Training für Tierheimhunde

Von Andrea Specht

Jeder Hund ist anders. So wie wir Menschen auch. 0815-Hunde gibt es nur für 0815-Ausbilder.
Für kreative Menschen gibt es nur kreative Hunde. Nach diesem System zu arbeiten, verlangt zwar mehr Denkeinsatz und Auseinandersetzung mit dem vierbeinigen Partner, doch das Ergebnis belohnt Hund und Halter gleichermaßen.

Ohne Freude und Einsatz
Ein Tier ist wie der Mensch auf Nutzen ausgerichtet. Warum soll Hund an Herrchens bzw. Frauchens Knie öd im Kreis marschieren, wenn dafür Null Profit herausschaut oder die Belohnung einzig in der Unterlassung unangenehmer Einwirkungen besteht. Natürlich wird der Hund auch durch Letzteres lernen, was von ihm verlangt wird. Nur Freude wird er so nicht zeigen und Einsatz noch viel weniger.

Rohe Diamanten auf vier Beinen
Manche Hunde, die in unserem Tierschutzheim gelandet sind, kennen bereits einige Grundbegriffe des Hunde-Einmaleins. Daß dabei überwiegend mit Zwang anstelle von Motivation trainiert wurde, zeigt sich unweigerlich an der Art der Ausübung des Abverlangten. Der überwiegende Teil der vierbeinigen Tierheimgäste weiß hingegen gar nicht, was einen wohlerzogenen Hund ausmacht. Für die Weitervermittlung ein Handicap, für unser Schulungsprogramm ein Segen. Diesen Rabauken müssen unangenehme Assoziationen nicht erst genommen werden. Sie sind völlig unerzogen aber auch völlig unbedarft. Rohe Diamanten auf vier Beinen sozusagen.

Hundeschulungs-Werkzeugkiste
Pflegerin Sinnika hat sich mit mehreren Methoden der Hundeausbildung vertraut gemacht. Es macht ihr Spaß mit den Hunden zu arbeiten. Zwei Tellington-Jones-Kurse hat sie bereits besucht, um von der bekannten Tiertrainerin zu lernen und auch den Trick mit dem Click hat sie schon ausprobiert. Das ist gut so, denn es gibt keine allgemeingültige Universalmethode, die für jeden Hund paßt. Deshalb sollte jeder gute Tiertrainer über ein umfassendes Repertoire, eine Art „Hundeschulungs-Werkzeugkiste“, verfügen.
Besonders Tierheimhunde, die schon einiges an Vergangenheit mitbringen, reagieren sehr individuell. Die T-Touch-Behandlung mögen viele Vierbeiner, ebenso die „Wickelmethode“, für die wir Pferdebandagen mit Klettverschluß verwenden. Vor allem schüchterne, unsichere und hyperaktive Hunde fühlen sich „bandagiert“ sehr wohl. Chowmischling Luxi hingegen hat sofort auf den Click reagiert. Der sensible Chow-Schäferrüde hatte bis zum Tod seines Herrchens auf einem Bauernhof gelebt. Weil er den Hof niemals verlassen hatte, kannte er so gut wie nichts von der „Außenwelt“. Jetzt duldet er bereits Halsband und Leine und auch mit anderen Hunden hat er kein Problem mehr. Zur allgemeinen Überraschung sprach der siebenjährige Rüde sofort auf die Clickermethode an und lernte in kürzester Zeit sein erstes „Kunststück“, nämlich den Kopf nach links zu drehen, um einen Leckerbissen zu erhalten.

Auf ins WUFF-Hundezentrum
Jeder Dienstagnachmittag ist für fünf Tierheimbewohner ein besonderer. Da geht’s nach Korneuburg, ins WUFF Hundeschulungs- und Therapiezentrum. Schon nach der ersten Trainingseinheit mit unserem Hundemann Georg Sticha freuen sich die vierbeinigen Schüler sichtlich, wenn wir beim Platz angekommen sind. Sie haben ja dort von Anbeginn nur Positives erlebt. Über Futtergaben, in unserem Fall kleine Stücke kaum gesalzener Extrawurst, lenkt der Tiertrainer die Aufmerksamkeit des Hundes auf sich, fokussiert ihr Interesse ausschließlich auf seine Person. Unter Einsatz von Körpersprache und Stimme lernt der Hund schnell, fast möchte man meinen, völlig selbstverständlich, was von ihm verlangt wird. Er kann eigentlich gar nicht anders, es sei denn, er wäre ein Masochist und möchte nicht belohnt werden. Und das sind Hunde ganz sicher nicht. Sie sind gewinnorientierte Wesen wie wir und auf Vorteil ausgerichtet. Wenn man Hunde unter diesem Blickwinkel betrachtet, ist es ganz einfach sie zu verstehen und richtig mit ihnen umzugehen. Da wundert es dann besonders, daß es noch immer Ausbilder gibt, die nach der Hauruck-Methode freudlos funktionierende „Hundeautomaten“ vorführen. Es erstaunt, wie wenig solche Menschen bis heute vom wunderbaren Wesen ihrer Hunde begriffen haben.
Unsere Schüler sind entweder besonders schlau (wie Pflegerin Sinikka stolz vermerkt) oder sie fühlen sich bei Georg Sticha besonders wohl. Schäfer Prinz verzichtet beim zweiten Besuch bereits darauf, Georg böse anzuknurren und läßt ihn bei der Arbeit nicht mehr aus den Augen. Rotti Aron ist ohnedies von Anfang an von ihm begeistert und hat ihm zuliebe auch schon ein bißchen abgenommen. Dt. Kurzhaarrüde Benno ist kein Unbedarfter. Er wurde vermutlich jagdlich abgeführt und kennt Kommandos. Das Arbeiten mit Belohnung macht ihm natürlich weit mehr Spaß.
Nur der vier Monate alte Dobi Justin fürchtete sich anfangs sehr vor Georg. Kein Wunder. Zum einen hat Justin schon Schlimmes durchgemacht (sein Vorbesitzer fügte ihm mit einem Messer eine tiefe Stichwunde zu), zum anderen ist Georg schon durch seine Größe ein wenig furchteinflößend. Für ihn muß Georg sich auf den Boden legen, damit Justin sich langsam näher wagt. Nach fünf Minuten hat der kleine Dobi seine Angst überwunden und betrachtet Georg als „Kletterberg“.
Daß diese Art der Ausbildung für Alt und Jung, für Groß und Klein gleichermaßen geeignet ist, beweist Dackeline Bella. In Windeseile hat sie gelernt, ohne Leine bei Fuß zu gehen. Nur für den Hundeführer ist es auf Dauer schon recht anstrengend, Bella im „Hockgang“ die Futterstücke zuzustecken.
Nach zwei Stunden haben alle Hunde je zwei Trainingseinheiten absolviert und sind zufrieden. Gern springt jeder in seine Transportbox und auf geht´s zurück ins Tierschutzheim. Ich bin mir sicher, die Hunde freuen sich bereits auf ihren vierten Schultag nächsten Dienstag im WUFF-Hundezentrum. Wir auch.

>>> WUFF – INFORMATION


Spatenstich am Welttierschutztag

Der Spatenstich zum Neubau des Tierschutzheimes in Krems ist vollbracht. Und welcher Tag wäre dafür wohl besser geeignet als der 4. Oktober? Und so lud der Bürgermeister der Stadt Krems, Franz Hölzl, am Welttierschutztag zum Festakt mit Landeshauptmann-Stv. LR Dr. Hannes Bauer. Mit dabei natürlich der Präsident des NÖ Tierschutzverbandes, Prof. Gustav A. Neumann, Obfrau Andrea Specht als Vertreterin des Tierschutzvereines Krems und der planende Architekt DI Erich Millbacher. Als Ehrengäste gratulierten Krone Tierressort-Chefin Maggie Radinger-Entenfellner und Krone Tierrechtsanwalt Mag. Rainer Radinger. Für Dr. Hannes Bauer war es der letzte „Akt“ in seiner Funktion als Landesrat, vielleicht aber einer seiner schönsten. Viel Lob gab es für sein Engagement, die großzügige Unterstützung durch die Stadt Krems (die ein großes Grundstück für das Projekt zur Verfügung gestellt hat) und den unermüdlichen Einsatz von Obfrau Andrea Specht, das Projekt voranzutreiben. Im kommenden Frühjahr soll mit dem Neubau begonnen werden.

Dr. Roger Mugford zum neuen Kremser Tierschutzheim
Rechtzeitig zum Spatenstich gratulierte der berühmte Tierpsychologe und Buchautor Dr. Roger Mugford (Animal Behaviour Centre, London) Obfrau Andrea Specht zum gelungenen Tierheim-Konzept:

Liebe Andrea!
Du mußt mich ja beinahe aufgegeben haben, nachdem Du mir im Juni die Pläne Deines geplanten Tierschutzheimes geschickt hast. Es tut mir sehr leid, aber ich war überlastet mit Klienten, danach die Sommerferien und so weiter. Wie auch immer habe ich Deine Pläne wiederentdeckt und sie sind wirklich wunderbar. (…) Der kreative Eindruck der Innenbereiche macht das Projekt lebendig und unterstreicht, daß es sich hier nicht um traditionelle, enge und stimulationsarme Gefängniszellen handelt. Vielmehr hast Du ein Raumkonzept für soziale Gruppenhaltung von Hunden erarbeitet, mit dem ich wirklich übereinstimme.
Die Einzelhaltung von Hunden in Zellen im Namen des Tierschutzes oder der Rettung von Hunden ist, davon bin ich überzeugt, eines der grausamsten Dinge, die wir diesen Lebewesen antun können. Während die Hunde auf ein neues Zuhause warten, brauchen sie die ständige Stimulation in der Gemeinschaft mit anderen Artgenossen. Ich denke, in Deinem Fall hat der Architekt einen guten und intelligenten Kompromiß für die Hunde entwickelt.
Bezüglich der Katzen habe ich weniger Informationen von Dir erhalten, aber ich habe festgestellt, daß hier eine gute Auswahl bezüglich der Größe und Anordnung der Katzenzimmer getroffen wurde. Bei den Katzen kennen wir die Möglichkeit, sie in großen Gruppen von ein- bis zweihundert Tieren in weitläufigen umzäunten Außenarealen zu halten oder sie in hygienischen kleinen Gruppen unterzubringen. Wenn die vorhandene Fläche ausreichend ist, kannst Du natürliches Gras und Bäume etc. verwenden, sodaß die Funktion des Tierpflegers sich ein bißchen zu der eines Gärtners wandelt. Ich habe Anlagen wie diese auf Zypern und auch in Wood Garden, England, gesehen und sie scheinen gut zu funktionieren. Selbstverständlich benötigt man die notwendigen Quarantäneeinheiten für Neuzugänge, um Behandlungen wie Tests, Impfungen usw. durchzuführen. (…)
Abschließend hoffe ich, daß Deine Pläne auch die Möglichkeiten einer zukunftsorientieren erziehenden und informativen Rolle miteinbeziehen, sodaß die psychologische Einstellung der Menschen zu Tieren eine bessere wird. Ich denke dabei etwa an die schreckliche Antihunde-Hysterie, die gerade in Deutschland tobt.
Andrea, ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen und bitte Dich, weiterhin mit mir in Kontakt zu bleiben und mich über alle Neuigkeiten Deines großartigen Vorhabens am laufenden zu halten.
Mit lieben Grüßen, Roger.

Das könnte Sie auch interessieren: