Timo – Leb‘ wohl mein kleiner Prinz

Von Elisabeth Polgar

Mein kleiner Prinz, mein starker Bergbauernbub, mein Schatten, mein Fußwärmer, mein Gipfelstürmer, mein Meereswellenbezwinger, mein Beschützer, mein Herzensbrecher … diese Liste könnte ich unendlich fortführen!

Bevor wir Timo im Dezember 2005 aus einem Tierheim abgeholt haben, war unser Leben recht beschaulich. Unsere damals einjährige Hündin Piccolina war ein unkompliziertes Wesen und so stellten wir uns eigentlich alle Hunde vor. Doch dann sah ich Timos Augen auf der Homepage des Tierheimes und unser Leben nahm eine bis dahin ungeahnte Wendung. Timo, der als 5 Wochen alter Welpe von einem Mann, der ihn angeblich gefunden hatte, abgegeben wurde, war am 16. Dezember 2005 ein kleines Fellknäuel, rund 2 Monate alt und 3 Kg leicht, hatte klein-gelocktes Fell, einen Ringelschwanz und einen Blähbauch. Er sah wirklich nicht aus, als würde er einmal ein schöner Hund werden. Aber als während unserer »Besichtigung« in einem anderen Hundegehege Unruhe ausbrach, wurde mir der Welpe in die Hand gedrückt und im Nu kuschelte sich dieses schwarze, kleine Wesen mit der runden Schnauze in meine Arme, seufzte und schloss selig die Augen. Um nichts in der Welt hätte ich ihn wieder hergegeben!

Wir holten also Piccolina aus dem Auto, um zu sehen, wie sie auf den kleinen Gefährten reagieren würde. Auf der großen Hundewiese durften die beiden einander beschnuppern. Während Timo ständig hinter Piccolina herlief und sich sogar unter ihren Bauch legte, interessierte sie sich gar nicht für ihn.

So riskierten wir es einfach und nahmen Timo, der vermutlich ein Golden Retriever-Labrador-Mix sein sollte, mit, und so begann eine wunderbare und für uns sehr lehrreiche Zeit. Schon bald merkten wir, dass er sich ganz anders verhielt, als es für Goldie und Labrador üblich gewesen wäre. Stattdessen war Timo fremden Menschen gegenüber sehr distanziert, bellte alles an, drohte mitunter und ließ niemanden an mich heran. Ich konnte nun kaum noch jemanden mit Handschlag begrüßen, wenn Timo neben mir war. Nach der anfänglichen kurzen Verzweiflung und Verunsicherung, unaufhörlichem Nachlesen über diverse Hunderassen und vielen Gesprächen mit Hundetrainern war uns klar, dass es sich bei Timo um einen Mix aus Hüte- und Wachhund handeln musste.

Seine Schnelligkeit, Wendigkeit und schnelle Auffassungsgabe waren gepaart mit Beschützerinstinkt und Tatendrang. Neben dem Besuch der Hundeschule Liezen standen alsbald viele weitere Trainingsstunden im freien Gelände, unzählige Bergtouren, Spaziergänge, Gruppenhunderunden und viel Kopfarbeit auf dem Programm. Timo mochte fremde Menschen nicht besonders, aber er konnte gut unterscheiden, ob jemand Hunde mag oder nicht. So entschloss ich mich auch, die »WUFF-Hunderunden« für Wien-Süd zu organisieren. Viele nette Menschen und Hunde haben wir bei diesen Treffen kennengelernt. Und wir haben dabei viel über Timo und Hunde im Allgemeinen gelernt. Timo verlor dabei auch ein bisschen die Scheu vor fremden Menschen.

Das war Timo …
Timo – er war der unauffällige Führer in jeder Gruppe, er beschützte im Notfall alle Teilnehmer gegen allfällige »Eindringlinge«, er hielt alle zusammen, zeigte mir, wenn jemand zu weit zurückblieb usw. …

Timo – er lag stundenlang ruhig und gelassen vor dem Gitterbett meiner Enkelkinder, um deren Schlaf zu bewachen.

Timo – er schlummerte oft in unserem Campingbus und kam nur dann zum Vorschein, wenn er es für nötig hielt, seine Anwesenheit zu demonstrieren.

Timo – er brauchte immer Beschäftigung! So lernte er z.B. Post aus dem Briefkasten zu holen, leere Plastikflaschen oder ähnliche Verpackungen zur Müllinsel zu tragen und war so auf jedem Campingplatz ein kleiner Star.

Timo – er liebte es ebenso sehr über Sandstrände zu rennen, wie auch durch kühles, hohes Gras.

Timo – er konnte klaren Gebirgsbächen einfach nicht widerstehen. In seiner Jugend sprang er aber auch voll Freude in die Wellen der Adria oder des französischen Atlantiks.

Timo – er ließ sich so gerne fotografieren! Oft setzte er sich von selbst vor ein großes Tor, ein Denkmal oder einfach mitten auf einem großen Platz in Position und »grinste« uns breit an. Er wusste natürlich, dass es nach dem Foto ein Leckerli gab.

Timo – er lag als Baby die ersten sechs Monate fast immer auf meinen Füßen, sobald ich mich niedersetzte, und wich den Rest seines Lebens nicht mehr von meiner Seite.

Timo – er war als Junghund kaum ­auszulasten und beschenkte uns mit so vielen Erkenntnissen, ließ uns so manches im Leben mit anderen Augen sehen, nicht ­zuletzt fanden wir durch ihn auch unsere Freude am Reisen mit dem Campingbus.

Timo – er ging brav an der Leine neben mir durch so viele Städte und Dörfer, obwohl ihn das so gar nicht freute und zeigte seine Freude dann umso mehr, wenn er sich wieder frei und ungestüm in ­menschenleerer Umgebung austoben durfte.

Timo – er liebte seine Menschenfamilie und ganz besonders unsere Enkelkinder, die ihn auch mit noch so viel Lärm nicht aus der Ruhe brachten.

Timo – er war, solange Piccolina lebte, ihr Beschützer. Allerdings blieb sie immer die Chefin in ihrem Zusammenleben. Mit Piccolina starb auch ein Teil von Timos Lebensfreude.

Timo – dann kam der Tag, an dem wir einsehen mussten, dass unser Energiebündel auf vier Pfoten alt geworden war, aber immer noch aktiv und interessiert an neuer Umgebung.

Mit den altersbedingten Wehwehchen kamen wir ein weiteres Jahr lang ganz gut zurecht. Nach ein paar schwierigen ­Wochen im Sommer 2018 wurden uns noch einige wunderschöne Monate geschenkt, die wir für einen Herbst-Urlaub in Kroatien und kleine Wanderungen in unserer Umgebung nützten. Die Silvesternacht war erstmalig stressfrei, weil Timo alles verschlief und scheinbar nichts mehr hörte.

Anfang März 2019 wurde er von einem Hund so sehr gebissen, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing. Das Team der Tierklinik Perchtoldsdorf-Ost rettete meinem Liebling das Leben und langsam erholte sich Timo von den Verletzungen und Strapazen. Timo war ja immer ein Stehaufmännchen gewesen. Es war unglaublich, wie sehr er um sein Leben kämpfte und wieder nach draußen wollte. Aber er war schwach geworden. Wir suchten nach weniger steilen Wegen. Oft fuhren wir nur zu einer schönen Wiese, gingen dort mit ihm ein bisschen auf und ab und dann lag er vor dem Campingbus, während wir ein Buch lasen – nur, damit Timo Abwechslung hatte. Unseren ­Campingbus, seine »Hundehütte auf vier Rädern«, liebte er bis zum Schluss.

Das Abschiednehmen fiel uns schwer und wir erlebten die letzten Wochen sehr ­intensiv. Timo rückte nach und nach in eine andere Welt, er war verwirrt und oft unsicher. Gemeinsam mit der Tierärztin und dem Team der Tiernotambulanz ­Vösendorf beobachteten und betreuten wir Timo bis zu jenem schmerzlichen ­Moment am 11. Juni 2019, der für jeden Hundehalter irgendwann kommt.

Timo, mein kleiner Held, wir werden dich niemals vergessen! In unseren ­Gedanken bist du mit Piccolina immer bei uns!

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