Über das Schlafen und Träumen der Hunde

Von Karin Joachim MA

Wenn Wuffi im Körbchen schläft und plötzlich sein Körper zu zucken beginnt, er vielleicht auch winselt oder wufft, dann träumt er. Wissenschaftler haben das Träumen nicht nur beim Menschen erforscht, sondern seit einiger Zeit auch beim Hund. Über die Bedeutung des Schlafes bei Hunden sowie über das Träumen ­unserer Vierbeiner berichtet Karin Joachim.

Wir wollen für unsere Hunde nur das Beste und das hat zur Folge, dass wir viel mit ihnen unternehmen, manchmal vielleicht sogar zu viel. Mancher Hundealltag ist wirklich mit Aktivitäten vollgestopft. Bereits Welpen haben oft einen minutiös ausgearbeiteten Stundenplan, denn in den ersten Lebenswochen sollen sie schließlich alles Wichtige kennenlernen. Das ist auch sinnvoll, allerdings muss das Gelernte und Erlebte schließlich auch verarbeitet werden. Und wie gelingt das besser als im Schlaf oder wenigstens beim Dösen und ruhigen Entspannen? ­Wissenschaftler haben herausge­funden, dass beim prozeduralen und beim deklarativen Lernen der Schlaf eine wesentliche Funktion innehat.

■  Prozedurales Lernen:
Das Erlernen von Bewegungen, körperlichen Abläufen. Verläuft eher unbewusst und findet vor allem im Neocortex statt.

■  Deklaratives Lernen:
Hierbei werden Erfahrungen und Wissen verknüpft, eher bewusst, vor allem im Hippocampus.

Wie schlafen Hunde?
Wie auch bei uns Menschen, so schließen sich bei den meisten Säugetieren und sogar bei Vögeln verschiedene Schlafphasen aneinander an. Der Schlaf beginnt mit dem Leichtschlaf, der dann in den Tiefschlaf und anschließend in die REM-Phase übergeht. Während dieser letzten Phase erkennt man bei Mensch und Tier eine deutliche Augenbewegung unter den geschlossenen Augenlidern. Das REM steht deshalb für rapid-eye-movement, also die schnellen Augenbewegungen.

Diese Schlafphasen verlaufen in ­Zyklen. Der Mensch durchläuft während einer Nacht ungefähr 4-5 ­Zyklen mit einer jeweiligen Dauer von rund 90 Minuten und kommt somit pro Nacht auf ca. 6-7,5 Stunden Schlaf. Die Hundeschlafzyklen sind insgesamt wesentlich kürzer, das ­können wir selbst gut beobachten. Ein Schlaf­zyklus dauert bei ihnen rund 16 Minuten. Daran schließen sich einige Minuten des Wachseins an. Insgesamt aber folgen mehrere (über 20) dieser Zyklen aufeinander, so dass sie ­ins­gesamt ähnlich lange schlafen wie wir. Vorausgesetzt, sie leben in einer sicheren Umgebung und werden nicht ständig gestört.

Was passiert beim REM-Schlaf?
Wenn unser Vierbeiner in seinem Körbchen liegt und zu jaulen oder zu knurren beginnt, mit den Pfoten trampelt, dem Schwanz wackelt oder laut schnauft, dann ­befindet er sich gerade in der Phase des REM-­Schlafes. Diese Schlafphase kennzeichnet eine physiologische Muskellähmung. Das ist gut so, denn ansonsten würde der Träumende das, was er gerade träumerisch erlebt, in Aktion umsetzen. 1960 machte der Schlafforscher Michel Jouvet mit Katzen ein Experiment, bei dem diese Muskellähmung aufgehoben war. Was passierte? Sie verhielten sich ganz so, als liefen sie einer real existierenden Maus hinterher. Erlebten sie also reale Ereignisse im Traum noch einmal? Bei menschlichen Säuglingen nimmt der REM-Schlaf übrigens den größten Anteil am Schlaf ein. Träume werden nach dem Aufwachen lebhafter erinnert als Träume in anderen Schlafphasen. Bei Hunden beträgt der REM-Schlaf bis 29% des Gesamtschlafes, bei Menschen bis 25 %.

Träumen Tiere?
Der Psychologe Matthew Wilson untersuchte mit seinem Kollegen Kenway Louie die Hirnströme von Ratten. Das EEG-Muster während ihrer Tagtätigkeiten und der REM-Phasen ähnelte sich. Deshalb nahm man an, dass sie das Erlebte (das Laufen durch ein Labyrinth) tatsächlich noch einmal im Schlaf nachvollzogen. Für unsere Hunde wird das sicherlich auch gelten. Wenn ein Hund unsanft aus dieser Schlafphase gerissen wird, kann es passieren, dass er zunächst gar nicht das Geträumte vom Realen unterscheiden kann. Erzählungen von Hundehaltern lassen darauf schließen. Aber können sie sich an Ihre Träume auch bewusst erinnern? Daran zweifelt die Wissenschaft allerdings. Deshalb sprechen Wissenschaftler hier denn auch lieber von der Erinnerungsverarbeitung als vom Träumen.

Was sind Träume?
Träume wurden früher ganz unterschiedlich interpretiert. Aus der Antike sind einige ­dieser Ansichten überliefert: Plato interpretierte Träume als Ausdruck versteckter Wünsche, Aristoteles dagegen nur als Wacherlebnisse ohne besonderen Zusammenhang. Im Mittelalter erkannte man in ihnen Vorboten auf künftige Ereignisse. Gegen diese Theorie wandte sich die Aufklärung. Sigmund Freud sah in ihnen Botschaften des Unterbewussten. Dessen Schüler Jung deutete sie als Darstellung der inneren Wirklichkeit und erkannte in ihnen archetypische Symbole als Bestandteil eines kollektiven Unterbewusstseins.

Funktion des Schlafes
Die Theorien zum menschlichen Schlaf sind vielfältig. Eine zentrale Funktion ist die Entwicklung von Nervenverbindungen. Das ist auch der Grund, warum Säuglinge so viel schlafen. Außerdem kann sich der Organismus in dieser Zeit regenerieren, wovon z.B. unter anderem das Immunsystem und der Stoffwechsel profitieren. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Erinnerungsverarbeitung. Einige Forscher gehen davon aus, dass vor allem emotionale Erlebnisse verarbeitet und sogar neu bewertet würden („redressing“). Auch das Einüben von über­lebenswichtigen Instinkten während des Schlafes wird als Funktion genannt.

Was passiert im Tiefschlaf?
Besonders wichtig für das Lernen ist der Tiefschlaf. Dieser folgt auf die Einschlaf-, Leichtschlaf- und Übergangsphase. Nach ihm fällt der Schlafende dann in die REM-Phase (s.o.). Bei Menschen und verschiedenen Säugetieren wurde die Tiefschlafphase näher untersucht. Neu Erlerntes wird während des Wachseins zunächst erst einmal im Hippocampus abgelegt, quasi zwischengespeichert. Der Hippocampus ist eine evolutionär sehr alte Gehirnregion, die pro Hirnhemisphäre zweifach vorhanden ist. Diese Hirnregion ist besonders wichtig für das Lernen und die Erinnerung. Im Tiefschlaf sendet das Gehirn sogenannte Deltawellen aus. Diese Deltawellen scheinen zu signalisieren, dass nun mit der weiteren Verarbeitung der Informationen begonnen werden kann. Denn die Inhalte werden nun, im Tiefschlaf, vom Hippocamous zur Hirnrinde gesendet, überspielt. Im Schlaf wird das Hormon Noradrenalin weiter ausgeschüttet. Ohne dieses Noradrenalin, das weiß man, würden die Prozesse, die für die Bildung des Gedächtnisses verantwortlich sind, nur verzögert ablaufen. Bei Schlafentzug aber können sich Nervenzellen nicht regenerieren oder bilden sich gar viel schlechter aus. Selbst ein Kurzschlaf reicht, damit sich die Merk­fähigkeit verbessern kann. Aber auch die Stimmung und die Leistungsfähigkeit werden dadurch erhöht.

Lernen im Schlaf?
Wir haben erfahren, dass dieser Spruch durchaus zutreffend ist: Für das prozedurale Lernen ist vor allem die erste Nacht nach dem Erleben entscheidend. Im Schlaf werden quasi Bewegungen und Abläufe wiederholt und dadurch verfestigt. Auch beim deklarativen Lernen, beim bewussten Lernen, kann der Schlaf helfen. Dabei werden nämlich die neuen Erfahrungen mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft. Dass Tiere auch deklarativ lernen, weiß man heute.Lernfördernd ist vor allem die Tiefschlafphase (s.o.). In dieser Phase ist der Cortisolgehalt im Körper recht niedrig. Da Cortisol ein Stresshormon ist, besteht hier also eine Verbindung zwischen Entspannung und Lernen. Es sind noch weitere Hormone beteiligt, wie das Melatonin, das möglicherweise den Hippocampus beeinflusst. Stück für Stück deckt die Forschung diese Prozesse immer mehr auf.

Gestörter Schlaf
Aus diesen Kenntnissen kann man ableiten, dass ein gestörter Schlaf Auswirkungen auf das Lernen haben kann. Besonders erholsam schläft man, das wissen wir selbst, in einem entspannten Umfeld. Das dürfte bei unseren Hunden genauso sein. Fehlt der Schlaf, wird er ständig unter­brochen oder ist der Stresslevel allgemein zu hoch und sinkt auch während der Ruhephasen nicht ab, dann hat das Auswirkungen auf Psyche und Physis: Die Erinnerung ­verschlechtert sich, das Immunsystem ist nicht mehr so stark, die Nervosität steigt und man/Hund ist allgemein weniger leistungsfähig und belastbar. Dauergestressten Hunden merkt man das unter Umständen deutlich an. Deshalb ist es wichtig, darauf zu achten, dass der Vierbeiner nicht über-, aber auch nicht unterfordert wird oder gar ­emotional vernachlässigt wird. Besonders Welpen und Junghunden, die ja noch in der Entwicklung sind, sollten wir deshalb die Möglichkeit geben, immer wieder einmal ein ­Päuschen einzulegen, um das, was sie gerade erlebt haben, auch verarbeiten zu können. Besonders nervösen Hunden (und nicht nur diesen) helfen darüber hinaus bestimmte Ruhe- und Schlafrituale.

LITERATUR

■  Louie, Kenway; Wilson, Matthew A. Temporally structured replay of awake hippocampal ensemble activity during rapid eye movement sleep. Neuron, 2001, 29. Jg., Nr. 1, S. 145-156.
■  Nadja Podbregar und Dieter ­Lohmann, Im Fokus: Neurowissenschaften. Träumen, Denken, Fühlen – Rätsel Gehirn. Springer-Verlag, Spektrum, Berlin  Heidelberg 2012 (ISBN 978-3-642-24332-5
■  Sara, Susan J. Retrieval and ­reconsolidation: toward a neurobiology of remembering. Learning & Memory, 2000, 7. Jg., Nr. 2, S. 73-84.
■  Walker, Matthew P.; Stickgold, Robert. Sleep-dependent ­learning and memory consolidation. ­Neuron, 2004, 44. Jg., Nr. 1, S. 121-133.

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