Trennungsschmerz und Abschiedskummer bei Hunden

Obwohl in der Wissenschaft systematische Forschungen über ­Trauer bei Hunden fehlen, gibt es zahlreiche Beobachtungen, wie Hunde und Wölfe auf den Tod eines Bindungspartners reagieren. Dr. Udo Gansloßer und Mechtild Käufer in einem umfassenden ­zweiteiligen Artikel über Trennungsschmerz und Abschiedskummer bei Hunden.

Im Dezember 2011 berührte ein russischer Straßenhund aus Yakutsk die Herzen der Menschen, weil er bei eisigen Temperaturen von minus 50 Grad Celsius über drei Wochen an der Seite seiner toten Gefährtin Laika ausharrte, die – trächtig gewesen – vergiftet wurde. Sein Verhalten ist mit Fotos, Filmen und Augenzeugenberichten gut dokumentiert. Verschiedene Fernsehsender zeigten den Hund bei seiner „Totenwache“. Die Presse gab ihm den Namen „jakutischer Hachiko“, nach dem durch die Hollywood-Verfilmung berühmt gewordenen Akita Inu in Japan, der noch jahrelang nach dem Tod seines Halters täglich an der Bahnstation auf ihn wartete.

Wegen des Dauerfrostes und Vergiftungsdrohungen fingen besorgte Tierschützer den russischen Hachiko ein. Nach wenigen Stunden befreite sich Hachiko, lief die sieben Kilometer lange Strecke zurück, um wieder den Platz neben seiner toten Gefährtin einzunehmen. Auch nachdem man den Körper der toten Hündin entfernt hatte, verblieb der Hund an dem Ort, an dem sie gestorben war, und heulte und bellte die ganze Nacht. Hat der jakutische Hachiko um seine tote Gefährtin getrauert?

Bewusstsein und Emotionen bei Tieren
Heutzutage herrscht in der Wissenschaft weitgehend Übereinstimmung darüber, dass Tiere Bewusstsein und Emotionen besitzen, wie es am 7. Juli 2012 die „Cambridge ­Declaration on Consciousness in Non-Human Animals“ manifestiert. Marc Bekoff betont, dass heute die Frage nicht mehr ist, ob Tiere trauern, sondern wie sie trauern. Trauer ist eher bei sozial lebenden Säugetieren zu erwarten, deren ­Sozialverhalten durch lang andauernde Bindungen (Mutter-Kind-Bindung, Geschwister­bindung, Paarbindung) gekennzeichnet ist. Diese Voraussetzungen erfüllen ­beispielsweise Wale, ­Delfine, ­Elefanten, Primaten und sozial ­lebende Caniden. Diese Tierarten investieren viel Zeit und Energie in ihren Nachwuchs, gehen hohe Risiken ein, um dessen Überleben zu sichern. Schon allein deshalb ist der Nachwuchs für diese Arten sehr wertvoll und nicht einfach ersetzbar. Das trifft bei ­Säugetieren in besonderem Maße auf die Mütter zu. Nicht nur für menschliche Mütter ist der Tod des eigenen Kindes ein traumatisches Erlebnis, das mit einer tiefen Trauer verbunden ist.

Können Hunde trauern?
Marc Bekoff weist ausdrücklich ­darauf hin, dass die Trauer eines Hundes, eines Elefanten oder eines Menschen natürlich nicht identisch sind, trotzdem sind es Formen von Trauer. ­Deshalb sei es schlechte Biologie, trotz all dem, was wir heute wissen, Tieren weiter ihre Gefühle zu rauben.

Im Forum einer amerikanischen Tierärztin berichtet ein Farmer, der zwei Hunde – Bruder und ­Schwester – besaß, vom Tod des Rüden und dem für ihn unerträglichen Verhalten der zurück gebliebenen Hündin. Die Hunde hatten 12 Jahre zusammen im gleichen Zwinger gelebt und nach Angaben des Besitzers eine sehr intensive Bindung. Nachdem der Rüde gestorben war, bellte, winselte und jaulte die Hündin ununterbrochen und lief unruhig im Zwinger hin und her. Der Besitzer legte der Hündin daraufhin ein Halsband um, das der Hündin Stromstöße versetzte, wenn sie bellte oder jaulte, aber das verschlimmerte die Lage nur, sodass er einen Tierarzt um medikamentöse Hilfe bat. Niemand käme auf die Idee, einen Menschen nach dem Verlust eines Bindungspartners für seine Trauer zu bestrafen. Besseres Wissen um ­Trennungsschmerz und Trauer bei Hunden kann daher zu angemessenerem Umgang mit ihnen beitragen.

Im Gegensatz zu einigen Wissenschaftlern glauben Laien zu einem großen Prozentsatz, dass Tiere ­trauern. Bei einer aktuellen Studie mit tausend Teilnehmern (McGrath, N. et al: 2013) gaben 90 % an, sie glauben, dass bestimmte Tiere, 23 %, dass alle Tiere trauern können.

Definition von Trauer bei Tieren
Skeptiker argumentieren, dass Tiere keine Trauer empfinden können, weil sie die Endgültigkeit des Todes nicht begreifen. Doch auch Kinder, die noch zu jung sind, um den Tod zu verstehen, trauern, wenn ihre Mutter stirbt. Es trauern auch tief religiöse Menschen, die nicht an die Endgültigkeit des Todes glauben. Trauer ist also nicht davon abhängig, ob der Tod ­mental (sofort) als endgültige Trennung registriert und verstanden wird, es reicht das Fehlen des Bindungspartners. Erlebt das Tier den Tod des Partners, nimmt es sehr wohl Krankheit, Schmerzen, die mit dem Tod verbundenen körperlichen Veränderungen, die Regungslosigkeit und den ver­änderten Geruch des toten Gefährten wahr. Es leidet aber vor allen Dingen unter der Abwesenheit, den fehlenden Reaktionen des Bindungspartners, ihm fehlen seine vertraute Zuwendung, seine Fürsorge, sein Schutz und seine Unterstützung.

Bindung, Liebe und Trauer
Von trauernden Tieren berichten Feldforscher, dass sie suchend umherlaufen, Plätze aufsuchen, an denen sich das verstorbene Tier aufgehalten hat. Dies ist die sogenannte Protestphase, die erste Stufe der Trennungsstressreaktion. Später wird oft beschrieben, dass sie in Apathie verfallen, dass sie sich absondern und weniger fressen als gewöhnlich. Es kommt vor, dass Tiere mit einer besonders intensiven Bindung kurze Zeit nach dem Tod des Bindungspartners selbst sterben. So berichtet Jane Goodall vom jungen Schimpansen Flint, der – tief depressiv – kurz nach seiner Mutter stirbt. Schon in den 1960ern beschrieb ­Harlow Trauer und Depression, wenn er im Labor sehr junge Rhesusaffen von der Mutter trennte. Trauer­reaktionen werden auch bei ­Primaten in Zoos beobachtet, wenn deren Jungtiere sterben oder bei ­Elefanten, die ein Herdenmitglied verlieren. ­Manche Zoos geben den zurück­bleibenden Tieren, z.B. Elefanten oder Schimpansen, mittlerweile Gelegenheit, sich von verstorbenen Tieren zu verabschieden.

Die Anthropologin, Dr. Barbara King, die dem Phänomen der ­Trauer bei ­Tieren zunächst sehr ­skeptisch gegenüberstand, änderte ihre ­Meinung nach ihrer zweijährigen Recherche radikal. Sie ist heute der Ansicht, dass Säugetiere eine gemeinsame biologische Basis für Trauer besitzen. Sie schlägt in ihrem Buch „How Animals Grief“ für die Definition von Trauer bei Tieren zwei Kriterien vor:
(1) Vor dem Tod verbringen die Tiere freiwillig Zeit mit gemeinsamen Aktivitäten. Diese gemeinsamen Handlungen gehen über das für das Überleben wichtige Verhalten, wie beispielsweise Futtersuche, hinaus.
(2) Wenn einer der Partner stirbt, verändert der Überlebende sein Verhalten. Er verbringt vielleicht mehr oder weniger Zeit mit Essen und Schlafen und zeigt eine veränderte Körperhaltung und Mimik, die bezeichnend für Unruhe, Unwohlsein oder Depression ist. Das erste von Dr. King vorgeschlagene Kriterium kennzeichnet eine Bindung, das zweite die Reaktion auf eine Trennung vom Bindungspartner, und tatsächlich hängen Bindung, Liebe und Trauer eng zusammen.

Trauernde Mütter
Wendet man Dr. Kings Kriterien an, kann man in Zoos Trauer bei den Tiermüttern beobachten, deren Jungtiere sterben. Das Junge wird nach dem Tod von der Mutter zunächst mit zunehmender Intensität gehalten, getragen oder in unmittelbarer Nähe behalten, bevor die Mutter sich schließlich von ihm abwendet. Ein Beispiel dafür war die Gorillamutter Gana 2008 im Zoo Münster mit ihrem im Alter von drei Monaten verstorbenen Sohn Claudio. Wer das Bild von Gana mit Claudio betrachtet, sieht unzweifelhaft eine trauernde Mutter mit ihrem toten Kind.

Das Tragen ihres toten Kindes durch die trauernde Mutter wird auch bei anderen Tierarten, z.B. Schimpansen, Lemuren und Delfinen, be­obachtet. In einer aktuellen Feldstudie von einer Dingofamilie, bestehend aus der ­Mutter und ihren fünf drei Monate alten Welpen in Queensland, ­Australien, wird erstmals das Tragen eines toten Jungtieres bei einem ­Caniden dokumentiert. Einer der Welpen wurde vermutlich von einer Schlange gebissen. Die Mutter reagierte mit Schnüffeln, Winseln und aufgerichteten Haaren auf den sterbenden Welpen, die Geschwister mit Bepföteln, Schnüffeln und gedämpftem Bellen. Nach dem Tod hielt sich die Mutter in unmittelbarer Nähe des toten Welpen auf und trug ihn über zwei Tage und bei mindestens vier Ortswechseln mit zum neuen Aufenthaltsort. Außerdem schliefen Mutter und Geschwister in der Nähe des toten Welpen.

In einem anderen zufällig aufgenommenen Video sieht man eine Hündin, die zu ihren drei Welpen zurückkehrt, die regungslos zwischen Zigarettenkippen und Abfall auf der Seite liegen. Sie wendet sich sofort einem Welpen auf der linken Seite zu, wirkt verunsichert: mit langem Hals beschnüffelt und beleckt sie ihn lange hektisch im Schnauzen-Halsbereich, später auch in der Analregion. Sie umrundet wiederholt den Welpen mit gesenktem Kopf und hängendem Schwanz und betrachtet ihn zwischendurch immer wieder einige Zeit regungslos. Sie stupst ihn mit der Schnauze an, versucht vergeblich ihn aufzurichten. Die Mutter wirkt ruhelos und stark gestresst. Sie hechelt stark, leckt sich häufig Lippen und Nase, läuft mit hängendem Schwanz, in geduckter Haltung. Sie legt sich in der Nähe hin, beobachtet diesen einen Welpen, kehrt zu ihm zurück und beginnt erneut mit Schnüffeln, Belecken und Anstupsen. Spätestens wenn sich die Welpen auf der rechten Seite bewegen, wird für den menschlichen Betrachter deutlich, was für die Mutter offensichtlich war: der Welpe auf der linken Seite ist tot, während die anderen genauso regungslosen Welpen nur geschlafen haben.

Beobachtungen bei Caniden nach dem Tod eines Gefährten
Am Morgen des 7. November des Vorjahres wurde in der Lausitz (­Sachsen), auf der Bundesstraße 156 zwischen Weißwasser und Boxberg, eine etwa sechs Monate alte Jung­wölfin von einem Auto erfasst und getötet. Die hinzugerufenen Polizeibeamten beobachteten kurze Zeit später einen zweiten Jungwolf, der den Körper der getöteten Wölfin von der Straße zum Waldrand zog und begann, ihn zu begraben. Als die Polizisten sich ihm näherten, fletschte er die Zähne. Als die dazugerufene Wolfsexpertin Ilka Reinhardt am Unfallort eintraf, zog sich der Jungwolf – nach Einschätzung der Expertin wahrscheinlich der Bruder der getöteten Wölfin – in den Wald zurück.

Bei Wildtieren wird Trauer beim Tod von Familienangehörigen, Freunden oder dem Partner beobachtet. Boyd beobachtete beispielsweise wilde Wölfe, die die Körper von zwei Wochen alten Welpen vergruben. Günther Bloch beschreibt, wie die Streunerhündin Lilly für ihren durch starken Parasitenbefall gestorbenen fünfwöchigen Welpen ein Erdloch aushob, ihn hineinlegte und mit Laub bedeckte. Anschließend legte sie sich mehrere Stunden mit leidendem Gesichtsausdruck neben das Grab. In den folgenden Tagen wirkte sie aufgewühlt, fraß kaum, lief rastlos, in geduckter Körperhaltung, mit traurigem Gesichtsausdruck und angelegten Hängeohren zielgerichtet zum Grab, wo sie sich in den nächsten vier Tagen tagsüber ­mindestens 27,5 Stunden aufhielt. Ferner berichtet er von einem 1,5-minütigen Gruppenheulen der ganzen Gruppe im betreffenden Waldstück.

Von Wölfen berichtet Bloch, dass Wolfsfamilien nach dem Tod eines Rudelmitglieds unruhiges Verhalten, Einzel- und Chorheulen äußern, und er beobachtete, dass sie häufig zu bevorzugten Aufenthaltsorten der Verstorbenen liefen und dort nach ihnen suchten. Jedoch muss man das Heulen selber, so traurig es klingt (auch wenn ein Hund die ganze Nachbarschaft von der kurzen Abwesenheit seines Menschen informiert), zunächst noch als „Stimmfühlungslaut“ betrachten. Konrad Lorenz hat diese Stimmfühlungslaute mit den Worten „Hier bin ich, wo bist Du?“ übersetzt. Beobachtungen, auch von Günther Bloch, zeigen ja z. B., dass Wölfe, die den Anschluss an das Rudel verloren haben, durch dieses Heulen wie Flugzeuge durch einen Peilstrahl wieder zum Rudel zurückgelotst werden. Erst wenn die Stimmfühlungs­laute nicht beantwortet werden, setzt die Protestphase der Trennungs­reaktion ein.

Bloch erzählt auch vom Wolfsrüden Stone, der 14 Tage nach dem Tod seiner Gefährtin tot aufgefunden wurde, dessen Obduktion eine gute Kondition und keine nennenswerten Verletzungen ergab und dessen Todesursache rätselhaft blieb. Hier war dann offenbar die Depressionsphase tödlich.

Wie Haus- und Straßenhunde auf den Tod reagieren
Es gibt Berichte von Hunden, die nach dem Tod ihres Menschen ein verändertes Verhalten zeigten, die nicht mehr fraßen, den Verstorbenen über einen längeren Zeitraum suchten, ihre Schlafposition veränderten und sich nach dem Tod bevorzugt auf dessen Lieblingsplatz aufhielten. Im August 2011 zelebrierten 1.500 Trauergäste in Rockford (Iowa, USA) die Beerdigungszeremonie von Jon Tumilson, einem amerikanischen Soldaten, der in Afghanistan gefallen war. Sein Sarg war vorne für die Trauergäste gut sichtbar aufgebahrt, sodass alle verfolgen konnten, wie Hawkeye, der Labrador des Verstorbenen, nach vorne lief, sich in der Nähe des Sarges hinlegte und diesen Platz während der gesamten Trauerzeremonie nicht verließ.

Es gibt ebenfalls Videos und Berichte von Hunden, die trauern, nachdem Katzen, Esel, Vögel, Biber oder andere Tiere, mit denen sie ­zusammenlebten oder befreundet waren, starben. Natürlich existieren auch Berichte und Videos von Hunden, die nach dem Verlust eines vertrauten Hundes trauern. Da gibt es die Mutterhündin, die nach der Futtersuche zu dem Platz zurückkehrte, an dem sie die Welpen zurückgelassen hatte und diese tot vorfand, die nach Augenzeugen­berichten zusammenbrach und mehrere Tage regungslos neben den toten Welpen verbrachte.

Für die Schockreaktion unmittelbar nach dem Tod des Bindungspartners, das Nicht-Wahrhabenwollen des Todes, die vergeblichen Versuche ihn aufzurichten, ihm eine ­Reaktion zu entlocken oder ihn mit dem eigenen Körper zu wärmen, gibt es dokumentierte Beispiele. Die Hunde beschnüffeln und belecken den toten Gefährten, stupsen ihn mit der Nase an, scharren mit den Vorderpfoten in seinem Fell, schieben die Schnauze unter seinen Körper und versuchen ihn mit Pfoten und Schnauze aufzurichten und von der Straße zu ziehen. Haltung und Mimik (Stressgesicht) vermitteln Ratlosigkeit und großen Stress. ­Dieses Verhalten dem toten Gefährten gegenüber unterscheidet sich sowohl in der Art (Scharren) als auch der Intensität (Stupsen) vom Verhalten gegenüber lebenden Artgenossen.

Nachdem sie die Versuche, den toten Gefährten „wiederzubeleben“, aufgegeben haben, verharren die Straßenhunde teilweise tagelang auf, neben oder in unmittelbarer Nähe ihres toten Gefährten. Sie winseln und jaulen und legen sich – teilweise mitten auf einer befahrenen Straße – neben ihn. Sie liegen in engem Körperkontakt relativ unbeweglich neben oder sogar auf dem toten Tier oder in unmittelbarer Nähe. Nähert sich ein Mensch, be­wachen sie es teilweise und teilweise drehen sie sich hilfesuchend zum Menschen um. Körperhaltung und Mimik vermitteln hier einen depressiven Eindruck.

Berichte und Videos über Reaktionen von Haushunden auf den Tod eines vertrauten Hundes reichen von keiner sichtbaren Reaktion über Fälle von monatelangem intensiven Trauern und depressionsähnlichem Verhalten, bis hin zu den Fällen, in denen Hunde einige Zeit nach ihrem verstorbenen Kumpel starben. Was bei den Videos auffällt ist, dass es sich bei sehr eindeutigen Fällen von Trauer um Artgenossen häufig um ­Straßenhunde handelt. Eine mögliche Erklärung dafür, auf die auch Barbara King hinweist, wäre die stärkere Bindung des Haushundes an den Menschen als an Artgenossen, auf die ein Haushund nicht, ein Straßenhund aber sehr wohl angewiesen ist. Eine andere Erklärung ist, dass beim Tod eines Haushundes der Halter selbst emotional involviert ist, während zu Straßenhunden eine größere emotionale Distanz besteht, die das Beobachten und Filmen möglich macht. Zudem findet die Trauer bei Familienhunden eben oft auch im Haus und in der Familie statt, wo sie nicht immer so deutlich erkennbar ist. In der Verhaltensberatung gibt es jedenfalls immer wieder Fälle von Hunden, die oft monatelang nach Verlust des Zweithundes im Verhalten verändert sind und in der Verzweiflungsphase verharren. Sie tragen z.B. dessen Lieblingsdecke oder Plüschtier mit sich herum, haben keine Lust zu Spielen, Gruppenstunden, Fressen oder Sport. Bemerkenswerterweise ändert diese Trauerraktion aber die Grundpersönlichkeit meist nicht. Hier ist wichtig, dass die Menschen dann auch medizinische und ­therapeutische Hilfsmaßnahmen für ihren Hund erwägen.

Auch wenn es viele Beobachtungen zur Trauer bei Tieren gibt, fehlt bisher eine systematische Forschung. Die Anthropologin Barbara J. King schreibt dazu in ihrem Buch: „Wir werden Trauer bei Tieren nur finden, wenn wir auch danach suchen.“

HINTERGRUND

Was ist Trauer?
Darüber, was Trauer ist, haben wir alle ein gewisses Vorverständnis. Doch wie sieht die Wissenschaft die Trauer?

Trauer ist ein innerer Anpassungs­prozess an den Verlust eines Bindungspartners und stellt eine psychische und physische Belastung des Organismus dar, der den Verlust des Bindungspartners als Stress erlebt. Er reagiert mit einem geschwächten Immunsystem, das ihn anfälliger für Krankheiten macht. Es wird nicht nur von Menschen, Wölfen und Hunden berichtet, die nach dem Verlust des Partners an „gebrochenem Herzen“ starben.

Broken-Heart-Syndrom
Das „Broken-Heart-Syndrom“ existiert tatsächlich und ist eine infarktartige Störung des Herzmuskels auf Grund von starkem emotionalen Stress. Bei der Entstehung von Trauer scheinen sog. Spindelzellen eine Rolle zu spielen. Beim Menschen finden sich Spindelzellen auch in evolutionär alten Gehirnstrukturen, die an der Schmerzwahrnehmung beteiligt sind und die wir mit allen Säugetieren teilen. Spindelzellen sind bisher bei Menschen, Menschenaffen, Elefanten, Delfinen, Walen und Makaken nachgewiesen worden.

Die Trauerreaktion des Menschen besteht aus mehreren Phasen, die nicht unbedingt chronologisch sondern ­wellenförmig auftreten: (1) Schock und Nichtwahrhabenwollen unmittelbar nach dem Tod, (2) die emotionale Phase, die mit Sehnsucht, Wut, Angst, Ruhe­losigkeit und Schlafstörungen verbunden ist und (3) die Phase, in der der Verlust akzeptiert wird und sich der Trauernde wieder dem Leben zuwendet. Falls dies nicht gelingt, kann die Trauer in eine Depression übergehen. Es gibt Hinweise darauf, dass Hunde nach dem Verlust des Bindungspartners in ähn­licher Form trauern.

Im nächsten WUFF: Warum leidet ein Tier bei Verlust des Partners? Trennungsschmerz als Preis für Bindung und Liebe. Wie erkennen Sie Trauer bei Ihrem Hund und wie kann man ihm helfen? Dies und mehr im zweiten und abschließenden Teil des Artikels.

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