Und plötzlich sind sie alt! – Über das Leben mit alten Hunden

Von Sophie Strodtbeck

Bestandsaufnahme der Strodtbeck-Meute: Zweimal wilde Jugend, nämlich Piranha, Chihuahua, fünf Jahre alt, und Rita-Line, das Küken, ein Beagle / Terrier, drei Jahre alt. Dazu ein Senior, dem keiner gesagt hat, dass er einer ist (Meier, Beagle, knapp 14) und ein Senior, der in der Frage »alt-ja-oder-nein?« zur Gruppe der noch Unentschlossenen gehört (Piccolo, knapp 15, Chi-Mix) …

Gefühlt ist Piccolo erst gestern hier eingezogen – eine halbe Handvoll Hund, die mich ausgesucht hat, obwohl ich weder einen (damals) dritten Hund, noch einen Kleinhund wollte oder gar brauchte. Und wurde nicht auch der Beagle erst vor ein paar Tagen von seinen Vorbesitzern, den Meiers, inklusive eines halben Zoofachgeschäfts im Gepäck geliefert?

Schaue ich – während ich überlege, was in einen Artikel über das »Auf und Ab mit alten Hunden« reingehört – meinen beiden mal wieder neben mir am Tisch sitzenden Hundesenioren in die weisen und weißen Gesichter, rast ein Teil meines Lebens an mir vorbei, denn die Beiden begleiten mich nun bereits fast ein Drittel meines gesamten Lebens. Und da wir ja in einer 24/7-Beziehung leben (Anm.: 24 Stunden am Tag/7 Tage die Woche) und sie tatsächlich immer an meiner Seite sind, waren sie wirklich in ausnahmslos allen wichtigen Momenten der letzten knapp 15 Jahre bei mir – in guten, wie in schlechten Zeiten; und von beiden gab es mehr als genug.

Aber nicht nur die Hunde, auch ich bin in den letzten Jahren weißer und weiser geworden, auch an mir ist unser Leben keineswegs spurlos vorbeigezogen. Das »Weißer« bzw. die grauen Haare und das Mehr an Falten habe ich zu einem großen Teil dem Beagle und einsamen Zeiten am Waldrand (er nahm das mit 24/7 ja nicht ganz so ernst wie ich …) zu verdanken; das »Weiser« bezieht sich hingegen auf den Beagle, denn auch ich bin lernfähig und Meier und sein Freiheitsdrang hatten die letzten Jahre das Nachsehen.
Er ist aber auch ruhiger geworden, und das ist eine Tatsache, die ich bei einem Beagle sehr genieße. Man könnte das Leben mit ihm inzwischen beinahe entspannt nennen. Ob das aber dem Alter oder den immerwährenden Erziehungsversuchen meinerseits geschuldet ist, ist unklar. Was aber sicher ist: abgesehen von einem My mehr Vernunft und Ruhe hat er sich kein bisschen verändert, er ist nach wie vor ein Meier, wie er im Buche steht. Halt, das stimmt nicht: er ist wesentlich umständlicher geworden! Brauchte er früher ca. eine Minute, um unter meiner(!) Bettdecke die richtige Schlafposition zu finden, können es jetzt auch mal fünf Minuten sein, die der Beagle sich umständlich unter der Decke dreht, bis er irgendwann bewegungsunfähig in einem Deckenknoten eingewickelt ist und ich ohne Decke, dafür aber wieder hellwach im Bett liege. Und er schnarcht lauter. Wesentlich lauter. Oder anders ausgedrückt: das Altern äußert sich bei Meier dadurch, dass er inzwischen einfach anders anstrengend ist.

Aber auch als abgehalfterter Star macht er noch eine gute Figur: außer im Gesicht ist er immer noch sehr farbecht, was dazu führt, dass er bis heute regelmäßig auf fünf bis sieben Jahre geschätzt wird. Körperlich hat er bisher keinerlei Einschränkungen, er ist genauso beweglich, unternehmenslustig und ausdauernd wie all die Jahre vorher. Auch seine Präsenz ist unverändert. Für mich ist es auch schwer vorstellbar, dass sich das irgendwann ändert und Meier wirklich ein alter Hund wird. Also ein richtig alter Hund.

Und trotzdem hat mich auch Meiers Älterwerden letztes Jahr eingeholt, denn auch bei ihm bleiben trotz aller Fitness Alterszipperlein nicht aus. So lag er im letzten Jahr mehrfach wegen verschiedener Tumore auf dem Tisch. Und weil ein Beagle selbstredend keine halben Sachen macht und es nicht kleiner kann, hatte er fünf bösartige Tumore, davon vier verschiedene Tumorarten. Aber trotz des Mastzelltumors, der Karzinome und der Fibrosarkome bleibt Meier sich auch beim Tierarzt treu, springt nach wie vor jedes Mal ohne Aufforderung auf den Tisch und freut sich, dass man beim Tierarzt so schön im Mittelpunkt steht und Beachtung findet. Auch die Tumore beachtet er nicht wirklich, dafür ist sein Leben viel zu schön. Und die gute Nachricht ist: Mein lieber Kollege Ralph Rückert hat in gewohnt professioneller Weise alle Tumore im Gesunden entfernt, so dass zu hoffen bleibt, dass Meier noch lange sein Unwesen hier im Haus treibt. Denn ein Haus ohne Beagle ist sicherlich ein wesentlich langweiligeres und ruhigeres Haus – wenn auch die Vorstellung, nach 14 Jahren endlich mal wieder Essen einfach so rumstehen lassen zu können, eine ganz verlockende ist. Aber dafür ist im Rest meines Lebens auch noch genug Zeit und dann werde ich mir sehnlichst einen klauenden Beagle herbeiwünschen. Nein, nicht einen, sondern den klauenden Beagle. Vermutlich wird mir dann auch ganz furchtbar langweilig werden …

Ich habe also beschlossen, ihm zunächst einfach weiterhin nicht zu verraten, dass er inzwischen zu den Senioren zählt und Tumore hat, und bisher geht die Strategie ganz gut auf – kann ich nur weiterempfehlen. Was aber sicher ist: mit 18 ist dann Schluss mit Hotel Mama, dann zieht er aus! Und bis dahin möge er stur, umständlich, anstrengend, laut schnarchend und genauso fröhlich bleiben, wie er es sein ganzes Leben lang war. Und tumorfrei!

Ganz anders Piccolo, bei dem ich durch seine geringe Größe immer davon ausging, dass er mindestens zwanzig Jahre alt werden wird. Tja, was soll ich sagen? Piccolo ist bereits seit zwei Jahren ein alter Hund; manchmal; immer öfter. Vor eineinhalb Jahren ist er innerhalb einer Stunde akut komplett erblindet und nur noch panisch gegen Wände gelaufen – im Raum stand die Verdachtsdiagnose Hirntumor. Was es war, weiß ich bis heute nicht, aber es war kein Hirntumor, denn das Ganze war zum Glück reversibel. Es gab ein halbes Jahr später nochmal ein Rezidiv, aber das ist jetzt auch schon wieder ein Jahr her. Dennoch merkt man ihm seine Lenze leider an. Er hört quasi nichts mehr, sieht – auch von der akuten kompletten Erblindung abgesehen – durch einen grauen Star nur noch sehr schlecht, rennt öfter gegen Hindernisse, sein Appetit hat nachgelassen, und er wird zunehmend »tüddelig«. Ausgerechnet er, die kleine Dramaqueen, bei der schon immer alles ein großes Drama war …

Im Geiste habe ich mich schon so oft von ihm verabschiedet: auch letztes Weihnachten, als er zur Zahnsanierung eine Narkose benötigte und tatsächlich Monate benötigte, bis er sich wieder davon erholte, dachte ich, dass seine Zeit nun langsam gekommen ist. Gekommen ist aber etwas anderes: ein kleines Wunder! Nun ja, erst mal kam die Läufigkeit der beiden Mädels, aber in ihrem Gefolge befand sich ein kleiner Piccolo, wie ich ihn seit Jahren nicht erlebt habe! Er blühte förmlich auf, mutierte zum Platzhirsch und Prinz Charming in Personalunion, und auch wenn die Läufigkeiten inzwischen durch sind, ist ein echt lebenslustiger, wieder gut fressender, kleiner Spaßvogel geblieben. Ich habe sogar das Gefühl, dass sein Seh- und Hörvermögen wieder besser geworden ist. Das bestätigt übrigens meine These, dass Sexualhormone wichtig sind – und wenn es auch nur die der anderen sind …

Fest steht jedenfalls, wenn er wirklich mal stirbt, werden er und ich schon sehr geübt darin sein – vielleicht macht das den Abschied dann leichter. Fest steht aber auch, dass er mich sehr berührt, sowohl in seiner Tüddeligkeit, als auch in seiner neu entdeckten Albernheit. Aber er hat mich schon immer berührt, dieser kleine Hund mit dem unfassbar großen Herzen, dem Mut eines Löwen und der Treue eines deutschen Schäferhundes. Ich meine, in einem Wuff-Artikel vor vielen Jahren mal geschrieben zu haben, dass er gefühlt auf die Welt kam, um es mir recht zu machen. Dabei bleibe ich – ich glaube, er ist wirklich einer der unkompliziertesten Hunde, die mir je begegnet sind. Er tat sein Leben lang Dinge, bevor ich sie auch nur gedacht habe, und ich konnte ihn quasi nicht verlieren, so stark war das unsichtbare Band zwischen uns; wo ich war, war auch die Piccozei. Das hat sich geändert, denn durch seine nachlassenden Sinne läuft er inzwischen einfach mal in eine andere Richtung und hört dann mein Rufen nicht mehr. So benötigt er jetzt erstmals im Leben eine Leine. Auch hat die akute Erblindung ihn so nachhaltig beeindruckt, dass ihm seither meine Nähe noch wichtiger ist, als sie es eh schon war. Er gerät sogar in Stress, wenn ich alleine unter der Dusche stehe. Aber das ist okay, dann kommt er halt mit – also nicht unter die Dusche (er hasst Wasser), aber überall anders hin. Wenn er bisher auf der Welt war, um es mir recht zu machen, so bin ich jetzt dafür da, ihm sein restliches Leben so angenehm wie möglich zu machen. Und das tue ich von Herzen gerne! Wenn ich es irgendwie schaffe, gehören abends 20 Minuten ihm alleine, und er darf sich aussuchen, was er tun möchte. Manchmal spult er immer noch sein altes Trick-Repertoire ab, manchmal darf er Leckerchen suchen, manchmal spielen wir und manchmal liegen wir einfach nur kuschelnd auf der Couch. Er genießt das mindestens so sehr wie ich.

Ich hoffe, dass diese neue Fitness uns noch lange erhalten bleibt, ich es ihm noch lange recht machen darf, und er noch einige Läufigkeiten den Schwerenöter mimt. Und ich wünsche mir, dass es dann schnell geht und eindeutig ist. Denn ich weiß, dass ich mit dem Tod von Hunden umgehen kann – aber das Davor fällt mir verdammt schwer und ist jedes Mal ein Drama.
Was will man also über das Leben mit alten Hunden schreiben? Es ist ganz wundervoll. Und ganz grausam. Und oft beides gleichzeitig. Es ist ein emotionales Auf und Ab, aber es ist auch ein Geschenk! Es ist ein Geschenk, dass sie noch da sind, aber es ist auch ein Lerngeschenk bezüglich des Jetzt und Hier. Denn während ich mir Gedanken mache, wie lange sie noch so fit sein und ihren festen Platz in meinem Leben und unter meiner Bettdecke (der Platz in meinem Herzen ist ihnen für immer gewiss!) haben werden, liegen die beiden mit ihren Angebeteten auf der Terrasse, lassen sich die Sonne auf den Pelz scheinen und genießen das Leben – egal, wie lange es noch dauert. Und das sollte ich wohl mit so wundervollen, in Ehren gealterten Hunden auch tun …


 

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