Treibball – Mehr als nur Bälle schubsen

Von Bärbl Runggaldier

Treibball ist eine sinnvolle Beschäftigung und nicht nur für Hütehunde geeignet. Es ist eine Ergänzung zu vielen anderen ­Hundebeschäftigungen und Hundesport­arten. Ziel bei Treibball ist es, Gymnastikbälle („Schafe“), die auf einem Spielfeld (Wiese) in beliebiger Anordnung ausgelegt sind, in Zusammenarbeit von Mensch und Hund in ein Tor (Gatter) zu bringen.

Zielgerichtetes Treiben erreicht das Team, indem der Mensch Stimme und Handgesten einsetzt und der Hund auf diese Anweisungen achten muss. Für Mensch und Hund bedeutet dies enge Zusammenarbeit, um das gemeinsame Ziel (alle Bälle ins Tor zu treiben) zu erreichen. Es bedarf eines großen Geschicks, die exakt richtigen Signale für den Hund verständlich zu machen. Der Hund wiederum lernt, auf diese zu achten und besser zu hören. ­Dabei ist die richtige Körperhaltung wichtig, wie zum Beispiel den Hund beim Kommando „sitz“ nicht zu bedrängen oder auf Entfernung die korrekten Richtungssignale einzusetzen. So heißt es für den Menschen sich zu konzentrieren, um die Kommandos und Aufgaben richtig zu übermitteln. Dies soll sehr ruhig geschehen, ohne Hektik, ohne Schimpfen und Schreien, mit viel Spaß an der Arbeit und freundlicher Stimme. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Arbeit mit dem Hund weitgehend unsere Freizeit betrifft, und die sollten wir mit viel Freude gemeinsam mit unserem vierpfotigen Freund verbringen!

Fantasie und Disziplin gefragt
Eine sinnvolle Arbeit – zu der ich Treibball zähle – ist für unsere Hunde nachvollziehbar, was aber auch bedeutet, dass wir sie ernst nehmen müssen, um von ihnen ernst genommen zu werden. Lassen wir Routine einkehren, wird uns der Hund schnell durchschauen und uns austricksen, indem er vorschnell und eigenmächtig handelt. Arbeiten wir jedoch bei Treibball für ihn völlig unberechenbar, mit wechselnden Anweisungskombinationen, wird unser Hund gespannt und motiviert auf unsere Anweisungen warten und sie beachten. Dazu brauchen wir Menschen mit viel Fantasie und Disziplin, und schon bald haben wir einen Hund als Treibballer, der gerne mit uns arbeitet und nach Anweisung korrekt die Bälle ins Tor stupst oder den Futterbeutel bringt. Kombiniert man viele unterschiedliche Aktivitäten mit den Bällen, wird das Zuhören und Aufpassen deutlich geschult. So heißt es manchmal auch einfach nur „treib“ (den Ball). Liegt ein Ball auf dem Feld und daneben ein Futterbeutel, dann muss der Ball auf Anweisung liegen bleiben und der Dummy gebracht werden.

Natürlich kann man an Stelle des Dummys sich auch ein Spielzeug oder einen ausgestopften alten Socken ­bringen lassen. Wichtig ist jedoch, dass der Hundehalter Signale, Motivationsgegenstände oder Dinge verwendet, zu denen er selbst steht und von denen er überzeugt ist. Fantasie kombiniert mit Ruhe ist das oberste Gebot. Lassen Sie den Hund nicht mit Zeitdruck und Stoppuhr den Bällen hinterher hetzen. Zeitdruck bringt das Team nur unter Druck. Gerade das ist niemals der Sinn meiner Treibballarbeit!

Ohne Druck gehts besser
In der Ruhe bei der Arbeit und der Unberechenbarkeit in Bezug auf die Aufgabenstellung liegt die Lösung für Treibball, die das Team zusammen­schweißt. Kommunikation wird ganz groß geschrieben. Eine Beziehung, die wir mit unserem Hund erreichen wollen, schaffen wir nie durch Druck und Machtgehabe. Wenn in einer menschlichen Beziehung nicht mehr gesprochen und diskutiert wird, sondern jeder nur für sich und seine eigenen Bedürfnisse lebt, ist die Beziehung aus dem Gleichgewicht, die Gemeinsamkeit reduziert. Genauso verhält es sich, wenn Hund und Halter nur nebeneinander herlaufen, der Hund sich selbst z.B. mit Schnüffeln beschäftigt oder alleine ­einem Hasen hinterherläuft, während der Mensch nebenher telefoniert oder sich unterhält.

Thema Futterbeutel
Wir wollen und sollen mit unserem Hund ein Team sein, was nur funktioniert, wenn jeder seine Meinung äußern darf. So wird beim Treibball sofort diskutiert, sobald beispielsweise ein Futterbeutel mit ins Spiel kommt, da dieser für den Hund als Beute gilt, die zum „Überleben“ wichtig ist. Es ist dann die Aufgabe des Menschen, den Hund davon zu überzeugen, dass erst der Ball ins Tor gebracht und erst dann der Dummy geholt wird. Das schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit! Natürlich kann es sein, dass der Hund glaubt, er müsse nicht mit uns zusammenarbeiten und eine gewisse Lustlosigkeit zeigt. In diesem Fall sind Ruhepausen auch ­außerhalb des Treibplatzes notwendig, die jedoch nur als Gedankenpause ge­sehen werden sollten, nicht als Ausschluss von der Gemeinschaft.

Kontrolliertes Jagen
Ausgesprochen wichtig ist es, dass jeder Hund die Chance bekommt, seine Treibballjagd nicht unter Konkurrenz eines anderen Hundes, sondern nur mit ­seinem Menschen auszuüben. Treibball ist eine Art Jagd, die kontrolliert durch uns Menschen ausgeführt wird, jedoch ohne Endsequenz des „Tötens“. Jagdgene bringt jeder Hund in unterschiedlicher Ausprägung mit. Es gibt nichts Besseres, als gemeinsam kontrolliert jagen zu gehen, anstatt stundenlang auf einen Hund warten zu müssen, bis er freiwillig von „seiner Jagd“ zurückkehrt. Somit kann man einen „Jäger“ zur kontrollierten Arbeit, zu kontrolliertem „Jagen“ bringen.

Ich arbeite immer nur mit einem Mensch-Hund-Team auf dem Platz, da das Treiben für Mensch wie Hund sehr viel Konzentration und Ruhe erfordert. Noch etwas zur Bestätigung bei der Arbeit: Da Treibball eine sehr ernsthafte Aufgabe für den Hund bedeutet, macht es für ihn wenig Sinn, diese ständig mit Leckerligaben zu unterbrechen. Ebenso wird die Distanzarbeit auch kaum effektiv sein, wenn wir den Hunden ständig in die Ohren klickern. Ein leises „fein“, „klasse“ oder „prima“ mit freundlicher Stimme ermutigt den Hund, seine Arbeit zu vollenden. Danach besteht die Belohnung in einem Such- oder Hetzspiel mit dem Futterbeutel. Zum Schluss kann als Ende der „Jagd“ die Mahlzeit des Tages gefüttert werden.

Vielen Menschen ist nicht bewusst, ­welche geistige und körperliche Leistung der Hund bei Treibball abruft. Treibball ist ein Abverlangen höchster Konzentration, da der Hund ständig auf die Anweisungen seines Menschen ­hören und entsprechend agieren soll. Auch eine Menge Geduld seitens des Hundes gehört dazu, da die Anweisungen des Menschen ständig wechseln. Es ist für den Hund kein eingelernter gleich­mäßiger Ablauf der Arbeit zu erkennen: Der Mensch ist unberechenbar, und da heißt es aufzupassen, um die richtige Arbeit erledigen zu können.

Weniger ist mehr
Ein Hund, der ständig bellt, kann die Signale von Frauchen / Herrchen nicht richtig wahrnehmen und verstehen. Deshalb ist auf ruhiges Arbeiten großer Wert zu legen. Da so viel Konzentration nötig ist, sollten die Übungseinheiten zu Beginn kurz gehalten werden. Weniger ist mehr, denn auch Konzentrations­fähigkeit muss erst geschult werden. Es gibt Hunde und Hunderassen, die „laut treiben“. Auch das ist erlaubt. Jedoch muss unterschieden werden, ob der Hund ein „Treibbellen“ hat oder ein „forderndes Motzen“ gegenüber dem Menschen. Letzteres muss man unterbinden. Die Art des Stupsens ist von Hund zu Hund unterschiedlich: Der Eine stupst mit offenem weitem Maul, was jedoch vom Menschen kontrolliert werden muss (weil es vom Zubeißen nicht weit entfernt ist), jedoch die optimale Angriffsfläche und Kontrolle des Balles bietet.

Andere Hunde stupsen ganz fein mit der Nasenspitze, wieder andere mit Wange oder Körper. Diese Techniken erarbeiten sich die Hunde selbst. Meist sind die Hunde Befehlsempfänger. „Sitz, „platz“, „aus“ funktionieren wie am Schnürchen. Beim Treibball heißt es für den Hund, selbst Lösungen zu finden. Wie bring‘ ich den Ball aus einer Ecke, wie hole ich einen Beutel oder ein Spiel, einen Dummy aus dem Bällemeer, welcher Ball soll jetzt gestupst werden usw.? Um das zu erreichen, sind wir Menschen natürlich auch gefordert, dem Hund sinnvolle und richtige Signale zu geben. Unser Hund hat Vertrauen oder baut beständig Vertrauen zu uns auf. „Will to please“ zeichnet unsere Hunde fast immer aus, sie werden so, wie wir Menschen sie biegen, sie Übungen, Grundgehorsam und Anstand lehren. Treibball ist ein Miteinander, keine ­Einzelarbeit oder gar ein Gegen­einander! Das Team arbeitet gemeinsam eine sinnvolle Arbeit aus. Keiner soll für sich arbeiten, selbststimulierend auf den Ball gehen ist ein „No-go“.
Es geht also für das Mensch/Hund-Team immer darum zu kommunizieren, miteinander zu sprechen, zuzuhören, aufmerksam zu sein, zueinander zu schauen, mit wenigen Signalen ­effektiv zusammen zu arbeiten. Gerade das gemeinsame Tun, das Kooperieren, gemeinsam ein Ziel zu haben, ist es, was das Team Mensch/Hund zusammenschweißt.

Es gibt für ein Team nichts Schöneres, als etwas Sinnvolles, Artgerechtes zusammen mit dem Hund an frischer Luft zu erleben. Gemeinsam Erfolg zu haben, das macht aus Einzelgängern (Spaziergängern) ein zufriedenes Team. Treibball ist eine optimale und beziehungsorientierte Zusammenarbeit mit viel Spaß als Voraussetzung.

Das macht Treibball so interessant und spannend
Treibball eignet sich für Hunde unterschiedlichster Rassen und Größe, nicht nur für Hütehunde. Ab der 12. Woche bis ins hohe Alter können sogar Hunde mit Behinderungen diesen schönen Sport mit ihrem Menschen ausüben. Einzelne Aktivitäten können in Aufgabe und Tempo variiert und auf den jeweiligen Hund und seinen Menschen abgestimmt werden. Treibball setzt sich aus vielen kleinen Übungen zusammen, die kombiniert werden können, wobei die richtige und professionelle Einführung eines erfahrenen und ausgebildeten Treibball-Trainers ausgesprochen wichtig ist, damit der Hund nicht Angst vor den großen Bällen bekommt oder aus Frust die „Schafe“ zerbeißt.

Die ersten Schritte in die spannende Treibballwelt
Die ersten Übungen werden zu Beginn an der Schleppleine mit einem Brustgeschirr ausgeführt. Sobald der Hund aufmerksam ist, kann die Leine weggelassen werden. Wie ein Hütehund seine Schafe, soll auch unser Hund die Bälle mit Respekt behandeln. Da sie unser Eigentum sind, geht er nur mit uns gemeinsam an die Arbeit. Dazu laufen wir mit ihm gemeinsam durch die Bälle. Er darf sie nicht anstupsen, wir verhindern das notfalls durch ein Abbruch-Signal. So lernt der Hund zuerst die ruhig liegenden Bälle kennen.

In einem nächsten Schritt wird der Hund abgelegt und der Mensch arbeitet alleine. Nach und nach werden die Bälle langsam gerollt, indem sie unten am Boden mit dem Handrücken bewegt werden. Dabei wird der Ball niemals oben mit der Hand gerollt, denn der Hund lernt auch nach Vorbild und ­würde später selbst die Pfote zum Treiben verwenden und damit Risse im Ball verursachen. Für den Hund bedeutet es eine extreme Körperbeherrschung, wenn er liegen bleiben muss und Sie die Bälle schieben und rollen, dann zuerst leicht und später scharf mit dem Fuß kicken (natürlich niemals in Richtung des Hundes!). Es bedeutet für die meisten Hunde höchste Zurückhaltung, nicht dem Ball, der Beute, hinterher hetzen zu dürfen. Diese Impulskontrolle ist aber für Treibball eine wichtige Voraussetzung!

Der erste Ballkontakt
Die Bälle müssen fest aufgepumpt sein, damit sie vom Hund leichter gestupst werden können. Der Rollwiderstand ist im prallen Zustand geringer und der Hund kann nicht so leicht in den Ball beißen. Achten Sie auf ein langsames Kennenlernen der Bälle, da sie durch ihre Größe bedrohlich wirken können und auch jegliches Geräusch laute Resonanz bekommt! Der Hund wird an der Leine geführt, um seinen Umgang mit dem Ball kontrollieren zu können. Zeigt der Hund Interesse am Ball, wird ihm gezeigt (unten am Boden des Balles), wo er den Ball stupsen darf. Versucht Ihr Hund den Ball (das „Schaf“) zu „töten“, wird der erste Ansatz mit einem deut­lichen Signal abgebrochen und eine kurze Unterbrechung folgt (Mensch setzt sich auf den Ball). Der Hund darf nie ohne Anweisung den Ball berühren! Um das Anstupsen dem Hund besser erklären zu können und ihm die Angst vor dem Ball zu nehmen, wird beispielsweise ein Autoreifen zur Hilfe genommen. Unter dem Ball, der auf dem Reifen liegt, wird ein Dummy als Lockmittel versteckt. Hat der Hund den Ball weggestupst, hat er damit ein Erfolgserlebnis, wenn er den Beutel findet. Dadurch wird er motiviert, den Ball selbst zu bewegen.

Erfolgserlebnisse statt Frust
Anfangs wird der Hund nicht in der Lage sein, den Ball in eine ­bestimmte Richtung zu schieben. Um ihm die ersten Stupser zu erleichtern, kann mit Absperrungen eine Gasse aufgebaut werden, die einerseits die Richtung für den Ball vorgibt, andererseits dem Hund das Erfolgserlebnis bietet, den Ball ­gezielt bewegt zu haben. Das Erlernen des gezielten Treibens wird für Mensch und Hund eine Gratwanderung. Zum ­Einen muss dem Hund die ­Möglichkeit ­gegeben werden, die Technik für sich zu erlernen, zum Anderen muss der Mensch den Hund steuern, damit er keinen Frust aufbaut, wenn zum Beispiel der Ball in einer Ecke steckenbleibt. Gerade im Stadium des gezielten Treibens werden die Geduld und das Einfühlungsvermögen des Menschen auf eine harte Probe gestellt.

Beherzigen Sie die zahlreichen Ideen und Vorschläge dieses Artikels, werden Sie mit Treibball eine vielseitige und artgerechte Beschäftigung für Ihren Hund gefunden haben, durch die Sie durch eine verstärkte Beziehung und Bindung zu Ihrem Hund belohnt werden. Haben Sie Geduld. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Die langsame, ruhige Arbeit ist bei Treibball das A & O, kombiniert mit einem kompetenten, gutgeschulten Treibball-Trainer, der selbst mit seinem Hund die Bälle schiebt.

Na, ist Ihre Neugierde an Treibball ­geweckt?

Information
Was benötigt man, um Treibball ausüben zu können?

Erste Hilfsmittel sind Leine oder Target, als Hilfestellung zum Richtungsweisen.
Anfangs reichen 2 Gymnastikbälle in der Größe zwischen 45 und 85 cm, vorzugsweise 55 cm oder 65 cm für das Richtungsweisen „rechts“ und „links“. Sie werden im Handel in unterschiedlichen Qualitäten und Materialien angeboten.
Hier ein wichtiger Einwand als langjährige Treibball-Trainerin:
Bitte verwenden Sie niemals den Hartplastikball, den sogenannten Schweineball, oder das Running Egg und lassen Sie Ihren Hund nicht mit diesem Ballersatz unbeaufsichtigt! Die Folgen dieses Spiels sind fatal: Der Hund kann sich an der Nase verletzten und bleibende Schäden an den Zähnen davontragen.
Außerdem benötigen Sie eine gemähte ebene Wiese, die mit einem Zaun aus Weidezaunstäben und Balkonbespannungen begrenzt werden kann. Ein Tor kann somit auch abgesteckt werden.
Nicht zu vergessen sind Bestätigungsgegenstände wie Spieli, Leckerli, Dummy oder Futterbeutel.

Pdf zu diesem Artikel: treibball

 

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