Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund". WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe möchte eine WUFF-Leserin wissen, wie sie ihren Hund daran hindern kann, ihre Katzen zu jagen.
Hallo Frau Adler!
Ich wende mich heute mit einem Problem an Sie, da die Situation bei mir zu Hause langsam außer Kontrolle gerät. Ich bin schon seit vielen Jahren Katzenbesitzerin! Ich habe insgesamt zwei Kater und eine Katze, wobei zwei meiner Tiere Freigänger sind und der eine Kater sich nur innerhalb des Hauses aufhält. Alle meine Tiere habe ich aus Tierheimen übernommen, um ihnen ein schöneres Leben zu bieten. Vor zwei Monaten erreichte mich ein weiterer Notfall: ein ca. 3 Monate alter Mischling wurde an einer Autobahnraststation ausgesetzt und suchte dringend ein neues Zuhause. Er war voller Parasiten, hatte Ohren- und Augenentzündungen und war dadurch generell in einem sehr schlechten Zustand. Ich nahm ihn bei mir auf, pflegte ihn gesund in der Hoffnung, ihm ein dauerhaftes, schönes Zuhause bieten zu können. Marvin ist mittlerweile komplett fit und ein lustiger Jungspund. Leider ergeben sich nun erste Probleme mit meinen Katzen! Anfangs haben sich alle geduldet und sind sich aus dem Weg gegangen. Mittlerweile beginnt Marvin aber die Katzen zu jagen. Teilweise passiert das im Garten, teilweise jagt er sie aber auch durch das ganze Haus bis ins obere Stockwerk! Was kann ich tun, damit er damit aufhört? Bitte helfen Sie mir, denn ich möchte keines meiner Tiere hergeben!Herzlichst,
Clara Burger
Antwort von Yvonne Adler:
Liebe Frau Burger,
es ist schön zu hören, dass Sie so vielen Tieren eine Chance auf ein besseres Leben ermöglichen möchten! Natürlich sollte die Situation bei Ihnen zu Hause sofort so weit gemanagt bzw. umgestaltet werden, dass sich auch alle Lebewesen wohl und sicher fühlen. Denn wenn ein Hausbewohner die anderen terrorisiert oder verängstigt, zerstört das langfristig die Harmonie im Zuhause! Um einen Hund optimal in einen Katzenhaushalt zu integrieren, sollten ganz klare Regeln geschaffen und natürlich auch eingehalten werden. Eine dieser Regeln ist, dass es dem Hund absolut untersagt ist, die eigenen Katzen zu jagen. Denn wenn dieses Verhalten öfter vorkommt, perfektioniert der Hund dieses Verhalten und es wird immer stärker und öfter gezeigt werden. Und zudem könnte es passieren, dass sich die Freigänger-Katzen dafür entscheiden abzuwandern.
Getrennte Bereiche
Da ein junger Hund den Grundgehorsam erst lernen muss, rate ich Ihnen in erster Linie die Situation durch Management besser zu gestalten. Dazu sollten Sie in Ihrem Haus klar getrennte Bereiche schaffen. Es sollte einen Bereich geben, der nur für die Katzen reserviert ist, einen, in dem sich nur Marvin aufhalten darf, und ein paar Begegnungszonen. Aus Ihrer Erzählung schließe ich, dass Sie in einem Haus mit zumindest noch einem Stock wohnen. Dies eignet sich besonders gut, um zum Beispiel das obere Stockwerk komplett für die Katzen zu reservieren. Die Trennung ist hier leicht durchzuführen, da einfach ein Kindergitter an der Treppe angebracht werden kann, das den Hund daran hindert hinauf zu laufen.
Im unteren Stockwerk sollten Sie ein bis zwei Räume für Marvin reservieren, die den Katzen nicht zugänglich sind. Dieser Bereich soll die Ruhezone des Hundes werden. Hier sollte er schlafen können, ohne von Katzen gestört zu werden, hier sein Futter und ausreichend Kausachen bekommen, ohne fürchten zu müssen, dass eine Katze ihm etwas stiehlt. Sollte dies nicht möglich sein, können Sie zum Beispiel mit Gittern auch einen Bereich im Wohnzimmer abtrennen, der nur Marvin gehört. Achten Sie aber dabei bitte darauf, dass die Katzen nicht ständig durchlaufen und ihn stören. Für sie sollte hier ebenfalls eine Tabu-Zone sein.
Begegnungsbereich
Den Begegnungsbereich können Sie zum Beispiel gut im geräumigen Wohnzimmer und im Gangbereich unterbringen. Es sollte jedoch keinesfalls zu eng sein.
Diese getrennten Bereiche dienen dazu, dass jedes Individuum einen sicheren Platz hat, auf den er bzw. sie sich zurückziehen kann, ohne dass Störungen vorkommen. Auch die Katzen sollten ihre Futter- und Schlafstellen so gestaltet haben, dass Ruhe einkehren kann. Diese Plätze sollten wiederum für Marvin tabu sein. Sollte es den Katzen also zu viel mit Marvin werden, können sie sich ins obere Stockwerk begeben und dort die Ruhe genießen. Das gleiche gilt für Marvin, auch er bekommt seinen Ruhebereich, was die Situation im Haus bereits entspannt.
Sitz, Bleib & Co – wie oft üben?
Zusätzlich sollten Sie beginnen, Marvin möglichst konsequent und nachhaltig die wichtigsten Kommandos beizubringen. Dazu zählen Sitz & Platz, in Verbindung mit Bleib, sowie ein sicherer Abruf. Diese Signale können Sie alleine einüben oder Sie holen sich Hilfe in einer qualifizierten Hundeschule bzw. bei einer langjährigen Fachkraft.
Ich empfehle Ihnen, mindestens dreimal pro Tag konzentriert mit ihm zu üben. Diese Einheiten müssen nicht lange dauern – ca. 5 Minuten reichen vollkommen aus. Sie sollten in dieser Zeit komplett für Marvin zur Verfügung stehen.
Wenn nach den ersten Trainingswochen die Kommandos gut sitzen, können Sie beginnen, diese im Alltag einzusetzen. Das tägliche Zusammenleben sollte weiter so gestaltet sein, dass es zu keiner Jagdsituation zwischen Marvin und den Katzen mehr kommen kann. Sie können also zum Beispiel beginnen, Ihren jungen Rüden abzulegen und kurz verbleiben zu lassen, wenn die Katzen vorbeigehen. Ausgiebiges Lob für „Katzen ansehen" und ruhig bleiben ist hier für Marvin & Sie ganz wichtig. Also auch Sie sollten daher ganz entspannt mit allen Tieren umgehen und insbesondere bei einer Begegnung sehr ruhig und gelassen sein.
Lohnende Übungen
Alle diese Situationen müssen sich für Marvin unbedingt ganz besonders gut lohnen! Sie sollten hier zum Beispiel mit – für ihn – sehr hochwertigen Leckerchen arbeiten. Denn in diesem Training sollte die Bestätigung für Marvin hochwertiger sein als hinter den Katzen herzulaufen, damit es sich für Marvin auch auszahlt!
Funktionieren alle diese Übungen gut, können diese gesteigert werden. Wenn sich die Tiere also zur gleichen Zeit im Raum befinden, können Sie Marvin nun auf Platz legen und ihn verbleiben lassen. Damit diese Übung für den jungen Hund nicht zu schwierig wird, können Sie ihm zusätzlich zum Beispiel etwas zum Kauen geben. Marvin soll sehen, dass ein ruhiges, braves Verhalten sich mehr auszahlt als den Katzen nachzujagen.
Als zusätzliche Maßnahme empfehle ich Ihnen außerdem, Marvin im Garten anfangs mit einer Leine zu sichern. So können Sie sich in Ruhe vergewissern, dass keine Katze anwesend ist, die er jagen könnte. Ist dem so, darf er laufen und sich austoben. Sollte jedoch ein anderes Tier ebenfalls im Garten sein, bleibt er an der Leine und Sie können zum Beispiel Leckerli-Suchspiele machen, um ihm zusätzliche Beschäftigung zu geben. So verhindern Sie, dass Marvin sein Jagdverhalten auf die Katzen noch weiter üben und ausführen kann.
Ich wünsche Ihnen, dass durch die genannten Maßnahmen in Ihrem Haushalt Ruhe einkehrt und Sie bald ein harmonisches Zusammenleben genießen können.
Ihre Yvonne Adler