Unbewusste Bestätigungen …

Von Kristina Ziemer-Falke

… im Hundetraining und im Alltag mit dem Hund

Jeder möchte als Hundehalter (und auch Hundetrainer) alles richtig im Umgang mit dem Hund machen. Man wälzt Bücher, geht in die Hundeschule, besucht Fortbildungen, kennt sich bestens damit aus, wie Hunde lernen, und dennoch scheint das Training an der einen oder anderen Stelle nicht zu funktionieren – aber die große Frage ist: Warum nicht? Schließlich hat man es genauso umgesetzt, wie man es erklärt bekommen hat.

Öfter als man denkt sind es nicht die offensichtlichen Fehler, sondern die kleinen versteckten, die einem fleißigen Hundehalter das Training erschweren. Schauen wir uns sogenannte unbewusste Bestätigungen einmal genauer an.

Unbewusste Bestätigungen – was ist das?
Wenn wir uns die beiden Wörter ansehen, dann stellen wir fest, dass wir unserem Hund wohl eine Bestätigung geben, die meist unbewusst (und oft auch ungewollt) durch uns Menschen oder auch das Umfeld gezeigt wird. Dabei zeigen wir das sowohl im Training, als auch im Alltag. Da es uns nicht auffällt, können wir zu diesem Zeitpunkt auch nicht das Verhalten des Hundes verändern, da er ja durch uns darin bestätigt wird. Damit es nicht so kompliziert bleibt, wie es klingt, möchten wir Ihnen dies gern anhand eines Beispiels erläutern:

Hunde sprechen nicht unsere Sprache, sondern legen in der Kommunikation einen anderen Schwerpunkt, um Kontakt mit Artgenossen oder uns Menschen zu haben. Ihr Fokus liegt sowohl auf Berührungen, Akustik, Optik, als auch auf der Geruchswelt, denn diese spielt eine große Rolle, ebenso wie der Geschmack (wenn auch untergeordneter im Vergleich zu den anderen Sinneswahrnehmungen). Somit schwächelt das eine oder andere Mal schon unsere Wahrnehmung, wie wir mit Hunden sprechen. Wir sind uns sicher, dass, wenn wir „Sitz“ gesagt haben, der Hund weiß, was gemeint ist. Da er den inneren Wortlaut nicht versteht und die Sinnhaftigkeit nur, wenn die richtige Handlung timing-genau einstudiert wurde, wird schnell klar, dass der Hund mit „seinen Sinnen“ die Übung wahrnehmen und abspeichern wird. Hier kommt es, nett formuliert, zu einer „Prioritätenverschiebung“. Sie legen den Fokus auf die korrekte Einführung des Signals „Sitz“. Ihr Hund filtert aber noch, wie Sie dabei stehen, welchen Gesichtsausdruck Sie haben, wie Ihre Stimmung ist, ob Sie vielleicht schon in die Leckerchentasche greifen, weil Sie schon ahnen, dass er sich gleich setzen wird, und auf vieles mehr achtet Ihr Hund. Sie können sich den Moment so vorstellen, als würde er ein Foto von Ihnen und dem Kontext machen, in dem das Signal ertönt.

Sicherlich wird Ihnen Ihr Trainer erzählt haben, dass Sie in verschiedenen Kontexten trainieren sollten, damit Ihr Hund lernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren (Ihr Signal „Sitz“) und es überall umsetzt, ohne darauf zu bestehen, dass Ihr Wohnzimmerteppich zur Sitz-Übung gehört. Soweit so gut. Sie werden also fleißig trainieren, im Garten, zuhause, auf dem Spaziergang, unter starker und schwacher Ablenkung usw. Aber was ist mit den Reizen, die uns gar nicht so auffallen? Bleiben wir einmal bei Ihrer rechten Hand, die, wie oben beschrieben, schon frühzeitig in die Westentasche greift, um sich auf den Moment vorzubereiten, dem Hund ein Leckerchen zu geben, weil er die Übung so gut gemacht hat. Diese zeigt nun an, dass gleich eine Belohnung kommen wird. Ihr Hund kennt diese Handlung. Sein „Gehalt“ ist ihm somit sicher, denn das wurde ja zeitlich passend angezeigt. Und nun probieren Sie mal Folgendes: Machen Sie die Übung einige Male mit dem Griff in die Tasche und dann einige Male ohne. Sie werden vielleicht feststellen, dass Ihr Hund das Sitz wesentlich schneller und sicherer umsetzt, wenn Ihre Hand in die Weste greift. Das Signal „Sitz“ wird also durch den ungewollten/unbewussten Griff in die Tasche unterstützt und beschleunigt. Sogar so, dass eine Signalwirkung eingetreten ist. So aufgedröselt müssen wir uns also nicht wundern, dass der Hund sich (in unseren Augen) bitten lässt oder das eine oder andere Mal länger für ein Sitz benötigt. Aus seiner Sicht macht er alles richtig. Das Tolle ist: Haben Sie die kleinen Fehlerteufel aufgedeckt, können Sie diese beheben – in diesem Fall würde es bedeuten, dass die rechte Hand erst konsequent nach der Umsetzung des richtigen Signals in die Tasche greift.

Unbewusste Bestätigung – wie werde ich sie wieder los?

Eine kleine Checkliste, um sich selbst zu coachen:

  • Überprüfen Sie Ihr Trainingsziel. Wird es erfüllt, so wie Sie es sich wünschen, oder haben Sie keinen Schnitt von 100% oder klappt es mal ja und mal nein? Wenn Sie unzufrieden mit der Leistung sind, lohnt es sich, unbewusste Bestätigungen zu suchen, um sie auszuschleichen.
  • Filmen Sie eine (oder direkt auch gerne mehrere) Trainingseinheit(en) von sich und prüfen Sie Ihre Körpersprache. Was geben Ihre Arme, Blicke, Beine, Füße und alle weiteren Körperteile vor? Zeigen Sie etwas, was eigentlich gar nicht zu Ihrem Ziel passt? Sie können und sollten sich das Video öfter ansehen, dann sieht man meist mehr. Auch hilft hier eine Zeitlupenfunktion.
  • Haben Sie unbewusste Bestätigungen entdeckt, fragen Sie sich, ob Sie diese Bewegung/Handlung überhaupt brauchen (wenn nein, einfach weglassen) oder ob das Verhalten zwar richtig und wichtig ist, aber vom Timing her an eine andere Stelle müsste.
  • Planen Sie das Training und setzen Sie es um.
  • Kampf gegen den inneren Schweinehund. Überprüfen Sie Ihr Training alle paar Wochen regelmäßig, denn unbewusste Bestätigungen können sich auch durch „Betriebsblindheit“ einstellen und tauchen immer mal wieder auf – im Training, als auch im Alltag.

Wie oben bereits dargestellt, versteht ein Hund unsere Sprache nicht. Er orientiert sich an unserer Körpersprache und auch am Tonfall unserer Stimme. Auch „Beruhigungsversuche“, wenn Ihnen wahrend eines Spaziergangs ein anderer (aggressiver) Hund entgegenkommt, stellen eine unbewusste Bestätigung für Ihren Hund dar:

Bellt oder pöbelt Ihr Hund an der Leine andere Hunde oder Jogger an, kann eine Ursache sein (es gibt natürlich noch viel mehr), dass Ihr Hund seine soziale Gemeinschaft (sich selbst und seinen Halter) durch den entgegenkommenden Hund oder den Jogger als bedroht ansieht. Beruhigen Sie Ihren Hund nun, empfindet er dies durch Ihre ruhige Stimme als Lob und wird sein Verhalten fortsetzen (Ihre Worte versteht er ja nicht). Schimpfen Sie jedoch mit Ihrem Hund, bemerkt dieser nur, dass Sie auch aufgeregt sind, und geht davon aus, Sie seien auf seiner Seite und brüllten das entgegenkommende „Gefahrenobjekt“ auch an. Das fördert ggf. auch das Wir-Gefühl und kann das Aggressionsverhalten an dieser Stelle hochfahren lassen – genau das, was Sie vermeiden wollten.

Besser: Verlassen Sie wortlos die Situation, vergrößern Sie die Distanz und beginnen Sie mit einem erfahrenen Trainer an der Problematik zu arbeiten. Insbesondere Aggressionen des Hundes können durch unbewusste Bestätigung verstärkt werden – und auch so, dass Ihr Hund daran Spaß haben kann. Eine der häufigsten Formen der erlernten
Aggression ist die Fehlverknüpfung des Hundes beim Spaziergang an der Leine. Bei Sichtung eines anderen Hundes gibt der Halter Signale, die vom Hund missverstanden werden. Meistens handelt es sich dabei um unbewusste Bestätigungen. Achten Sie beim Spaziergang darauf, wie oft Sie in die Leine greifen und so Ihrem Hund etwas mitteilen.

Kommt Ihnen beispielsweise ein anderer Hund entgegen, der genauso lieb ist wie Ihrer und eigentlich alles gut ist, und Sie würden trotzdem in die Leine greifen, weil Ihr Hund jedoch sehr groß und stark ist und Sie Sorge haben, dass er Sie wegzieht und Sie ihm so Stand halten wollen, teilen Sie ihm durch den übertragenen Druck, der über Leine zum Halsband/Geschirr transportiert wird, mit, dass eine besondere Situation ansteht. Auch Ihr Hund wird sich anspannen. Passiert das immer und immer wieder, stressen wir den Hund in Situationen, die ursprünglich durch Freude gekennzeichnet waren. Die Stimmung kann auf Dauer kippen, da dem Hund durch die Leinenspannung eine andere Stimmung übertragen wird.

Um dem vorzubeugen, überlegen Sie nach der Identifikation der unbewussten Bestätigungen immer, wie Sie die Situation anders managen können. Im letzten beschriebenen Beispiel können Sie das Größenverhältnis oder gar das Gewicht nicht ändern. Aber Sie können sich überlegen, was Ihr Hund tun sollte, damit er nicht nach vorne springt – wie befürchtet. Hier könnte ein „Sitz“ helfen, um den Hund zu fixieren. Auch kann es gut sein, die Leinenführigkeit weiter zu trainieren, dass Ihr Hund auch unter Ablenkung weitergeht, wenn Sie das einfordern und kein Kontakt erwünscht ist. Auch wäre die Möglichkeit gegeben, dass Ihr Hund nach dem Sitz aufgelöst wird und spielen darf. Je mehr Sie aber planen und managen, desto weniger unbewusste Bestätigungen werden Sie auf Dauer haben.

Angst kann nicht verstärkt werden, wenn man etwas Gutes hinzufügt. Ein großes Missverständnis kursiert immer noch in der Hundeszene, nämlich die Aussage, dass man die Angst eines Hundes verstärken kann, wenn man ihn in diesem Augenblick streichelt und beruhigt. Nein, diese Aussage ist so nicht korrekt. Nehmen wir das einmal auseinander, denn unbewusste Bestätigungen spielen hier eine Rolle.

Streichle ich als Hundehalter meinen ängstlichen Hund, verstärke ich seine Angst nicht. Das wurde sogar schon hormonell bewiesen. Unter Angst haben wir einen erhöhten Stresspegel und der Kortisolwert ist erhöht. Kortisol hat verschiedene Antagonisten (Gegenspieler), unter anderem auch Oxytocin – unser sogenanntes „Kuschelhormon“, was mitunter ausgeschüttet wird, wenn wir berührt werden. Es wird sogar schneller ausgeschüttet als Kortisol. Somit konnte nachgewiesen werden, wenn ein Hund Angst hat und von einer Person, die ihm angenehm ist, gestreichelt wird, dass der Stresspegel reduzierter auftritt.
Aber – dies funktioniert nur, wenn der Hundehalter auch authentisch dabei ist. Hat der Halter selbst Angst in der Situation, helfen alle Streicheleinheiten nicht, weil sie nicht authentisch sind. Das spürt der Hund und unbewusst bestätigen wir jetzt den Hund in seinem Verhalten, weil wir ebenso empfinden und dem Hund keine Stütze sind, auf die er sich verlassen kann. Das ist der kleine, aber feine Unterschied. Daher sollten Bauchgefühl und Verstand immer zusammenspielen, so dass wir authentisch sind und unbewussten Bestätigungen kaum eine Chance lassen. Sie merken, dass es schwer ist auf alles zu achten – gerade zu Beginn, bei der Suche nach Fehlerteufeln. Aber geben Sie sich selbst Zeit, Stück für Stück zu erkennen, woran es scheitert oder scheitern könnte. Kein Meister fällt vom Himmel und von der einen oder anderen ungewollten Reaktion von Ihnen profitiert Ihr Hund schließlich auch … also wünschen wir viel Spaß beim Training und seien Sie nicht zu streng mit sich.

Hintergrund

Fatal für uns Menschen ist auch, dass wir uns multitaskfähig verhalten und gleichzeitig in der Gegenwart sind, über die Vergangenheit grübeln und die Zukunft planen. So setzen wir Akzente, die aus Sicht des Hundes sortiert werden müssten, damit sie von ihm richtig gedeutet werden könnten, um sie richtig zu verstehen. Da Hunde aber in der Gegenwart leben, haben sie hier ihre Schwierigkeiten. Sie vermeiden also unbewusste Bestätigungen schon dadurch, dass Sie sich auf die Aufgabe und Kommunikation mit dem Hund konzentrieren und somit genauer kommunizieren.

Pdf zu diesem Artikel: unbewusste_bestaetigung

 

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