Tierische Glücksfä(e)lle: Familienzuwachs … und volle Fahrt voraus

Von Eva-Maria Grimbergen

Ende September, ein sonnig warmer Spätsommertag, unser Wohnmobil rollt mit uns und natürlich mit unserem ­Ridgeback-Wonneproppen Bazou an Bord Richtung Holland. Unser kleines Chianga-Mäuschen erwartet uns bei ihrer Züchterfamilie in Holland, denn heute ist Abholtag. Sie sitzt auf gepacktem Köfferchen, startklar in ihr neues Leben, in ihr neues Zuhause.

Sobald es der Züchter erlaubte, besuchten wir an allen seit Geburt vergangenen Wochenenden unser Meisje, jeweils ein gewaltiger »Ritt« aus dem Rheinland, aber die unstillbare Sehnsucht wäre sonst unerträglich und nicht aushaltbar gewesen. Außerdem könnten Wim und ich ja etwas verpassen.

Meine Güte, was waren wir von einer Woche zur anderen gespannt auf das Wiedersehen. Ob wir sie noch erkennen würden? Ob sie uns wiedererkennen würde? Wie sie sich zwischen ihren Wurfgeschwistern so anstellt? Ob sie sich behaupten kann? Oder wird sie gar untergebuttert? Was die Züchterfamilie über sie zu berichten weiß? Wie sie sich entwickelt und von uns knuddeln lässt, und vor allem: wie lange? Ja, solche kleinen Welpchen sind doch sowas von goldig. Da verliert man schockverliebt sofort sein Herz. Denen könnte man doch stundenlang in den warmen, weichen, nackten Bauchspeck beißen. Und dieser Duft erstmal, wenn sie so an einem kleben und sanft in den Schlaf sacken. Ach ja, wunderschöne Erlebnisse, die man sein ganzes Leben lang nicht vergisst.

Entsprechend aufgeregt und erwartungsfroh sind wir natürlich. Endlich sollte die Kleine mit einsteigen, mit uns Fahrt aufnehmen, eine kurze Tour im Wohnmobil machen und dann ab in ihr neues Zuhause. Wir hoffen dabei sehr, ihr den Abschied und die Trennung von ihren Geschwistern, ihrer Mama und dem gewohnten Umfeld leicht zu machen. Aber eigentlich zeichnen sich gesunde Welpen durch sehr viel Neugier und Tatendrang aus, gut, bei dem einen etwas verhaltener als bei einem anderen, jeder braucht seine Zeit, jeder hat sein Naturell und sein eigenes Tempo.

Erschwerend – oder erleichternd, was im Moment noch unklar ist – kommt hinzu, dass nun unser Bazou eine tragende Rolle in diesem Film haben wird. Wie wird er sich benehmen? Wird er sich überhaupt benehmen? Er ist ja schon ein ungestümer Brocken, voller Herzlichkeit und Sprungfreude, unser Prinz. Und die Kleine noch so klein. Aber man muss sie einfach lieben, so etwas Niedlichem wird auch Bazou nicht widerstehen können, zumal er für sein Leben gerne spielt und rumkaspert.

Mit Herzklopfen nehmen wir also unser Baby in Empfang
Wir sind »Eltern«. Bazou, plötzlich Bruder, mustert die kleine Moppelige skeptisch nach dem Einsteigen ins Wohnmobil, macht aber nicht viel Aufhebens um das winzige Ding, das seinerseits aber schon sehr viel Interesse an Bazou zeigt. Uns scheint, als sei Bazou sich sicher, dass sie nur kurz bleiben und vermutlich an der nächsten Ecke wieder aussteigen würde.

Das Wohnmobil rollt, es geht dahin mit uns und Klein-Chianga in einem Körbchen auf meinem Schoß. Ziel ist erst einmal ein stilles Örtchen zu finden, Auslauf und Freilauf für alle, wollen doch mal sehen, wie sich unsere beiden annähern so in der freien Wildbahn. Da kommt eine stillgelegte Bahntrasse gerade recht. Sehr selbstverständlich trollt sich die Kleine hellwach mit uns über Stock und Stein, ist sehr bemüht, bloß nicht den Anschluss zu verlieren und behält Bazou genau im Auge. Er tut so, als interessiere sie ihn nicht die Bohne, lässt in seinem ganzen Ausdruck den dicken Maxe mit dicker Hose raushängen, pieselt und markiert auffällig oft, zieht schnöde Hals und Schnute nach oben, stakst hochschwänzig mit Spitzpfoten herum nach dem Motto: »alles meins!«. Aber wir sehen schon viel Interesse in seinen Bernsteinaugen blitzen und beobachten, wie er mit kaum merklichen Seitenblicken die Kleine verfolgt und absolut im Auge hat.

Dieses erste Date am Bahndamm verläuft äußerst harmonisch, wir Eltern atmen auf, Herzenswärme vertreibt Zweifel, Glück blubbert hochkonzentriert durch die Adern. Unsere beiden kommen sich sehr schnell näher, im wahrsten Wortsinn, lernen sich ein wenig »kennen«. Für Chianga sind alle lockenden Entdeckungen rundum toll, sie ist begeistert, aber was sehr deutlich zu sehen ist: der King für sie ist Bazou. Es ist allerdings schwer, ihm mit solch kurzen, ungelenken Beinchen im unwegsamen Gleiskörper beizukommen. Im hohen Schilfgras am Ufer eines kleinen Tümpels schafft sie es. Seite an Seite mit Körperkontakt wird erkundet, und wir sind froh, keinen der beiden aus der Entenkrütze ziehen zu müssen.

Der erste kurze Spaziergang endet mit einer beruhigenden Selbstverständlichkeit im Wohnmobil, das Wim nun Richtung Übernachtungsplatz ins verträumt-beschauliche Örtchen Giethoorn steuert. Hier werden wir uns ruhig niederlassen, weites Wiesenland vor der Tür, und sehen, wie es uns Vieren miteinander geht. Die kleine Hundebox klemmt fest zwischen unseren Matratzen. Chianga bereitet es von der ersten Stunde an keinerlei Probleme, sich darin zusammen zu rollen, gut behütet, Mama zur einen, Papa zur anderen Seite. Bazou irritiert es auch nicht weiter, sein Lieblingsschlafplatz ist auf der Couch weiter vorne im Wohnmobil, und den Sprung in mein Bett irgendwann im Morgengrauen schafft er auch trotz Chiangas Hundekiste.

Ein neuer Tag bricht an. Kaum zu glauben, dass wir ein Kleinchen an Bord haben. Sie ist so lieb, stellt keine Ansprüche, klinkt sich ein, als sei es nie anders gewesen. Aber vielleicht macht ihre holländische Herkunft auch etwas aus. So ein Holland-Mädchen liebt ja sicher wie viele ihrer Landsleute das Camping-Machen, »born to be a camper«.

Und weil sich alles so schön und zufrieden fügt, folgt heute mal gleich die Lektion »Radfahren«. Neuer Tag – neues Glück. Ab in den Hänger und ab durch die Mitte. Stressfrei, allerdings schon sehr aufmerksam, radeln wir mit Genuss durch das satt-grüne Wiesenland rund um Giethoorn, vorbei an unzähligen blitzeblauen Kanälen, staunenden Kühen und kreischenden Möwen, ohne dass auch nur ein Wimmern aus dem Hundeanhänger ertönen würde. Kleine Pausen nutzen Bazou und Chianga zum Rumschnüffeln und Rumgraben in den feuchten Wiesen. Eine riesige Portion Glück auf 8 Pfoten.

Da wir nicht so die unentschlossenen Abwarter sind, ist es nach Rückkehr in den Ort auch kaum eine Frage und sehr schnell entschieden: wir werden eins der in Giethoorn liegenden Bötchen für eine Rundtour mieten und durch die Kanäle schippern. Getestet wird also neben der Wohnmobil- und Fahrradanhängertauglichkeit jetzt die Seetauglichkeit des Welpen, Prägung extrem, Crashkurs. Der Himmel strahlt, die Luft ist lau, wir mutig, und schwupp legen wir ab. Natürlich ist ein Hundedeckchen mit dabei, obwohl wir es gar nicht hätten ausbreiten müssen, denn Chianga ist sehr gelassen und absolut nicht nervös. Im schaukelnden Boot mit blubberndem Motor schaut sie sich alles genau an, guckt neugierig über die Bracken und verfolgt leichte Wellen und schnatternde Enten, klettert herum, nimmt exakt die Positionen wie Bazou ein und scheint kein wenig Schiss zu haben. Mit Bazou als Gallionsfigur, Wim am Ruder und voller Kraft voraus, tuckern wir die Wasserstraßen entlang, an wunderhübschen Häuschen mit verwunschenen Gärtchen vorbei, idyllisch und so beruhigend.

Mächtig stolz auf unseren Bazou und unser Chianga-Mäuschen kehren wir hoffnungsfroh auf eine wunderbare, vor uns liegende gemeinsame Zeit zurück nach Deutschland. Gespannt verfolgen wir Chiangas »Einzug« in unser Haus aus Stein. Und obwohl sie sich im Laufe der Zeit zu einer recht verhaltenen Hündin entwickelt, meistert sie auch diesen Umschwung vom Wohnmobil ins Haus souverän. Und es dauert gar nicht so lange, und sie hat Bazous ganze Liebe, nutzt diese im Gegenzug hin und wieder gnadenlos aus und bestimmt ganz gern einmal und konsequent, wer wo liegen darf. Und dann helfen auch Bazous fragende Blicke nicht sehr viel weiter. Ein Leben mit Glücksfä(e)llen kann so ungerecht sein …


 

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