Stimmungsübertragung zwischen Mensch und Hund

Von Karin Joachim MA

Kennen Sie das? Genervt vom Job kommen Sie nach Hause.
Nun schnell noch den Gassigang mit dem Vierbeiner absolvieren. Doch der Spaziergang verläuft von Beginn an wenig erfreulich, denn schon an der nächsten Ecke meckert Ihr Hund den erstbesten entgegenkommenden Vierbeiner an. „Auch das noch!", denken Sie? Was folgt, weiß fast jeder Hundehalter: die Stimmung wird immer angespannter, Spaß macht es keinem. Vielmehr nerven sich Mensch und Hund gegenseitig und kehren unzufrieden nach Hause zurück. Dies ist nur eine von vielen Situationen, in denen der negative ­Funke vom Menschen auf den Hund überspringt. Wie funktioniert diese Übertragung und warum gibt es so etwas überhaupt?

Es ist schon erstaunlich, dass Hunde so deutlich auf uns reagieren. Warum tun sie das eigentlich? Um diese Frage beantworten zu können, hilft ein Blick ganz weit zurück in die Menschheitsgeschichte: Vermutlich duldeten die Menschen der Steinzeit nur besonders zahme und umgängliche Wölfe in ihrer Nähe. Überlebensvorteile hatten daher jene Tiere, die auf den Menschen achteten und es verstanden, seine Gestik und Mimik zu lesen. Aus diesen sogenannten Protohunden wurde dann vor etwa 14.000 Jahren der Canis familiaris, der heute gerne auf unseren Sofas liegt und unser Partner bei Sport und Spiel ist.

Warum gelang es den Hunden aber überhaupt, so sehr auf den Menschen einzugehen? Wölfe und Hunde sind als Caniden soziale Tiere, die in der Gemeinschaft leben und überleben. Um in der Gemeinschaft leben zu ­können, ist es unumgänglich, auf den anderen zu ­achten, will man nicht ständige Auseinander­setzungen riskieren, die dann auch die gesamte Gruppe ­schwächen könnten. Wenn Wölfe gemeinsam auf die Jagd gehen, arbeiten sie auf ein gleiches Ziel hin, sie zeigen synchrones Verhalten. Wenn Hunde einen ­anderen Hund mobben, dann hat das auch etwas mit der Übertragung einer speziellen Stimmung zu tun.

Wie übertragen sich Stimmungen?
Unter Menschen ist Gähnen ansteckend. Warum das so ist, darüber gibt es vielfältige Theorien. Eine davon ist die, dass durch eine Erhöhung des Sauerstoffes, wie dies durch Gähnen erzielt wird, im Körper die Handlungs­bereitschaft erhöht wird. Es wird zudem als Zusammenhalt förderndes Signal innerhalb einer ­Gruppe verstanden. Das Gähnen bei unseren Haus­hunden wird seit einigen Jahren ebenfalls näher untersucht. Ist es ansteckend? 2008 fanden Forscher heraus, dass das menschliche Gähnen Hunde zum ­Mitgähnen bringt. Weitere Studien konnten das jedoch nicht eindeutig bestätigen. Manche Forscher glauben, dass Gähnen lediglich Ausdruck von Stressbewältigung sei. Eine aktuelle Studie (Romero et al. 2013) belegt nun neuerlich die hundliche Empfänglichkeit für menschliches Gähnen. Da die getesteten Vierbeiner häufiger gähnten, wenn ihr Besitzer und eben kein Fremder dies tat, kann das als Beleg für eine wenn auch rudimentäre Form der Empathie (das Hineinfühlen in einen anderen) gewertet werden. Wie kommt es aber dazu?

Es verdichten sich schon seit längerem die Anzeichen dafür, dass auch Hunde sogenannte Spiegel­neuronen besitzen könnten. Diese speziellen Nervenzellen sind aktiv, wenn ein Lebewesen ein anderes bei einer Tätigkeit beobachtet. Und diese Nervenzellen zeigen dann genau das Aktivitätsmuster, das sonst beim ­tatsächlichen Ausführen einer Handlung feststellbar ist, sie spielen also auch bei der Nachahmung eine ­Rolle. ­Lange glaubte man, nur Primaten seien dazu in der Lage. Aber nicht nur das Handeln anderer wird „gespiegelt", man vermutet zudem, dass die Spiegelneuronen daran beteiligt sind, wenn es um Empathie geht. Da unsere Hunde so lange mit uns zusammenleben, ist es gut möglich, dass sie sich zu einem gewissen Teil in uns hineinversetzen können, wenn auch nicht bewusst. Das macht aber auch Sinn.

Warum ist Stimmungsübertragung sinnvoll?
In einer Gruppe ist es in manchen Situationen wichtig, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Diese Synchronisation hilft dabei, Gruppenziele gemeinsam umzusetzen. Sie funktioniert jedoch nicht unter Zwang, sondern auf freiwilliger Basis. Wölfe sind klug genug zu „verstehen", dass ältere Mitglieder meist über besonders viel Erfahrung verfügen und es „dumm" wäre, sich nicht daran zu ­orientieren. Diese Orientierung verläuft sicherlich über mehrere „Kanäle": die visuelle Beobachtung, olfaktorische (geruchliche) Hinweise und auch die Erinnerung an frühere ­Erlebnisse. Zudem scheint während der Übertragung von Stimmungen – bei Mensch und Tier – das sogenannte Belohnungs- und Beruhigungssystem aktiviert zu werden. Gemeinsamkeit macht also ein gutes Gefühl. Dagegen verursacht abweichendes Verhalten Stress beim Individuum. Denn es besteht die Gefahr, aufgrund des abweichenden Handelns von der Gruppe zum Außenseiter abgestempelt zu werden. Wer möchte das riskieren?

Stimmungsübertragung wird uns Menschen im Umgang mit unseren Hunden meist nur bewusst, wenn es um negative Gefühle geht: Gestresste Menschen verur­sachen auch beim Hund Stress. Sieht der Hundehalter der Begegnung mit einem frechen oder rauflustigen Vierbeiner mit Sorge und Anspannung entgegen, verhält sich auch der eigene Hund dementsprechend. Hier kommen mehrere Faktoren zum Tragen wie die gespannte Leine oder körpersprachliche Stresssignale des ­Menschen. Auch die bisherigen Erfahrungen spielen eine Rolle – bei Hund und Mensch.

Auf der falschen Fährte
Völlig auf der falschen Fährte sind wir Menschen oft, wenn es darum geht, unserem Hund eine unangenehme Situation als absolut harmlos zu vermitteln: Nach einem lauten Knall, beispielsweise wenn ein Feuerwerk gestartet wird, sind wir versucht, unserem Hund auf Menschenart zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist. Was tun wir? Wir reden häufig fürsorglich auf ihn ein, streicheln ihn und versuchen, ihn zu beruhigen. Ein Fehler, denn was der Vierbeiner versteht ist dieses: Diese Situation war/ ist bedrohlich, weil der Mensch so viel Aufhebens darum macht und selbst so unsicher wirkt. Ein selbstsicheres Verhalten des Menschen, z.B. beherztes Weitergehen, als sei nichts gewesen, beruhigt den Vier­beiner dagegen mehr.

Auf die falsche Fährte bringt Hundehalter außerdem immer noch der „schuldbewusste Blick" ihres Vierbeiners, wenn er etwas ausgefressen hat. „Er muss doch wissen, dass er den Blumentopf nicht hätte herunterwerfen dürfen!" Nein, das hat nichts mit Schuldgefühlen zu tun. Wir sind vielmehr an seiner Körperhaltung mit schuld: Alexandra Horowitz vom Barnard College in New York ergründete 2008 in einer Studie den ­„guilty look", also den „schuldbewussten Blick" unserer Haushunde. Und dieser stellte sich als direkte Reaktion des Vierbeiners auf das erwartete oder tatsäch­liche Verhalten des Besitzers heraus und hatte nichts damit zu tun, ob wirklich in dessen Abwesenheit ein verbotenes Leckerchen verspeist ­worden war oder eben nicht. Berichtete man dem Hundehalter, der Vierbeiner habe geklaut, was aber gar nicht stimmte, so zeigte sich der Hund trotzdem „schuldbewusst". Dieses auf den Menschen bezogene Verhalten funktionierte auch im gegenteiligen Fall: Wenn der Hund trotz Verbotes gefressen hatte, seinem ­Besitzer jedoch mitgeteilt wurde, dass sein Hund brav gewesen sei, so war dem Vierbeiner eben kein „schuldbewusstes" Verhalten anzumerken. Alles in allem sind diese Beobachtungen also ein ernst zu nehmender Beleg dafür, dass unsere Fellträger deutlich auf unser Verhalten reagieren. (s. auch Karin Joachim, „Schuldbewusster Blick – Haben unsere Hunde Schuldgefühle?", in WUFF 7-8/2012)

Gut zu wissen
Stimmungen übertragen sich – das müssen wir uns bewusst machen! Emotionale Ausbrüche, Trösten, miese Laune können unsere Vierbeiner allerdings auch als Meister des „Menschenlesens" nicht immer richtig einordnen und leiden mitunter sogar darunter. Vor allem, wenn wir ihnen etwas nachtragen und stundenlang böse auf sie sind, ja, sie sogar von unseren weiteren Aktivitäten ausschließen. Nachtragendes Verhalten kommt unter Hunden aber gar nicht vor.

Natürlich können wir nicht tagtäglich mit einem Dauergrinsen umherlaufen, auch negative Gefühle stehen uns zu. Wir sollten jedoch bedenken, dass sich diese ­negativen Gefühle auf unsere Hunde übertragen können. Viel zu wenig setzen wir bewusst unsere Körpersprache ein. Laufen wir beschwingt und aufrecht auf unserer Spazier­strecke, so weiß der Hund: „Alles entspannt!". Gesenkter Blick, ­hängende Schultern bedeuten für ihn: „Oh, hier ist Vorsicht angebracht!" Unsere Körperhaltung sagt also nicht nur etwas über unseren Gemütszustand aus, sie gibt dem Hund ­darüberhinaus wichtige Signale.

Was wir zudem auch viel zu selten tun ist, von Zeit zu Zeit mehr auf die Stimmung unseres Hundes zu achten. Was spricht eigentlich dagegen, seine Spiellaune und Lebensfreude auf uns abfärben zu lassen?

HINTERGRUND

Die Stimmung: Was ist das?

Während wir darunter üblicherweise eine gute oder schlechte Laune verstehen, definiert die Verhaltensbiologie Stimmung als Handlungsbereitschaft. Innere Faktoren tragen dazu bei, dass ein bestimmtes Verhalten gezeigt wird. Ein einfaches Beispiel: Ein Tier hat Hunger und macht sich auf Nahrungssuche. Das Verhalten wird im Gehirn aber auch bewertet und mit bestimmten Emotionen verknüpft.

LITERATURQUELLEN

  • Alexandra Horowitz, „Disambi­guating the ‚guilty look‘: Salient prompts to a familiar dog behavior", Behavioural Processes 81 (2009), 447-452.
  • Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung, München, 8. Auflage 1999.
  • Joly-Mascheroni, Senju, Shepherd, Dogs catch human yawns, Biology Letters 2008, DOI: 10.1098/rsbl. 2008. 0333.
  • Kurt Kotrschal, Wolf – Hund – Mensch. Die Geschichte einer jahrtausende­alten Beziehung, Brandstätter Verlag, Wien 2012.
  • Dr. Ádám Miklósi, Hunde. Evolution, Kognition und Verhalten. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2011.
  • Romero T, Konno A, Hasegawa T (2013) Familiarity Bias and Physiological Responses in Contagious Yawning by Dogs Support Link to Empathy. PLoS ONE 8(8): e71365. oi:10.1371/journal.pone.0071365

Das könnte Sie auch interessieren: