Wenn ich wegen eines Beißvorfalls in eine Familie gerufen werde, ist das Ergebnis der Anamnese sehr häufig Stress. Was ist Stress und welchen Stress verursachenden Auslösern sind unsere Familienhunde im Alltag ausgesetzt, die einen Beißvorfall begünstigen? Zunächst einmal gehört Stress zum Leben, genau wie die Entspannung auch. Stress ist wichtig, weil er uns aktiviert und zu Höchstleistungen befähigt. Stress kann aber auch krank machen, dann nämlich, wenn er chronisch wird.
Stress ist die Bezeichnung für die Anpassungsreaktion eines Individuums an eine Situation, die mit einer erhöhten Alarmbereitschaft einhergeht (McEven, 1998). In der Steinzeit sicherte uns die Stressreaktion das Überleben – durch das Ausschütten von Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol schärfen sich in einer Gefahrensituation die Sinne, die Muskulatur spannt sich an, die Ohren werden besser durchblutet, das Herz schlägt schneller, der Körper bereitet sich auf eine sofortige Reaktion vor. Stress ist unglaublich vielfältig, das ist der Grund, warum ich diesen allgemeinen Begriff nicht sonderlich mag – er ist im Grunde viel zu pauschal. Ich kann mich gut erinnern, wie mein Körper reagierte, als ich eine meiner Idole, Dr. Jane Goodall, 2017 zum ersten Mal traf. Ich schätzte mich als stressresilient ein – bis zu diesem Tag. Ich bekam weiche Knie, meine Hände wurden feucht und bei dem Versuch, ein Foto mit dem Handy zu schießen, zitterten sie so stark, dass das Bild verwackelte. Ich verehre diese Frau und sie persönlich zu treffen, stand ganz groß auf meiner Bucket-List. Mein Körper war in diesem Moment akutem Stress ausgesetzt, er ging nur mit einer positiven Bewertung einher, weil ich die Situation als Bereicherung empfand.