Stationäre Hundeausbildung

Von Michaela Daum

Unter stationärer Ausbildung versteht man im Allgemeinen das Training eines Hundes in fremder Umgebung und ohne Kontakt zu seinem Besitzer. Während der Ausbildungszeit hat der betreffende Hund ausschließlich Kontakt zu einem, später wechselnden Trainern. Nach der individuellen Dauer der Ausbildung wird der Hund schrittweise wieder mit seinem Besitzer zusammengeführt. Nun lernt der Besitzer, auf welche Signale der Hund welche Handlungen ausführt. Im Gegenzug lernt der Hund, nun seinen Besitzer neu zu lesen bzw. die erlernten Signale auch bei seinem Besitzer zuverlässig auszuführen.

Idealerweise wird ein Trainingsplan von dem Trainer erstellt. Nach diesem Plan, der sich sowohl nach dem Ist-Zustand zwischen Besitzer und Hund richtet, als auch nach den gewünschten Zielen, wird mit dem Hund über einen längeren Zeitraum trainiert. Erst in möglichst reizarmem Umfeld, später nach und nach unter steigender Ablenkung. Im Idealfall übernimmt ein/e genau eingewiesene/r Kollege/in ebenfalls verschiedene Trainingssequenzen, um so das zu formende Verhalten nicht auf eine bestimmte Person zu fixieren. Der Ist-Zustand, die einzelnen Ausbildungsschritte sowie die Zusammenführung des Teams Besitzer-Hund werden auf Video aufgezeichnet und dem Besitzer am Ende der Ausbildung zur Verfügung gestellt.

Sinn der Fremdausbildung
Einem Lebewesen, das unter bestimmter fachgerechter Ausbildung schneller und zuverlässiger neues Verhalten lernt, kann dadurch ein Schritt in eine andere Richtung ermöglicht werden. Und zwar deshalb, weil eine neutrale, nicht so stark emotional an den Hund gebundene Person objektiver und gerechter mit ihm umgehen kann. Es ist eine bestimmte Zielsetzung vorgegeben, und ein Profi geht nach dem Trainingsplan vor und belohnt auch kleinere Fortschritte. Ein Besitzer ist oft emotional zu sehr verstrickt oder körperlich nicht in der Lage, seinen Hund selbst an dieses Ziel zu bringen.

Variationen der stationären Ausbildung

Blinden-Führhunde
Diese Form der Service-Hunde kann ausschließlich in stationärer Ausbildung erfolgen. Wie soll ein Blinder einem Hund zeigen, was ein Zebra-Streifen ist? Wie soll er ihm Führen in die geforderte Richtung beibringen? Alleine schon Sitz, Platz, Fuß und Hier kann nur ausgebildet werden, wenn der Trainer sieht, ob der Hund es ausführt.

Rollstuhl-Begleithunde
Hier muss der Hund apportieren, Türen öffnen und schließen, Lichtschalter bedienen, Fremdpersonen zu Hilfe holen etc.. Auch hier ist der zukünftige Besitzer nicht in der Lage, es dem Hund zu vermitteln.

In diesen beiden Fällen der stationären Ausbildung wird der zukünftige Service-Hund schon von Welpe an getestet. Nur wenige Welpen eines Wurfes bestehen diese ersten Überprüfungen, manchmal ist in einem Wurf kein einziger geeignet. Verlässt nun der Welpe den Züchter, lebt er ca. ein Jahr in einer ausgesuchten Patenfamilie, die die stationäre Ausbildung beginnt. Welpenschule, Junghundeschule, Stadttraining, Busfahrten, allgemeine Sozialisation werden unter engem Kontakt zu der betreffenden Service-Hundeschule ausgeführt. Auch die Kastration wird meist in der Patenfamilie noch vorgenommen. Anschließend, nach bestandenem Gesundheitscheck, kommt der Hund zu einem/r Trainer/in, der/die die weitere Spezialausbildung bis zur Prüfung übernimmt. Anschließend wird der ausgebildete Hund mit wochenlanger Einführung seinem endgültigen Besitzer zugeführt.

Merkmale der Fremdausbildung
– Während der Ausbildung kein Kontakt zum endgültigen Besitzer
– Aufgezogen oder gehalten meist in Gruppenhaltung – die wenigsten Patenfamilien haben nicht nur einen Patenhund, sondern oft auch einen oder mehrere eigene.
– Der Hund lernt ständig, allein durch Reize aus dem Umfeld.
– Der Hund wird nicht als Eigentum betrachtet und darf deshalb nicht verhätschelt werden. Denn das macht dem Hund den Wechsel unnötig schwer.
– Alle Zweibeiner arbeiten zusammen und tauschen sich über Fortschritte und Probleme aus.

Fazit
Immer, wenn die oben genannten Punkte zusammentreffen, handelt es sich um stationäre Ausbildung. Also, und vor allem, auch in Tierheimen oder Pflegestellen von Tierschutzorganisationen. Allerdings fehlen hier oft ganz entscheidende Merkmale:

– Es wird – abhängig vom Tierheim – nicht nach Plan mit den Hunden gearbeitet.
– Zweibeiner tauschen sich oft nicht aus, jeder arbeitet ohne Plan und nach eigenem Gutdünken.
– Es wird nicht auf Video aufgezeichnet und der Ist-Zustand objektiv festgehalten.
– Jeder Zweibeiner verwöhnt die Tierheimhunde und bindet sie emotional eng an sich.
– Bei Vermittlung wird oft weder dem Hund noch dem neuen Besitzer in wochenlanger Zusammenführung die Chance gegeben, sich aufeinander einzustellen.
– Die Hunde werden in den meisten Tierheimen reizarm gehalten, eine gezielte Umweltsozialisation findet nicht statt.
– Es fehlt in der Regel geschultes Personal, sogar die Verhaltensweisen der Hunde werden falsch interpretiert.

Die größte Anzahl stationär „ausgebildeter" Hunde stammt also in Deutschland aus Tierheimen. Das Argument, dass man es ja ohne Vergütung tut, zählt nicht. Denn eine gute Ausbildung nach allen Regeln der Kunst kostet natürlich mehr. Doch dafür erhält man auch eine dementsprechende Leistung. Man sollte sich sachlich fragen, ob Tierschutz von einem anderen Gesichtspunkt geführt werden sollte. Weniger künstliche Hüftgelenke, weniger Gold-Implantate, weniger teurer Import aus dem Ausland – und die Mittel für korrekte Schulung der Mitarbeiter wären da! Vor allem einige Gassi-Gänger oder Mitarbeiter in Tierheimen neigen dazu, stolz darauf zu sein, dass nur sie mit diesem Hund zurechtkommen. Entschuldigung, aber dann sollen sie diesen Hund auch bitte mit nach Hause nehmen, oder?

Risiken in der stationären Ausbildung
Die große Gefahr bei der stationären Ausbildung liegt im Unverständnis mancher Besitzer, dass sie sich nachher auf die Techniken einstellen müssen, die der Hund kennt. Es kann nur so gut funktionieren, wie der Besitzer in der Lage ist, sich umzustellen. Wird Hunden langweilig, weil sie nach einer anspruchsvollen und abwechslungsreichen Ausbildung unterfordert werden, zeigen sie nach kurzer Zeit oft anderes unerwünschtes Verhalten, um Langeweile zu kompensieren und Aufmerksamkeit einzufordern. So sind sie nun mal.

Vorteile für den Hund
– klare, unmissverständliche Signale
– keine Verwirrung durch das „Kauderwelsch" mehrerer „Ausbilder"
– gut durchdachte Trainingspläne
– kontinuierlicher Aufbau des Erlernten
– schnelles Reaktionsvermögen eines Profis auf unerwartete Fortschritte des Hundes
– getrennte Aufgabenstellung, klare Struktur
– keine Emotionalität; Besitzer werden aufgrund von Frustration oft ungeduldig und ungerecht.
– Über- oder Unterforderung werden von einem erfahrenen Ausbilder schnell erkannt.
– Objektivität und eine grundlegende Distanz zum Hund ist für den eigenen Besitzer nicht durchführbar.
– Profis loben bis zu 30mal mehr als Laien, daher erhält hier der Hund erheblich mehr Motivation.
– Der Trainer verfügt über besseres Timing; Korrektur oder Lob kommt innerhalb 1 sec.
– schnelleres Lernen

WUFF HINTERGRUND

Service-Hunde sind grundsätzlich stationär ausgebildet

Blinden-Führhunde, Behinderten-Begleithunde und andere Servicehunde werden grundsätzlich stationär ausgebildet. Natürlich gibt es auch hier schwarze Schafe, die für billiges Geld schlecht ausgebildete Hunde verkaufen. Doch bei einer Reihe aller bestehenden Service-Hunde-Institute sind diese Hunde sehr gut über moderne positive Konditionierung ausgebildet. Und führen diese Hunde, die von jung an professionell an ihre Aufgaben in mühevoller Kleinarbeit herangeführt wurden, sicher die ihnen anvertrauten Personen durchs Leben? Ja, das tun sie. Und warum? Weil während ihrer insgesamt 1,5–2jährigen Ausbildung (ca. 1–1,5 Jahre in Patenfamilien, danach 6 Monate in Spezialausbildung) nach festen Plänen trainiert wurde.

Stationäre Ausbildung in Tierheimen
Auch wenn es noch nicht bei allen Tierheimen oder Tierschutz-Organistionen, den Vorständen, Mitarbeitern und Ehrenamtlichen angekommen ist, sie praktizieren tagtäglich stationäre Ausbildung. Leider jedoch in einigen ländlichen Organisationen immer noch ungewollt, ungeplant und ohne Konzept! Dabei wäre es einfach, sich untereinander abzustimmen! Zum Wohl der Hunde! Es gibt nur wenige vorbildlich geführte Tierheime, die eine gut organisierte Ausbildung in Zusammenarbeit mit professionellen Hunde-Erziehern betreiben. Musterbeispiele sind hier die Tierheime Darmstadt (D) und Krems (A).

Vorteile für Tierheime:
– bessere Vermittlungschancen
– verringerte Rückgaben
– höheres Ansehen
– gute Teamarbeit
– Steigern der Effektivität
– Steigerung des Wohlbefindens für Mensch und Tier

WUFF STELLT VOR


Die Autorin

Michaela Daum verfügt über langjährige Erfahrung als Hundetrainerin und bietet u.a. auch stationäre Hundeerziehung an. Neben ihrer Hundeschule betreibt sie auch eine Tierpension.
Hundeschule & Tierpension „Der Grüne Hund"
Michaela Daum, Auf Kraus 1, D-56751 Polch-Kaan
Tel. +49-(0)2654-96 24 80, Mobil: +49-(0)172-530 03 72
Mail: Der-Gruene-Hund@t-online.de
Web: www.der-gruene-hund.com

Das könnte Sie auch interessieren: