Und was bist Du eigentlich für ein Hundetyp? Wenn ich das mal wüsste …

Von Sophie Strodtbeck

»Welcher Hundetyp bin ich eigentlich?« ist eine Frage, die man sich durchaus mal stellen kann. Ich habe sie mir allerdings noch nie gestellt, bis das Hundemagazin WUFF mich um diesen Artikel gebeten hat. Und jetzt sitze ich hier beim ersten Kaffee, schaue in die Runde und sehe Hunde, die in ihrer Persönlichkeit nicht unterschiedlicher sein könnten. Müsste ich mich spontan festlegen, bliebe nur, dass ich wohl der »Stuhl-Hundetyp« bin, denn die Meute sitzt – bis auf die beiden Zwerge, die sich brav einen Stuhl teilen – jeweils anständig auf einem eigenen Stuhl um mich herum am Tisch verteilt. Ich könnte das noch etwas konkretisieren und sagen, dass ich wohl der Typ »verdammt hungrige Stuhlhunde« bin …

Noch vor ein paar Jahren war für mich vollkommen klar, welcher Hundetyp ich bin bzw. welchen Hund ich brauche: einen zotteligen, großen Rüden. Das nennt man wohl frühkindliche Prägung, denn mit einem solchen bin ich aufgewachsen. Wenn ich mich allerdings am Tisch umschaue oder in meinem Gedächtnis krame, so finde ich alle möglichen und unmöglichen Hundetypen, aber keinen großen, zotteligen Rüden, auch wenn der Beagle zumindest den Teil mit der Größe anders beurteilen würde …

Was ich niemals haben wollte
Apropos Beagle: Auch das ist eine der Rassen, die ich niemals auf meiner Couch haben wollte! Ich wusste damals, dass sie »ganz nett« (ja, durchaus im Sinne von »nett ist der kleine Bruder von Schei***«) sind, aber ihre zweifelhafte Berühmtheit vor allem durch ihr nicht vorhandenes Sättigungsgefühl und ihre umso ausgeprägtere Eigenständigkeit erlangt haben. Wirklich hübsch fand ich sie übrigens auch nicht. Und dann zog Andra als Notfall hier ein, ein kleines Beaglechen aus dem Labor, und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Mit Meier, einem Beaglerüden, den ich ein paar Jahre später mit einem dreiviertel Jahr übernommen habe, ging das Drama weiter, und seither tummeln sich hier stets ein bis zwei Beagle. Derzeit sind es eineinhalb, denn als Andra in die ewigen Jagdgründe übersiedelte, zog Rita-Line, ihres Zeichens ein Beagle-Terrier-Mix und damit das Einzige, was ich mir noch schlimmer vorstellte als einen Beagle, hier ein. Das Problem mit Rita war allerdings nicht nur der halbe Beagle in ihr, sondern auch, dass ich einen Hund, der länger als hoch ist und Damenbart trägt, bisher kategorisch ausgeschlossen hatte. Und was soll ich sagen? Im Moment bin ich wohl der Typ »länger als hoch und mit Damenbart« … Doch nicht nur, was die Optik, sondern auch das Verhalten angeht, hat mich das kleine, länger als hohe, zottelige Dingsbums eines Besseren belehrt: sie ist ein Traum und ich frage mich seither, wo sie das her hat? Es kann weder vom Beagle, noch vom Terrier stammen, so viel steht fest! Aber damit sind wir bei einem ganz wichtigen Punkt: Ein Hund ist zunächst ein Hund, dann eine Persönlichkeit und dann eine Rasse; und die Unterschiede innerhalb einer Rasse (oder in Ritas Fall eines Mixes) können enorm sein. Das sollte einem stets bewusst sein, denn in der Beratung erlebe ich immer wieder Enttäuschung, weil z.B. Retriever Nr. 2 ganz anders ist, als es Retriever Nr. 1 war.

So kann ich berichten, dass meine ganzen und halben Beagle zwar alle viel vom Beagle hatten und haben und offenbar auch Teile des Standards gelesen haben, aber dennoch könnten sie von ihrer Persönlichkeit her nicht unterschiedlicher sein. Ähnlich ist das bei meiner Chihuahua-Fraktion, die das volle Spektrum zwischen introvertiert und extravertiert, zwischen gesellig und ungesellig und zwischen stabil und labil in Beschlag nimmt. Apropos: habe ich schon erwähnt, dass mir keine Kleinhunde ins Haus kommen? Natürlich niemals nicht! Ich bin schließlich selbst 1,90 groß und das sind ja keine »richtigen Hunde«! Wer braucht schon einen Stelzenhamster? Und jetzt spulen wir die Zeit mal 10 Jahre vor und ich schaue mir meine Tisch- bzw. Stuhlgenossen an – ja, das hat wieder ganz wunderbar geklappt mit dem Chihuahua-freien Haushalt und dem großen, zotteligen Rüden. Das Schlimmste ist aber, dass ich mir ein Leben ohne diese Hundekonzentrate inzwischen gar nicht mehr vorstellen kann und mittlerweile im Brustton der Überzeugung behaupte »Ein Leben ohne Stelzenhamster ist möglich, aber nicht lohnenswert«!

Der Typ »ich nehme, was kommt«
Und somit komme ich zu einem ganz wichtigen Punkt: ich bin wohl der Typ »ich nehme, was kommt und habe es ganz furchtbar schnell ganz furchtbar lieb«! Und das wiederum ist ein Lerngeschenk, das mir mein »Dönertierchen«, ein vollkommen durchgeknallter, türkischer Mülltonnenhund, gemacht hat, denn sie zog zur Hochphase meiner »zotteliger, großer Rüde – Planungen« hier ein. Aber natürlich bezogen sich meine Erwartungen an meinen Hund damals nicht nur auf die Optik (an dieser Stelle gehe ich damit konform, dass ein guter Hund keine Farbe hat), sondern auch darauf, wie ein Hund zu sein hat: natürlich Marke »cool, gelassen, Kumpelhund«. So kannte ich das und ich wäre vor 20 Jahren gar nicht auf die Idee gekommen, dass es auch andere Hunde gibt. Bis zu jenem Tag, als eben das Dönertier hier einzog: weder groß, noch zottelig, und erst recht kein Rüde, sondern ca. 15 kg schwer, schwarz-weiß, kurzhaarig und Hündin durch und durch – dazu das Gegenteil von »cool, gelassen, Kumpelhund«. Heutzutage wäre sie wohl das, was man als »Angsthund« bezeichnet, ein Begriff, der sich inzwischen inflationärer Verwendung auf Facebook und Co erfreut. Abgesehen davon, dass das, was man bei den sogenannten Angsthunden oft sieht, gar keine Angst, sondern eine ganz konkrete Furcht ist und damit ganz anders therapeutisch zu bearbeiten ist, habe ich zunehmend ein Problem damit, Hunde in Schubladen zu stecken – auch wenn das so schön einfach ist: Schublade auf, Hund rein, Etikett draufgeklebt, Schublade zu. Und da steckt er dann, der Hund, und hat oft ganz schlechte Chancen, aus dieser Schublade wieder heraus zu kommen, denn das Ganze wird sehr schnell zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Auch wenn ich die Halter dieser Hunde und ihre Sorgen und Nöte verstehen kann, tut mir das furchtbar leid für die Hunde, denn das sind vielleicht 10% ihrer Persönlichkeit /ihres Verhaltens, aber sie werden immer wieder darauf reduziert werden, weil »es ja schließlich ein Angsthund ist«. Aber kein Hund besteht ausschließlich aus Angst, auch wenn sie natürlich das ist, was den Haltern solcher Hunde im Alltag die meisten Probleme macht. Aber als Fotografin weiß ich, wie wichtig es ist, auch mal den Fokus zu ändern, denn dann nimmt man auch andere Dinge wahr, wie zum Beispiel ganz tolle andere Persönlichkeitseigenschaften eines »Angsthundes«, die man oft übersieht, wenn man sich auf die Angst des Hundes fokussiert. Und wenn man diese erst mal wahrnimmt, sieht man die Stärken, anstatt sich auf die jeweiligen Schwachstellen des Hundes zu fixieren. Und dann kann man sie auch schön ausbauen, anstatt sich auf einem »das ist halt ein Angsthund« auszuruhen. Sicherheitshalber möchte ich aber an dieser Stelle erwähnen, dass ich damit nicht meine, den Hund mit seiner Angst alleine im Regen stehen zu lassen – natürlich sollte man alles tun, um die Lebensqualität von »echten Angsthunden« zu steigern! Aber das wird man nicht, wenn man nur noch um die Ängste des Hundes kreist und versucht, seine Persönlichkeit zu ändern, sondern erfahrungsgemäß auch zu einem großen Teil durch die Akzeptanz, zu sagen »Du darfst so sein, wie Du bist, und ich will Dich gar nicht grundlegend ändern«.

Auf die Erfüllung von Erwartungen warten?
Natürlich spricht aber nicht nur nichts dagegen, sondern ist es auch sinnvoll, sich bei der Hundeauswahl zu fragen, was man eigentlich möchte und welche Anforderungen des Hundes man selbst erfüllen kann/zu erfüllen bereit ist.

So wird eine Familie, die eher dem Couch-Potato-Dasein zugeneigt ist, mit einem Dalmatiner vermutlich nicht glücklich werden, ebenso wenig, wie es der Owtscharka in einer Einraumwohnung oder der Mops es bei einer extrem sportfanatischen Familie werden wird. Darüber, dass entsprechende Möpse auch sonst viel Leid und wenig Glück erfahren, ganz unabhängig von ihren Haltern, wurde ja auch in WUFF schon oft genug geschrieben. Aber an dieser Stelle möchte ich nochmal explizit festhalten, dass ich zwar im Moment nicht sagen kann, was für ein Hundetyp ich bin, aber weiß, dass ich auf keinen Fall ein Qualzucht-Typ bin – und bei aller Offenheit für verschiedene Hundetypen auch nie sein werde!
Dennoch finde ich auch hier Erwartungen schwierig. Viele Rassevertreter haben ihren eigenen Standard offenbar nicht gelesen und erfüllen die Erwartungen, die dadurch oft pauschal an eine Rasse gestellt werden, auch nicht, was dann zu großer Enttäuschung führen kann. Ich glaube aber auch nicht, dass Hunde auf der Welt sind, um unsere Erwartungen zu erfüllen. Vielleicht sind sie vielmehr auf der Welt und in unserem Leben, um uns von unseren Erwartungen und Ansprüchen zu befreien und uns offen an Neues heran gehen zu lassen? Hunde als Lerngeschenk – eine schöne Vorstellung!

Ich bekomme tatsächlich immer mal wieder einen Hund mit den Worten »weil er bei Dir so sein darf, wie er ist« angeboten, was ich als großes Kompliment nehme! Auch, wenn ich sie leider nicht alle aufnehmen kann. Aber jemanden zu lieben, bedeutet nicht nur, ihn so zu nehmen, wie er ist, sondern ihn genauso zu wollen. Und das kann ich ruhigen Gewissens über meine illustre Tischrunde behaupten: jeder von ihnen ist genau so, wie er ist, absolut richtig! Sie dürfen hier so sein, wie sie sind, und das ist gut so.

Und so kommt man dann auch zu einer sehr sonderbaren, zusammengewürfelten Hundemischung, bestehend aus einem narzisstischen Beaglerüden, der inzwischen ein etwas abgehalfterter Star ist, einem entzückenden zotteligen Dingsbums, das länger als hoch ist und Damenbart trägt, einer winzig kleinen und extrem albernen Bordsteinschwalbe mit umso größerem Geltungsbedürfnis, und einem stets übellaunigen Piccozisten mit Blockwart-Allüren und Beagle-Aversion. Vier komplett durchgeknallte unterschiedliche Persönlichkeiten, aber genau deshalb absolut liebenswerte Protagonisten meines Lebens, die mich hoffentlich mit all ihren Macken noch lange begleiten. Und zu vier Lerngeschenken, die mich einmal mehr gelehrt haben, nicht allzu viele Erwartungen zu haben, aber stets mit dem, was kommt, zufrieden zu sein. Dass ich keinen von ihnen missen möchte, muss ich hoffentlich nicht extra erwähnen.

Wir halten also fest, dass Hunde (zumindest im Hause Strodtbeck) das sind, was passiert, während man andere Pläne macht. Und irgendwann wird auch ein großer, zotteliger Rüde meine illustre Tischrunde ergänzen – wenn nicht vorher wieder eine kleine Hündin mit Damenbart, ein überaus alberner Chihuahua oder irgendetwas ganz anderes meinen Weg kreuzt …

Pdf zu diesem Artikel: welcher_hundetyp

 

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