Ein klassisches Beispiel für ein Problem, das häufig an WUFF herangetragen wird, ist das Ziehen an der Leine. Ist es besonders ausgeprägt, macht es jeden Spaziergang zum Kampf Halter gegen Hund. Und natürlich „gewinnt" diesen Kampf immer der Hund – denn schließlich MUSS man ja mit ihm Gassi gehen, und dadurch fühlt sich Wuffi stets für sein Verhalten belohnt.
Frage: Mein fast zweijähriger Mischlingsrüde „Rocky" will einfach nicht „Fußgehen" lernen. Ich trainiere mit Futter-Belohnung und einige Male in der Woche. Wir üben schon fast ein halbes Jahr, aber er zieht immer noch viel zu stark an der Leine, und ich bin zwischenzeitlich ziemlich genervt.
Elisabeth Cech-Harrer: Vorrangig sind Ihre Nerven wichtiger als alle Trainingsversuche. Lehnen Sie sich also ruhig zurück und überlegen Sie, wofür Sie „Fußgehen" mit Rocky im Alltag brauchen. Sicherlich nur in beengten und eventuell gefährlichen Situationen, wie z.B. beim Vorbeigehen an Baustellen, bei Menschenansammlungen, bei anderen knurrenden Hunden oder wenn Sie sich hundesportlich betätigen wollen. „Fußgehen" bedeutet eng, aufmerksam und freudig an der linken Seite des Hundebesitzers zu gehen und ist eine schwierige Gangart für einen Hund. Sie erfordert hohe Konzentration von Hund und Mensch, vergleichbar mit einem Balanceakt über einen schmalen Balken und ist daher nur für kurze Strecken geeignet. Es ist für Rocky und auch für Sie viel entspannender, wenn Sie mit ihm üben, in Ihrem Umkreis zu bleibe, und dabei seine Leinenlänge von 1-2 Meter zu nützen, ohne zu ziehen. Er soll aber trotzdem die Möglichkeit haben, zu schnüffeln, zu markieren oder die Seite zu wechseln. Als Kommando kann man für diese Übung z.B. „Bei mir!" verwenden.
„Stop and Go"
Wie jedes höher entwickelte Lebewesen macht Rocky auch nur das, was für ihn von Nutzen und somit erfolgreich war. So konnte er Sie erfolgreich fast zwei Jahre durch die Gegend ziehen. Diese „Erfolgsstory" müssen Sie jetzt unterbrechen. Nicht mit Leinenruck: Den kennt er, hat sich daran gewöhnt und reagiert nur bedingt. Sondern mit „Stop and Go". Das bedeutet, dass Sie bei jedem Ziehen an der Leine sofort stehenbleiben, eventuell sogar ein paar Schritte zurückgehen, wenn die Leine weiterhin gespannt bleibt. Rocky kommt nicht weiter (Sie leider auch nicht), hat somit keinen Erfolg mehr (Ignorieren Sie lästernde Zeitgenossen!). Weitergehen gibt es nur mehr, wenn die Leine durchhängt.
Das ist anfänglich sehr mühsam für Beide, daher auch nur als ein Training von 10 bis 20 Minuten zu betrachten. Und auch nur dann, wenn Sie Lust und vor allem Zeit dazu haben. Wenn Sie schnell von Punkt A nach B müssen, bzw. ohne Training spazieren gehen wollen, dann sollte Rocky ein Kopfhalfter oder ein Brustgeschirr tragen, welche das Ziehen an der Leine verhindern. Mit diesen technischen Hilfsmitteln hat Ihr Hund zwar noch nicht gelernt, an durchhängender Leine zu gehen, doch seine „Erfolgsstory" bleibt weiterhin unterbrochen und Ihre Schultern und Oberarme werden geschont, bis Ihr „Stop and Go-Training" erfolgreich war.
„Problemstrecken"
Anfänglich ist es auch leichter nur dort zu üben, wo wenig Ablenkung ist. Rocky ist dann weniger aufgeregt und reagiert schneller. Am schwierigsten sind Orte, wo er das Ziehen „gelernt" hat, wie beispielsweise die Strecke nach Verlassen Ihres Hauses. Hier also in der ersten Zeit mit Kopfhalfter oder Brustgeschirr gehen, dann, nach Beruhigung, die Leine am Halsband befestigen und mit dem Training beginnen. Später können Sie „Stop and Go" auch an der Haustüre beginnen, jedoch nur einige hundert Meter weit gehen und wieder heimkehren. Sie zeigen Ihrem Hund auf diese Weise, dass das Verlassen des Hauses nicht unweigerlich mit einem Spaziergang verbunden ist. Die Aufregung ist also vollkommen umsonst, und auch dieses „Fortgeh"-Ritual wird neutralisiert.
Nach jedem anstrengenden Training sollte es Entspannung geben. Spielen Sie mit Ihrem Hund, lassen Sie ihn in Ruhe schnüffeln oder andere Hunde begrüßen. Und vergessen Sie nicht, sich selbst eine kleine Belohnung zu gönnen!
Noch ein Tipp: Hilfsmittel wie Kopfhalfter oder Brustgeschirr bitte nur dort kaufen, wo Sie auch fachliche Beratung bekommen. Die richtige Größe ist ein wesentlicher Punkt. Das Tragen eines Kopfhalfters setzt eine gewisse Gewöhnungszeit voraus, beim Brustgeschirr braucht man kein Training.
Diese Art des „Entzuges" wird Ihnen sicher gelingen. Viel Erfolg wünscht Ihnen
Elisabeth Cech-Harrer.
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Frage & Antwort
Elisabeth Cech-Harrer ist Leiterin des Dog College Tattendorf (Niederösterreich, nahe Wien) und Expertin für Hundeerziehung und Verhaltensberatung.
Kontakt und Info: www.dogcollege.at
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– WUFF, KW Verhalten, A-3034 Maria Anzbach
– service@wuff.at
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