Bereits vor mehr als 12.000 Jahren schlossen zwei Jäger – der Wolf und unser steinzeitlicher Vorfahr – einen Bund, der zwar bis heute gehalten hat, dessen weiterer Bestand aber nicht mehr gesichert erscheint und der dringend der Erneuerung bedarf. Einerseits gefährden wir durch züchterische Manipulationen den Hund durch immer groteskere Erscheinungsformen, zum anderen wird er durch nicht artgerechte Haltungsbedingungen und Ausbildungsmethoden als soziales Wesen missbraucht.
Der Mensch aber braucht den Hund als Sozialpartner und als helfenden Partner bei vielerlei Aufgaben. Wir brauchen den physisch und psychisch gesunden Hund und nicht eine kläffende Karikatur oder ein beißwütiges Monster. Es gibt denn nächst dem Menschen außer dem Hund kein Lebewesen, zu dem man eine derart innige Partnerschaft aufbauen kann. Und kein Tier erreicht auch nur annähernd die Fülle der Einsatzmöglichkeiten als Helfer für den Menschen wie der Hund!
Erste Aufgaben
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden in Europa Hunde bei nur wenigen Aufgaben als Arbeitstiere genutzt: Hierfür geeignete Hunde wurden im Jagdbetrieb eingesetzt, andere bewachten Objekte und dienten dem Personenschutz, eine dritte Gruppe wachte als Herdengebrauchshunde bei ihren Herden. Im ersten Weltkrieg wurden Sanitätshunde eingesetzt, deren ziviler Einsatz kam später als Flächensuchhunde im Rettungsdienst. Lange schon wurden die Fähigkeiten der Hundenase bei Lawinenunglücken benutzt, und in London während des Bombenhagels des zweiten Weltkrieges kamen Hunde zum Einsatz, aus denen später die Trümmersuchhunde bei Erdbebenkatastrophen wurden.
Hundeschulen und Trainer
Die allgemeine Verunsicherung im Umgang mit dem Hund ließ in den letzten Jahren eine kaum mehr zu überschauende Anzahl von Hundeschulen, Hundetrainern und selbsternannten Verhaltenstherapeuten aus dem Boden schießen – man informiere sich auf den entsprechenden Seiten der einschlägigen Fachpresse. Dies ist nur möglich, weil es für diese Berufe noch keine allgemein verbindlichen Ausbildungsgänge mit entsprechenden qualifizierten Abschlussprüfungen gibt. Jeder kann in Deutschland und Österreich ohne spezielle Ausbildung eine Hundeschule eröffnen und/oder sogenannte „verhaltensgestörte" Hunde therapieren.
Ähnlichkeiten zum Menschen
Der Wolf ist dasjenige Tier, das dem Menschen am meisten ähnlich ist; nicht von seiner Gestalt und auch nicht von der Genetik her, da sind es zweifellos die afrikanischen Menschenaffen, allen voran der Bonobo (Zwergschimpanse) – es sind vielmehr drei charakteristische Grundeigenschaften, die Wolf und Mensch gemeinsam haben und die eine Domestikation erst ermöglichten: Der Wolf ist, zumindest saisonweise, ein Großwildjäger, d.h. ein Wesen, das als Überlebensbasis mit scharfen Sinnen und einem hoch entwickelten Gehirn ausgestattet sein muss, um seine agilen, vorsichtigen und zumeist auch wehrhaften Beutetiere zu schlagen.
Aber genau wie ein einzelner Mensch ist auch der auf sich alleine gestellte Wolf kaum in der Lage, ein größeres und sich verteidigendes Tier zu erbeuten – er muss dies in einer Gruppe, „Rudel" genannt, bewerkstelligen. Solch eine Jagdgesellschaft setzt Kommunikation voraus, man muss sich untereinander verständigen und die Strategie abstimmen, und man muss sich aufeinander verlassen können – Voraussetzung hierzu ist die genaue Kenntnis des anderen, die Kenntnis seiner Fähigkeiten, seiner Einsatzbereitschaft, seines Mutes. Diese genaue Kenntnis der physischen und psychischen Fähigkeiten des anderen erreicht man aber nur dann, wenn man nicht nur während der Jagd, sondern auch darüber hinaus zusammenlebt.
Soziale Kommunikation
Ständiges Beisammensein provoziert, nicht nur bei Wölfen, gelegentlich Aggressivität, insbesondere wenn es um elementare Dinge geht, wie z.B. Rangordnung oder Fortpflanzung (in menschliche Sprache übersetzt um „Macht und Sex."). Diese Aggressivität darf aber nicht dazu führen, den Kontrahenten im Konfliktfall ernsthaft zu schädigen oder gar zu töten; hier wirken Mechanismen der Beschwichtigung und der Unterwerfung, die dies zumeist verhindern. Auch hier spielt wieder die Kommunikation eine entscheidende Rolle. So sind beide, Mensch und Wolf, soziale Wesen, die ein hochkompliziertes Gefüge von Mechanismen zu entwickeln wussten, um zu einem friedlichen und kooperativen Zusammenleben zu gelangen.
Die Spielregeln dieses Zusammenlebens lernen beide in ihrer Jugend während einer sogenannten „Sozialisierungsphase" (beim Wolf bzw. Hund während der 8. bis 12. Lebenswoche), in deren Verlauf sich der Welpe den speziellen Spielregeln/Umgangsformen miteinander seines eigenen Rudels anpasst, indem er sich diese Regeln aneignet und es allmählich lernen muss, sich ihnen entsprechend zu verhalten. Beim Hund ist diese Phase ungemein wichtig, damit es im späteren Zusammenleben in und mit seinem „Menschenrudel" zu keinen Komplikationen kommt. Insbesondere muss der Hund lernen, welchen Rang er in der Familie innehat – er muss in jedem Fall der Rangniederste sein. Den meisten Hunden ist es im Grunde genommen völlig gleich, welchen Rang sie innerhalb der Hausgemeinschaft innehaben, sie wollen nur genau wissen, wo sie in der Hierarchie stehen. Dies gibt dem Hund Sicherheit, ohne die eine ordnungsgemäße Erziehung und Ausbildung nicht möglich ist.
Das bewundernswerte Sozialverhalten rudelbildender Caniden ist die am meisten geschätzte wölfische Eigenschaft unserer Haushunde, und auf diesem Gebiet darf der Hund noch am ehesten die Eigenschaften seiner wilden Stammform behalten.
Territorium gibt Sicherheit
„My home is my castle" ist eine Weisheit, die auch von einem Wolf stammen könnte – Wölfe sind, genau wie der Mensch, territorial. Ein eigenes Territorium verleiht Geborgenheit, es lässt das Rudel zusammenschweißen und vereinfacht, da man das eigene Territorium mit seinen potenziellen Beutetieren bestens kennt, die erfolgreiche Jagd; ein Vorteil auch bei der Jungenaufzucht. Die Grenzen dieses Territoriums können gegen Eindringlinge vehement verteidigt werden, was bis heute noch zum Verhaltensrepertoire unserer Hunde gehört und zu mannigfachen Problemen mit den Mitmenschen führen kann – der zweifelnde Leser möge diesbezüglich seinen Briefträger fragen!
Abweichend von den strengen Definitionen der Domestikationslehre sind Hunde und Katzen von ihrer Lebensweise her die einzigen echten Haustiere, die der Mensch in seinem nächsten Umfeld hat und mit denen er auf sozialer Ebene kommunizieren kann. Alle anderen Tiere sind entweder nicht fähig, echte Bindungen mit ihm einzugehen (Hamster, Kaninchen), oder sie benötigen einen anderen Lebensraum (Fische), oder aber sind keine Haustiere im eigentlichen Sinne, sondern gezwungenermaßen Heimtiere, die lediglich im Haus/Terrarium leben (Reptilien); niemand mag bezweifeln, dass der Mensch auch zum Pferd sehr innige Verbindungen aufzubauen vermag, hier aber scheitert selbst der Pferdenarr an der Größe seines Lieblings.
Warum halten wir Hunde?
Hunde sind im Lauf der Jahre zu den beliebtesten Haustieren geworden, die wir haben, und das nicht von ungefähr.
– Sie sind von Natur aus gesellig.
– Sie gehen freudig auf Beziehungen zum Menschen ein, können dessen Freund und in vielen Fällen dessen Sozialpartner werden.
– Bei richtiger Haltung sind sie die einzigen Tiere, die sich in eine Menschenfamilie integrieren lassen.
Wenn wir uns die Motive anschauen, aus denen sich Menschen einen Hund anschaffen, so ergibt sich folgendes Bild: Die Zahlenbasis der o.a. (vom Autor dieses Artikels leicht modifizierten) Statistik stammt zwar aus den USA und ist bereits ein Viertel Jahrhundert alt (WILBURN, 1976), sie ist aber mit einigen Modifikationen auch heute noch aktuell.
Nach diesem einleitenden Teil geht Dr. Wörner im nächsten WUFF auf die Motive ein, warum Menschen einen Hund halten. Auch eine interessante Frage wird behandelt, ob nämlich Hunde lieber mit Artgenossen oder mit Menschen zusammen sind. Mehr darüber in der kommenden Ausgabe.
>>> WUFF – INFORMATION
So sieht der Mensch seinen Hund
Die Zahlen stammen zwar aus einer bereits älteren Studie (Wilborn 1976), sind aber im Wesentlichen noch heute aktuell.
– 30% Hund als Kumpel
– 20% Hund als Besitz (Sportgerät, Prestige usw.)
– 20% Hund wird gebraucht (für Jagd, Bewachung usw.), aber kein sozialer Kontakt
– 25% Um den Hund besorgt (glauben, Hund hat Verhaltensprobleme)
– 5% Sonstiges