Traum oder Alptraum?

Von Iris Strassmann

Zu Beginn unserer kleinen Serie erhalten Sie einen Eindruck vom größten der Britischen Hütehunde, dem "Old English Sheepdog", auch "Bobtail" genannt. Dieser englische Begriff deutet darauf hin, dass man ihn früher in seinem Ursprungsland Großbritannien durch nahezu vollständiges Kupieren der Rute als Arbeitshund kennzeichnete, um ihn von der Steuer zu befreien. Im deutschsprachigen Raum hat sich dieser so gemütlich und lustig klingende Name auch nach dem endgültigen Kupierverbot durchgesetzt, während international und auch im World Wide Web mit den unzähligen Hundeseiten die korrekte FCI-Rassebezeichnung "Old English Sheepdog" ( "OES" ) üblich ist. (Siehe Auszüge aus dem FCI-Standard!)

Wesen aus einer anderen Welt!
Der erste Eindruck beim Anblick eines gut gepflegten, aber nicht "überstylten", Bobtails ist überwältigend: Haare, Haare, nichts als Haare, strahlend weiß mit dunklen Abzeichen und einer geschlossenen "Decke" vom zartesten Blaugrau bis zum tiefsten Schwarz des Junghundes. Eine große lackschwarze Nase und eine rosa Zunge sind ganz typische "besondere Kennzeichen" eines Bobtails. Die wunderschönen Augen sind allerdings meistens nur hinter einem dichten "Vorhang" zu erahnen, es sei denn, die üppige Haarpracht wäre zu einem "Zöpfchen" gebunden für freie Sicht. "Guck mal, Mami, der hat ja eine "Springbrunnenfrisur", so der Kommentar eines kleinen Buben mit begeistert ausgestreckten Ärmchen. – Das war allerdings zu einer Zeit, als die Menschen in Deutschland noch unbefangen auf die Hunde zugingen. Heute zerren besonders viele junge Mütter ihre Kinder selbst von einem Bobtail weg, der erwiesenermaßen sehr kinderfreundlich ist, der typische "Nanny Dog".

Ich will einen Plüschhund!
So oder ähnlich mag der Beginn einer großen, lebenslangen Liebe oder einer Katastrophe für Mensch und Hund gewesen sein. Kaum jemand vermag sich nämlich dem Zauber eines Bobtailwelpen zu entziehen, so dass es leider immer wieder zu unüberlegten Spontankäufen kommt. Der gute, verantwortungsbewusste Züchter allerdings sucht die zukünftigen Besitzer seiner Welpen sehr sorgfältig aus, unterzieht sie einem "Härtetest" mit seinen erwachsenen, manchmal auch nassen, Bobtails, lässt die gesamte Familie anreisen, oft sogar mehrmals, überprüft ihre Einstellung zu Hunden sehr gründlich, besonders was solche "Fellmonster" betrifft, und sagt notfalls "Nein!", wodurch er sich nicht gerade beliebt macht, aber sicher so manch trauriges Hundeschicksal verhindert.

Bobtail – Traumhund fürs ganze Leben!
Wenn man nun das Glück hat, einen Welpen bei einem guten Züchter (nicht im Zoohandel!) zu erhalten, und wenn man dann "bobtail-tauglich" ist, gute Nerven, viel Humor, eine gute Waschmaschine und viel Geduld hat, dann hat man das große Los gezogen und den Traumhund fürs ganze Leben gefunden! Zwar wird man nicht immer besonders begeistert sein, wenn man feststellt, dass der regennasse "Kumpel" unbemerkt blitzschnell das frisch bezogene Federbett zu einem riesigen Berg zusammengescharrt und sich mit seinem schmutzigen nassen Bauch zum Trocknen mitten darauf gelegt hat und einen nun frech "angrinst", aber das Glücksgefühl überwiegt: Wir haben ihn, den Traumhund fürs ganze Leben! Entweder "Bobtail forever!" oder "Hände weg! Forget it!"

Fazit: Fragen über Fragen!
Der Rassestandard beschreibt mit dem Bobtail den Idealhund schlechthin. Also dürfte es keine besonderen Probleme geben, wenn man nach der "Papierform" ginge! Vorzüge hat der Bobtail viele, Nachteile aber auch. Auswahlkriterien beim Welpenkauf sind zum einen wohl das üppige Fell, das sehr viel Pflege benötigt, die oft sehr zeitraubend ist, aber auch zu einer innigeren Beziehung zum Hund führt, wenn sie als "Schmusestunde" genutzt wird und gleichzeitig als Therapie für den Halter, dessen Blutdruck sinkt bei der Berührung des seidigen Fells. Der Schmutz, der in die Wohnung hereingetragen wird, und die von Büschen und Gräsern abgestreiften und oft lange im Fell verborgenen Zecken oder Flöhe sind auch nicht jedermanns Sache.
Der Bobtail ist zwar von seinem Ursprung her ein echter Gebrauchshund, aber wozu will ich ihn gebrauchen? Was erwarte ich von ihm? Will ich einen tadellos parierenden Befehlsempfänger, oder darf mein Hund auch schon einmal selbst entscheiden, was er gerne tun möchte? Es ist wirklich ganz besonders wichtig, wie bei allen anderen Hunden auch, vorher genau zu wissen, was mich bei einem Bobtail erwartet, um eine Fehlentscheidung zu verhindern und keinen "Fall" für "Bobtail in Not" zu "produzieren". Passe ich zu einem Bobtail oder er zu mir?
Wie bei jeder Hundeanschaffung sollte man sich vorher gründlich informieren. Literatur und höchst informative Internetseiten zum "Old English Sheepdog"/"Bobtail" gibt es genug. (Siehe Info-Kasten!) Die Bobtailzüchter und auch -halter selber sind immer gerne bereit, Ihnen ausführlich Rede und Antwort zu stehen.
Eines aber ist besonders bei dieser pflegeintensiven Rasse mit dem zauberhaften Plüschtierimage des Welpen ganz klar: In den richtigen Händen ist der Bobtail ein Traumhund.

>>> WUFF – INFORMATION

Zur Geschichte des Bobtails

Die Herkunft des größten der Britischen Hütehunde ist nicht vollständig zu klären. Sicher ist, dass man verschiedene Hunde miteinander kreuzte, um diese robuste, wetterfeste Rasse zu erhalten.
Die brisanteste Theorie spricht davon, dass der Südrussische Owtscharka, der dem Bobtail täuschend ähnlich sieht, wenn auch ohne die typische schwarze "Decke", bei der Entstehung dieser Rasse der FCI-Gruppe I beteiligt gewesen sein soll!

1888 wurde der "Old English Sheepdog Club" in England gegründet, der dann einige Jahre später den Rassestandard für den Bobtail aufstellte, der in nahezu unveränderter Form bis in unsere Zeit galt und erst am 24. Juni 1987 neu gefasst wurde. Wegen der unterschiedlichen Tierschutzgesetze in den einzelnen Ländern gibt der FCI-Standard für das Kupieren der Rute ("Bobtail") nur die Empfehlung, überlässt die Ausführung dann den angeschlossenen Landesverbänden.

Leider hat sich das äußere Bild des Bobtails, besonders auf Ausstellungen, hin zu einem unförmigen Fellberg entwickelt, der manchmal höchst abartig gestylt ist und dann der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Außerdem weiß man nie, ob man nicht durch verbotenes Eingreifen, z.B. Schneiden, bewusst betrogen wird. Nicht jeder Richter hat den Mut, resolut in das schön toupierte und "geweißte" Fell hineinzugreifen, um notfalls zu fühlen, was wirklich "Sache ist"! Über dieses Thema folgt in einer der nächsten WUFF-Ausgaben ein eigener Beitrag.

>>> RASSESTANDARD

Auszug aus dem Rassestandard (FCI Nr. 16)

• Mindestgröße von 61 cm für Rüden und 56 cm für Hündinnen
• Kräftig, nahezu quadratisch und symmetrisch, mit gut bemuskelten Gliedmaßen und einer zur Kruppe hin sanft ansteigenden Rückenlinie, die ihm sein bärenhaftes Aussehen gibt.
• Der untersetzte, robuste und muskulöse Hund ist überall sehr üppig behaart mit einem griffigen Deckhaar und seidigweicher Unterwolle, die unter Kontrolle gehalten werden muss, damit sie nicht verfilzt.
• Körper und Hinterläufe sind durchgehend schwarz beim Welpen und werden mit der Zeit grau-blau in allen Schattierungen. Brauntöne sind unerwünscht, können aber z.B. bei Sonnenbestrahlung auftreten. Kopf, Hals, Vorhand und Unterbauch sind weiß mit oder ohne dunkle Abzeichen.
• Jegliches Schneiden und Scheren sind zu unterlassen, so dass dann leider auch die dunklen Augen (blau erlaubt) oft kaum zu sehen sind. Gut sichtbar allerdings ist die große schwarze Nase. (Zusammen mit der rosa Zunge das "Markenzeichen" eines Bobtails)
• Der gut gezogene Bobtail ist ausdauernd, leistungsfähig und gesund. Er hat ein ausgeglichenes Wesen, ist umgänglich, "kühn, treu und vertrauenswürdig, ohne jegliches Anzeichen von Nervosität oder unbegründeter Aggressivität". (Zitat aus dem Standard).
• Die Rute wird in der Schweiz seit 1.7.1997 und in Deutschland seit 1.6.1998 nicht mehr kupiert. In Österreich soll nach einer Ländervereinbarung (§15a) das Kupieren (mit Übergangsfrist) verboten sein.

>>> INFO & KONTAKT

Die Autorin unserer kleinen Serie rund um den Bobtail züchtet nicht selber, befasst sich aber intensiv mit diesem größten der Britischen Hütehunde, seit sie vor nahezu 25 Jahren im "Old English Sheepdog", so lautet die korrekte internationale Bezeichnung, ihren ganz persönlichen Traumhund für ihr weiteres Leben gefunden hat. Da sie mit ihrem ersten Bobtail, einem Pflegehund, gleich ein Exemplar aus einer der berüchtigten "Puppymills", also einer Massenzucht, "erwischte", konnte sie gleich zu Beginn den absoluten Härtetest durchlaufen, bei dem nichts an Problemen ausgelassen wurde.

In den nächsten Folgen von Bobtail & Co. wird es unter anderem um Themen wie diese gehen:

• Endlich Kupierverbot, nicht nur für Bobtails!
• Innerartliche Kommunikation – die Körpersprache langhaariger Hunde.
• Krankheiten und Defekte (Fatales Zuchtziel "weißer Kopf").
• Bobtail & Co. in falschen Händen – "Bobtail in Not".
• "Styling" über alles? – Vom gepflegten Hund zum "Ausstellungs-Monster".
• "Mami, ich will ein Plüschtier!" – Vom Zauber der langhaarigen Welpen von Bobtail & Co.

Wir freuen uns über Informationen, Anregungen und Kritik an:
• E-mail: strassmann@wuff.at
• Oder per Fax
Österreich: 02772/ 558114
Deutschland: 0461/ 51386

>>> WUFF – INFORMATION

Informationen im www
Einige Landesvereine, Clubs und private Homepages:

www.huetehunde.at
www.cfbrh.de
www.doesc.de
www.bobtailclub.ch
www.bobtail.net
www.bobtails-599.de
www.delightful-fellow-oes.de
www.elbe-urstromtal.de
www.oes-babette.de
www.snowboots.de

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