Massentierhaltung und Klimakrise haben so manchem den Appetit auf Fleisch verdorben. 14 Prozent der Menschen in Deutschland ernährten sich nach Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im vergangenen Jahr vegetarisch oder vegan. Doch bei ihren Haustieren können Halter schnell vor einem Dilemma stehen: Wie lässt es sich vertreten, für Hund und Katze kiloweise Fleisch heranzuschaffen, das man selbst aus ethischen oder anderen Gründen ablehnt?
Einst mussten Hunde sich mit Speiseresten begnügen. Heute gibt es speziell auf die Bedürfnisse der mehr als zehn Millionen Hunde in Deutschland abgestimmtes Futter, dessen Zutaten sich zum Teil wie die von einem Gericht für Menschen lesen und das auch verschiedene Ernährungsphilosophien berücksichtigt: Es gibt unter anderem Futter aus Bio-Zutaten, aus Insektenpüree, glutenfreies, vegetarisches und veganes Futter.
Hund kein reiner Fleischfresser
Besonders die vegane Hunde-Ernährung stößt bei Fachleuten und Hundefreunden auf große Vorbehalte. „Viele sehen noch den Wolf im Hund – wissen jedoch nicht, dass schon der Wolf nicht nur Fleisch gefressen hat“, sagt Volker Wilke vom Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Der Hund sei somit ebenfalls kein reiner Fleischfresser. „In den tausenden Jahren der Domestikation wurde er als Allesfresser ernährt und teilweise deutlich weniger fleischreich als heute“, betont Wilke.
Aber reicht das pflanzliche Futter auch für eine gesunde Ernährung von Hunden? Erste Hinweise gibt eine kürzlich im Journal „PLOS ONE“ veröffentlichte Studie. Britische und australische Forschende haben dafür mehr als 2.500 Halterinnen und Halter zur Gesundheit ihrer Hunde befragt und verglichen, wie oft diese zum Beispiel zum Tierarzt mussten oder ob sie Medikamente erhielten. 54 Prozent gaben ihren Hunden konventionelles Futter, 33 Prozent setzten auf rohes Fleisch und 13 Prozent ernährten ihre Hunde vegan.
Das Ergebnis: Die Hunde, die klassisches Futter erhielten, schienen am wenigsten gesund zu sein, berichten die Wissenschafter. Hunde, die rohes Fleisch fraßen, seien etwas gesünder gewesen als die vegan ernährten. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen seien womöglich aber auch dadurch zu erklären, dass die Rohfleisch fressenden Hunde durchschnittlich jünger waren als die vegan ernährten, und dadurch, dass ihre Besitzer seltener mit ihnen zum Tierarzt gingen. Frühere Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass bei einer Ernährung mit rohem Fleisch die Gefahr von Mangelernährung und der Aufnahme von Krankheitserregern größer ist. Zusammengenommen kommen die Fachleute deshalb zu dem Schluss, dass eine ausgewogene vegane Ernährung für Hunde am gesündesten und ungefährlichsten ist.
Keine aussagekräftige Studien
Finanziert hat die Studie die Organisation ProVeg International, die sich eigenen Angaben nach für eine tierfreie Ernährung einsetzt. Ellen Kienzle, Professorin für Tierernährung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hält die Aussagekraft der Studie aber für begrenzt: „Da ging es um die subjektive Wahrnehmung.“ Solange ein Hund nicht eindeutige Krankheitssymptome zeige, könnten die Besitzer gar nicht einschätzen, ob dieser krank sei, sagt sie.
Hunde vegan zu ernähren – davon hält Kienzle überhaupt nichts. „Kein Mensch weiß, wie sich die Verfügbarkeit der Nährstoffe durch die vegane Ernährung ändert – und wir wissen, dass sie sich ändert.“ Bisher habe es dazu nur wenige Studien gegeben. Für genaue Aussagen bräuchte es aber Untersuchungen zu jedem einzelnen Nährstoff. Doch schon, wenn man einem Hund für die Forschung Blut abnehme, gelte das als Tierversuch, der genehmigungspflichtig sei. „Dafür muss man die Unerlässlichkeit des Vorhabens darlegen“, betont Kienzle. Und unerlässlich sei es nicht.
Solange Menschen Fleisch essen, gibt es aus ihrer Sicht genügend Schlachtreste wie Organe und Knochen, die nur in Tierfutter Verwendung finden. „Dann ist die vegane Ernährung ein reines Empfindlichkeitsding, eine Übertragung der eigenen Einstellung auf den Hund, und das ist nicht fair“, findet sie. Auf die Idee, den Hund vegan oder vegetarisch zu ernähren, kommen jedenfalls früheren Studien zufolge eher Menschen, die selbst kein Fleisch essen.
Am Institut von Volker Wilke beschäftigen sich die Forschenden schon länger mit fleischloser Ernährung für Hunde. „Die bisherigen Studien weisen darauf hin, dass auch der Hund durch eine pflanzliche Diät unter Verwendung bestimmter Zusatzstoffe mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt werden kann“, sagt er. Allerdings sei es auch schwieriger, eine vegane Kost herzustellen, und setze viel Fachwissen voraus, damit diese bedarfsdeckend ist.
Schmeckt dem Hund veganes Futter?
Doch schmeckt Hunden, die bisher konventionelles Futter bekommen haben, das vegane überhaupt? Das wollte Volker Wilke in einer Blindstudie testen, an der sich 24 Studierende mit ihrem Hund beteiligten. Ein Teil setzte den Hunden veganes Trockenfutter zweier Hersteller vor, eine Kontrollgruppe fütterte weiter fleischhaltiges Futter.
Über zwei Wochen sollten die Halterinnen und Halter für die Studie protokollieren, ob ihr Hund das Futter gerne frisst und wie die Beschaffenheit seines Kots ist. „Bei den Tieren mit veganem Futter waren drei Hunde dabei, die das verweigert haben. Dadurch war die Akzeptanz zwar nicht signifikant, aber tendenziell etwas geringer“, sagt Wilke. „Die anderen haben das aber gerne gefressen.“ Die Studie sei wegen der geringen Teilnehmerzahl jedoch nicht repräsentativ.
Noch ist die vegane Ernährung für Hunde nach Einschätzung von Wilke ein Nischenthema. Doch er stellt fest, dass das Interesse daran steigt – auch in der Wissenschaft. Aber um genau abschätzen zu können, wie sie den Hunden bekomme, brauche man Langzeitstudien, die verschiedene objektive Gesundheitsparameter wie bestimmte Blutwerte, Effekte auf die Fellbeschaffenheit oder gegebenenfalls auch die Fitness der Tiere untersuchten.
Ganz anders sieht es übrigens bei der Katze aus: Sie sei ein reiner Fleischfresser und könne nicht vegan ernährt werden, warnen sowohl Wilke als auch seine Münchner Fachkollegin Kienzle. (Quelle: APA)