. Zum Schluss beherrschte Rico insgesamt rund 250 Wörter.

Mit dem Sprachlernen von Kindern habe dies jedoch nichts zu tun, so vermuten andere Wissenschaftler. In jedem Fall hat Rico jedoch eine Regel verstanden. Außerdem: Es gab auch andere Hunde, alles Border Collies, die so lernten wie er. Einer von ihnen war Chaser. Die Hündin brachte es gar auf über 1000 Begriffe. Chaser konnte sogar verschiedene ­Tätigkeiten unterscheiden: „Take“ für „Nimm ins Maul“, „Paw“ für „Berühr‘ den Gegenstand mit der Pfote“ und „Nose“ für „Berühr‘ den Gegenstand mit der Nase“. Hiermit ist also die spannende Frage verknüpft: Was geht in unseren Hunden vor? Wie lernen sie? Viele Forscher ver­muten, dass im Gehirn unserer Hunde ­ähnliche Prozesse ablaufen wie bei kleinen Kindern. Auch diese lernen Sprache nicht nur aktiv, sondern auch durch Zuhören und Verknüpfung. In jedem Fall bringen unsere Hunde sehr viel Verständnis für unsere Art zu kommunizieren auf: Das soziale ­Miteinander mit uns und ihre Fähigkeit zur Bindung hilft ihnen dabei enorm.

Alltagsbezug
Unsere Hunde verstehen uns also recht gut. Sie hatten ja auch ­einige Jahrtausende Zeit, sich daran zu gewöhnen, dass unsere Kommunikation mit ihnen sehr sprachlastig ist. Ihr Bellen wird übrigens als Versuch gewertet, auf unser Sprechen zu reagieren. Sie verstehen nicht unbedingt jedes einzelne Wort, können aber alle unsere kommunikativen Äußerungen (Gesten, Mimik, Körper­haltung, Tonfall, Signalworte etc.) zusammen mit der jeweiligen Situa­tion interpretieren, verfügen also über ein soziales Verständnis. Demnach sollten wir uns nicht dazu verleiten lassen, pausenlos auf sie einzureden. Ständige Wortschwalle können sie überfordern. Außerdem schenken wir ihnen in vielen Situationen damit zu viel Aufmerksamkeit, zum Beispiel wenn sie etwas tun, was wir ihnen eigentlich abgewöhnen möchten. Unsere Vierbeiner benötigen zudem auch die Gelegenheit, ihre Erlebnisse zu verarbeiten und selbst über ein Problem nachzudenken. Manchmal ist also auch hier Schweigen Gold.

LITERATUR

■  Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Hundepsychologie. Sozialverhalten und Wesen. Emotionen und Individualität. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 4. Auflage 2004.

■  Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Ausdrucksverhalten beim Hund. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2008.

■  M. Fukuzawa, D.S. Mills, J.J. Cooper, The effect of human ­command phonetic ­characterstics on auditory cognition in dogs. Journal of Comparative ­Psychology, Vol. 119, No.1, 2005.

■  Juliane Kaminski, Juliane Bräuer, So klug ist Ihr Hund. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2011

■  Dr. Ádám Miklósi, Hunde. ­Evolution, Kognition und Verhalten. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2011.

■  Robert W. Mitchell, E. Edmonson, Functions of repetitive talk to dogs during play: control, conversation, or planning. In: Society & Animals Journal of Human-Animal Studies, Vol. 7, No. 1, 1999.

■  Robert W. Mitchell, Controlling the dog, pretending to have a conversation or just being freindly. Interactive Studies, 99.129, 2004.

■  Péter Pongrácz, Ádám Miklósi, Vilmos Csányi, Owner’s beliefs on the ability of their pet dogs to understand human verbal communication: A case of social understanding. Current Psychology of Cognition 2001, 20(1-2), 87-107.

■  Alwin Schönberger, Die einzig­artige Intelligenz der Hunde. Piper Verlag GmbH, München 2006.

■  Sophia Yin, Brenda McCowan, „Barking in domestic dogs: context specificity and individual identification“. Animal Behaviour, 2004, 68, 343-355. doi:10.1016/j.anbehav.2003.07.016.

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