Tierzahnheilkunde für Hundebesitzer

Von Dr. med. vet. Iris Steurer

 

Manche Hundehalter ­glauben, dass Zahnstein bei Hunden lediglich ein Problem von Maulgeruch darstellt. In Wahrheit hat jedoch Zahnstein durch seine Toxine krankmachende Auswirkungen auf viele Organe. Und dass es neben dem Zahnstein noch weitere gar nicht so seltene Probleme des hund­lichen Gebisses, gibt, ist auch kaum bekannt. Tierärztin Dr. Iris Steurer – Mitglied der European Veterinary Dental Society – informiert in einer umfassenden zweiteiligen Übersicht über die Tierzahnheilkunde für Hundehalter, von den Ursachen über die Diagnose bis zur Behandlung.

 

Die Tierzahnheilkunde umfasst prinzipiell 3 große Hauptgebiete: Parodontologie, Konservierende Zahnheilkunde und Orthodontie. In diesem ersten Teil des Artikels geht es um die Paradontologie, die beiden anderen Bereiche werden in der nächsten Ausgabe besprochen.

 

Die Parodontologie befasst sich mit den Krankheiten des Zahnhalteapparates bzw. Zahnfleisches und deren Ur­sachen. Das dabei am häufigsten vorkommende Problem der Entzündung des Zahnfleisches und Zahnbettes beginnt mit der Ansammlung bakterieller Beläge an der Zahnober­fläche. Diese schädlichen Mikroorganismen produzieren Giftstoffe, sogenannte Toxine, welche direkt das Zahnfleisch schädigen und darüberhinaus in den Körper aufgenommen werden. Wie durch alle anderen Gifte (z.B. verdorbenes ­Futter, Schimmelpilze, Umweltgifte, um nur einige zu nennen) ­werden durch diese Toxine lebenswichtige Organe wie Herz, Leber und Niere geschädigt. Obwohl in zahlreichen Unter­suchungen beim Hund diese Schädigungen bewiesen ­wurden, ist dieser schädigende Einfluss der Bakterien und des Zahnsteines leider noch immer zu wenig bekannt.

 

Gefährlicher Zahnstein

 

Immer wieder hören Tierärzte die Meinung von Hunde­be­sitzern, dass Zahnstein, auf dem sich diese schädlichen Bazillen vermehren, nur ein Schönheitsfehler sei und der Mundgeruch wahrscheinlich vom Magen her stamme. Wenn dann nach Jahren der Belastung durch die Giftstoffe der Bakterien die Nieren nicht mehr so funktionieren wie sie sollten und das Herz durch eine Herzklappenschädigung nicht mehr richtig arbeiten kann, ist es für eine Behandlung oft zu spät. Umso mehr sollte der ­verantwortungs­be­wusste Hundebesitzer rechtzeitig zum Tierarzt gehen und ihn auch anlässlich der jährlichen Impfung bitten, die Zähne zu ­kontrollieren. Durch rechtzeitige Behandlung kann so das Leben unserer vierbeinigen Lieblinge oft beträchtlich ­verlängert werden.

 

Zahnstein selbst bildet sich durch „Versteinerung“ der ­Bakterien an der Zahnoberfläche. Da sich am Zahnstein wieder Bakterien anlagern und diese schließlich eine häufige Entzündungsursache darstellen, entsteht in kurzer Zeit eine massive Entzündung von Zahnfleisch und Zahnbett. Da Entzündungsprodukte einen ausgezeichneten Bakteriennährboden darstellen, kann sich der Teufelskreis rasch schließen, und der Zahnstein wächst und wächst (siehe Abb. 1).

 

Zerstörerischer Zahnstein

 

Wird Zahnstein samt seinen schädlichen Bazillen nicht rechtzeitig entfernt, dann wächst er als gelbbrauner, deutlich zu erkennender Zahnbelag und unter dem Zahnfleisch als von außen nicht sichtbarer, grün-schwarzer, in Zahn­taschen versteckt liegender harter Belag gegen die Wurzel vor. Sowohl durch mechanischen Druck als auch durch chemisch-entzündliche Einflüsse drängt er das Zahnfleisch zurück, legt die Wurzel allmählich frei und zerstört den Zahnhalteapparat. Die Zähne werden gelockert und fallen schließlich aus. So weit aber muss es nicht kommen!

 

Tipps fürs Zähneputzen

 

Als beste Vorbeugung gegen Zahnbeläge und Zahnstein hat sich das Zähneputzen mit Schlämmkreide bewährt. Am leichtesten kann man natürlich junge Hunde an ­diese Pflege gewöhnen. Bei älteren Tieren, die sich gegen das Zähne­putzen heftig wehren, sollte der Tierbesitzer ­seinen Zeigefinger mit einem kleinen Lappen umwickeln, auf ­diesen etwas Schlämmkreide oder neutrale Zahnpasta ohne Geschmacksstoffe (keine menschliche Zahnpasta ver­wenden !) auftragen und damit die Zähne und das Zahnfleisch vorsichtig reinigen. Wenn man dabei nicht versucht, den Fang zu öffnen, sondern nur unter der Lippe auf den Zähnen hin und her streicht, kommt man damit mit den meisten Hunden gut zurecht.

 

Mit Ultraschall gegen Zahnstein

 

Hart verkalkten Zahnstein kann allerdings nur mehr der Tierarzt mit dem Ultraschallgerät entfernen. Dies geschieht in Narkose oder mittels einer speziellen Schmerz-/Schlaf­spritze. Die Behandlung selbst ist völlig schmerzlos, und durch die Ultraschallenergie kann der Zahnstein ohne Verletzung der Schmelzoberfläche entfernt werden. Ist der Zahnstein mit dicken eitrigen Belägen versehen, so ist es in manchen Fällen ratsam, vor der eigentlichen Ultraschall-Zahnsteinentfernung eine mehrtägige Vorbehandlung mit Antibiotika durchzuführen. Wichtig ist nur, dass der Hundebesitzer weiß, dass dabei bereits nach 1-2 Tagen zwar der Mundgeruch vergeht, die Behandlung durch den Tierarzt aber nicht unterlassen werden darf, weil sonst Herz, Leber und Niere sofort wieder geschädigt würden.

 

Neben der Zahnsteinentfernung sollte auch das krankhaft veränderte Zahnfleisch behandelt werden. Ist es stark geschwollen, so wird der Tierarzt mit einem elektrischen Skalpell die ursprüngliche Form des Zahnfleisches wiederherstellen (siehe Abb.2).

 

Selbstreinigung des Gebisses sichern

 

Neben diesen Korrekturmaßnahmen am Zahnfleisch kann der Tierarzt mit seiner Zahnbohrmaschine auch bei freiliegenden Wurzelhälsen die Selbstreinigung des Gebisses durch die sogenannte Odontoplastik verbessern. Dies ist besonders dann wichtig, wenn das Zahnfleisch von der Zahnkrone zurückgewichen ist, sodass der Zahnhals oder sogar die Wurzel freiliegt. Zwischen Zahnkrone und ­Zahnwurzel befindet sich nämlich ein zirkulär um den Zahn verlaufender Schmelzring, der die Selbstreinigung des Gebisses beeinträchtigt. Dieser Schmelzring soll bei zurückgewichenem Zahnfleisch entfernt und poliert ­werden, sodass der Speisebrei von der Zahnkrone über die Zahn­wurzel und das Zahnfleisch direkt in den Mundvorhof ab­geleitet wird (s. Abb. 3).

 

Lockere Schneidezähne

 

Sind Schneidezähne stark gelockert, so können sie durch eine sogenannte Glasfaserbrücke noch für einige Zeit zur Kaufunktion erhalten werden. Dabei klebt der Tierzahnarzt ein Glasfaserbündel mit durchsichtigem Epoxidharz auf die Zahnoberfläche und kann somit vor allem gelockerte Schneidezähne noch für eine bestimmte Zeit zur Funktion erhalten (siehe Abb. 4).

Im zweiten Teil der Übersicht im nächsten WUFF geht es um folgende Themen aus den Bereichen konservierende Zahnheilkunde und Orthodontie: Was tun bei abgebrochenen Zähnen? Über Karies, Wurzelherde, Wurzelbehandlung und Zahnkronen bei Hunden.

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