Dass die alte Faustregel, wonach ein Hundejahr sieben Menschenjahren entspricht, so nicht stimmen und schon gar nicht für alle Hunde gelten kann, ist nichts Neues. US-amerikanische Wissenschaftler haben jedoch nun das Alter von Hunden – und zwar von Labrador Retrievern – und Menschen auf molekularbiologischer Ebene bestimmt und miteinander verglichen. Über die Ergebnisse dieser Studie berichtet WUFF-Herausgeber Dr. Hans Mosser.
Hunde (wie auch viele andere Tiere) haben eine deutlich kürzere Lebensdauer als wir Menschen. Je nach Größe, Typ bzw. Rasse des Hundes unterscheiden sich die Lebenserwartungen unserer Vierbeiner beträchtlich ebenso wie die Zeiten der Dauer ihrer Entwicklung vom Welpen zum Senior sehr unterschiedlich sind. So ist etwa eine 8-jährige Dogge schon ein Senior, während ein gleichaltriger Chihuahua da erst in seinen besten Jahren ist und eine Lebenserwartung von weiteren 8 Jahren haben kann. Obwohl also der eine mit 8 Jahren schon als »alt« gilt und der andere im selben Alter noch als ziemlich jung, wird häufig von einer Faustregel ausgegangen, wonach ein Hundejahr ungefähr sieben Menschenjahren entsprechen soll.
Diese Regel hat allerdings keine solide Basis, weil sie alle Hunde, egal welcher Größe, welchen Typs und welcher Rasse über einen Kamm schert. Ebenso werden andere Faktoren nicht berücksichtigt, die ebenfalls die Alterung eines Hundes beeinflussen, wie Geschlecht, Erbkrankheiten, Ernährung oder auch Haltungsbedingungen oder Kastrationszustand.
Epigenetische Uhr als Altersanzeige
Beim Alterungsprozess finden bei allen Säugetieren ähnliche physiologische Veränderungen statt. Wir erkennen sehr gut sowohl an der Veränderung der Morphologie als auch des Verhaltens, wie unsere Hunde älter werden und was einen »jungen« oder »alten Hund« ausmacht. Das lässt sich auch auf genetischer Ebene nachweisen, und zwar durch sog. epigenetische Veränderungen (über Epigenetik vgl. Artikel von Irene Sommerfeld-Stur in WUFF 4/2015). Ein Hauptfaktor dafür sind im Laufe des Älterwerdens Anlagerungen von Methylgruppen an ganz bestimmte Basen der DNA (DNA-Methylierung), was durch Enzyme bewirkt wird.
Weil dieser Prozess sich im Laufe des Lebens vorhersagbar verändert, lassen sich anhand der zunehmenden Anzahl solcher Methylierungen sowie deren genauer Lokalisation mathematische Modelle konstruieren, die das Alter eines Individuums abschätzen lassen. Daher spricht man auch von einer sog. epigenetischen Uhr.
Das Thema ist für Wissenschaftler vor allem deswegen hochinteressant, weil sich damit Hinweise zur Entwicklung von sog. Anti-Aging-Produkten gewinnen lassen könnten und deren Wirksamkeit auf genetischer Ebene nachweisbar sein könnte. So hat sich der Mediziner Trey Ideker, Professor an der University of California in San Diego (Kalifornien), intensiv mit dieser epigenetischen Uhr bei Menschen befasst. Diese würde, so Ideker, auf der Ebene des Genoms denselben Hinweis auf das Alter geben wie die Falten im Gesicht eines älter werdenden Menschen.
Eine seiner Studierenden, Tina Wang, eine Hundehalterin, brachte Ideker auf die Idee, das, was er bisher bei Menschen beforschte, in vergleichbarer Weise bei Hunden zu tun. Denn aufgrund der Parallelität des Ablaufs der DNA-Methylierungen bei Menschen und Hunden, die jedoch bei Hunden aufgrund ihrer kürzeren Lebenserwartung rascher ablaufen, müssten sich die Alterungsprozesse, d.h. die epigenetischen Uhren, durchaus vergleichen lassen. Damit würde eine molekularbiologische Methode zur Verfügung stehen, die Altersstadien von Hunden und Menschen, von der Geburt über Säuglingsalter, Jugend und Erwachsenenalter bis zum Senior miteinander zu korrelieren.
Hunde altern anfangs rasch
Wohl weil er auch selbst einen Hund hatte, fand der Professor großes Interesse an diesem Studienprojekt, das vor kurzem publiziert wurde (Wang et al., 2020). Hunde und Menschen, die im gemeinsamen Haushalt leben, sind denselben Umweltbedingungen unterworfen und haben vergleichbare Lebensstilfaktoren ebenso wie ein ähnlich hohes Niveau in der medizinischen Versorgung. Und weil das Alter eines Hundes im veterinärmedizinischen Kontext oft auch diagnostische und therapeutische Entscheidungen beeinflusst, habe das Thema tatsächlich eine große Bedeutung, befand Ideker.
Über eine Wissenschaftlerin der veterinärmedizinischen Fakultät seiner Universität erhielt Ideker Blutproben von 104 Labrador Retrievern. Es waren Hunde vom frühesten Welpen- bis ins Seniorenalter; der älteste Hund war 16 Jahre alt. Anhand der Blutproben wurden zusammen mit zwei Genetikexpertinnen das Ausmaß der Methylierung und deren Lokalisation am Genom untersucht und die Ergebnisse mit denen von Menschen unterschiedlichen Alters verglichen. Nun korrelierten die Wissenschaftler diese Daten zueinander und erstellten eine Vergleichskurve (siehe Abbildung oben). So entsprachen in der Studie Ausmaß und Lokalisation der DNA-Methylierung von 2-jährigen Labrador Retrievern denen von 40-jährigen Menschen. Die Daten des halb so jungen Hundes, also eines 1-Jährigen, korrelierten hingegen mit denen eines ca. 30-jährigen Menschen. Wenn also im ersten Jahr der Labrador Retriever um vergleichsweise 30 Menschenjahre altert, waren es in seinem zweiten Lebensjahr nur mehr 10 Menschenjahre. D.h. es handelt sich um eine nichtlineare Beziehung, wonach Hunde in den ersten Jahren rasch, danach aber langsamer altern. Damit würde die alte Regel, nach der ein Hundejahr sieben Menschenjahren entspräche, widerlegt sein, so die Forscher. Vielmehr schlagen sie eine etwas komplizierte logarithmische Formel vor, nämlich diese: »Menschenalter = 16 ln(Hundealter) + 31«. Bevor man jetzt mit einem Rechner zu logarithmieren beginnt, ist es allerdings einfacher, die »Menschenjahre« seines Hundes einfach auf der Abbildung links abzulesen.
Ein 40-jähriger Mensch ist noch jung!
»Ich habe eine sechsjährige Hündin«, so Professor Ideker, »und sie geht mit mir noch immer joggen. Aber jetzt realisiere ich, dass sie doch nicht so jung ist, wie ich dachte«. Entsprechend der Korrelationskurve würde seine 6-jährige Hündin nämlich einem ungefähr 60-jährigen Menschen entsprechen. Abgesehen davon, dass ein Mensch dieses Alters noch ziemlich fit sein und Marathons laufen kann, habe ich mit dem Professor Kontakt aufgenommen und ihn mit einigen meiner Einwände zur Studie konfrontiert.
Auch wenn in den Ergebnissen der Studie darauf hingewiesen wird, dass diese sich ausschließlich auf Labrador Retriever beziehen, haben die meisten Medien diese Ergebnisse pauschal auf Hunde allgemein übertragen. Das ist natürlich ein Interpretationsfehler und kann schon ganz offensichtlich aufgrund der hohen Variabilität der Hundetypen und Rassen und deren Lebenserwartung nicht stimmen. So ist das »Alter« einer 8-jährigen Dogge natürlich anders zu bewerten als das eines gleichaltrigen langlebigen Kleinhundes. Und mancher zweijährige American Bulldog zeigt ein Verhalten, das sicher nicht einem 40-jährigen Menschen entsprechen kann. Außerdem sind manche Hunde erst zwischen zwei und drei Jahren »ausgewachsen«, während Menschen dies deutlich früher als mit 40 Jahren sind.
Mit diesen Einwänden konfrontiert, zieht sich der Wissenschaftler elegant aus der Affäre. Trey Ideker zu WUFF: »Die Interpretation unserer Ergebnisse bleibt noch abzuwarten«. Und zum Hinweis, dass WUFF-Redaktionshund Pauli mit seinen zwei Jahren nicht einem 40-jährigen Menschen entsprechen kann, sondern sehr viel jünger wirkt, präsentiert Ideker eine andere, jedenfalls sehr originelle Interpretation: »Vielleicht ist es Zeit zu realisieren, dass ein 40-jähriger Mensch eben noch immer jung ist!«
Weil in der Studie auch nicht angegeben ist, ob die Hunde kastriert sind oder nicht, und in den USA die Frühkastration ja weithin üblich ist, habe ich Trey Ideker gefragt, ob die untersuchten Labrador Retriever kastriert oder intakt seien. Der Wissenschaftler gab zu, dass sie das nicht untersucht hätten, meinte aber »Ich stimme Ihnen zu, dass es eine sehr interessante Frage ist, ob und inwieweit die Kastration einen Einfluss auf das biologische Alter eines Hundes hat.«
Fazit
Die Studie der Wissenschaftler der University of California, San Diego (Wang et al., 2020), hat interessante Ergebnisse geliefert über den Vergleich der Lebensalter von Labrador Retrievern mit Menschen durch Beurteilung molekularbiologischer Veränderungen, welche als epigenetische Uhr bezeichnet werden. Hunde altern rascher als Menschen und haben dadurch auch eine kürzere Lebensdauer, was Hundehalterinnen und Halter oft schmerzlich feststellen müssen. Die Alterungsprozesse auf (epi)genetischer Ebene sind jedoch ähnlich, sodass sich eine Vergleichskurve bilden lässt. Diese zeigt – wie zu erwarten – einen nichtlinearen Verlauf. Ob ein zweijähriger Labrador Retriever laut dieser Kurve tatsächlich einem Menschenalter von 40 Jahren entspricht, ist jedoch schwierig zu bewerten. Die Interpretation von Trey Ideker, wonach die Latte, wie lange Menschen als jung gelten, höher anzusetzen wäre und ein 40-Jähriger eben noch als jung gelten soll, hat etwas für sich. Interessant wäre eine ähnliche Studie, die die Alterungsprozesse bei Hunden unterschiedlicher Rassen untersucht und vergleicht, ebenso wie weitere Faktoren, wie etwa den Einfluss der Kastration oder auch bestimmter Fütterungsregimes.
Interessant und kurzweilig wäre es vielleicht, wenn wir unsere Hunde nach unserer persönlichen Erfahrung mit Menschenjahren vergleichen und eine eigene Vergleichskurve wie die auf Seite 38 zeichnen. Unsere Vergleichsbeurteilung kann sich dabei sowohl auf das Verhalten als auch auf den körperlichen Zustand unseres Vierbeiners stützen und dies mit menschlichen Lebensphasen wie Säugling, Kindheit, Jugend/Pubertät, junger Erwachsener, reifer Erwachsener, alter Mensch und Greis bzw. den entsprechenden Lebensjahren korrelieren.
Machen Sie mit!
Wenn Ihnen diese Idee der Erstellung einer solchen Vergleichskurve für Ihren Hund gefällt, schicken Sie mir bitte diese Kurve Ihres Hundes (soweit sie eben seinem Alter entspricht) zusammen mit einigen kurzen Infos zum Hundetyp (am besten ein Foto) und eine kurze Erklärung Ihrer Kurve. Sollten ausreichend viele WUFF-Leserinnen und -Leser mitmachen, werde ich Ihre Erfahrungswerte gerne sammeln und miteinander vergleichen. Die Ergebnisse dieser Einschätzungen werde ich dann in WUFF publizieren – vielleicht findet sich dann ja auch das Foto Ihres Hundes zusammen mit seiner Lebensaltervergleichskurve in WUFF. Schreiben Sie mit bitte (mosser@wuff.eu).
Literatur
Im Artikel zitierte Literaturquellen in alphabetischer Reihenfolge
• Chen B. et al., Face recognition and retrieval using cross-age reference coding with cross-age celebrity dataset. IEEE Trans. Multimedia 2015:17,804-815.
• Sommerfeld-Stur I., Gene und Umwelt – ein erfolgreiches Team. WUFF 4/2015)
• Wang T et al., Quantitative Translation of Dog-to-Human Aging by Conserved Remodeling of the DNA Methylome. Cell Systems (2020), https://doi.org/10.1016/j.cels.2020.06.006