Nicht um das Geschlecht, sondern um die Persönlichkeit gehe es in der Erziehung – ist der Grundtenor der Diskussionsbeiträge, die zu dem Brief eines WUFF-Lesers aus Niedersachsen (s. Kasten auf dieser Seite) in der Redaktion eintrafen. Wer da heute noch geschlechtsspezifisch denkt, zeige „schlichten Geist", sagt Eckhard Grasbergs-Begerock aus Albessen in Rheinland-Pfalz, und „Die Persönlichkeit bringt die Ergebnisse in der Erziehung, nicht das Geschlecht des Erziehenden". Der 55-Jährige besucht mit seinem 14 Monate alten Entlebucher Max regelmäßig eine Hundeschule, die von vier Frauen geleitet wird. „Dieses Team agiert sehr erfolgreich, und mein Max entwickelt sich prächtig", hat Herrchen sichtlich keine Probleme mit Frauen. (Siehe Kasten auf Seite 43 oben.)
Hundeerziehung – früher Männersache
Renate und Regina Schenk, Mutter und Tochter aus St. Radegund bei Graz mit drei ausgebildeten Jagd- und Therapiehunden, verweisen auf ein altes Sprichwort – „Wie der Herr, so das G’scherr" und betonen, dass früher die Erziehung des Hundes tatsächlich Männersache gewesen sei und am „Abrichteplatz meist ein rauer Ton" geherrscht habe. Frauen würden sich durch ihre hellere und höhere Stimme jedoch mehr zu Lob und Liebkosungen eignen und die Vierbeiner damit eher um den Finger wickeln, als eine tiefe Männerstimme dies vermöge. Dennoch sei Disziplin wichtig: „Mit Liebe allein wird es schwer sein, einen Hund in Schranken zu weisen, ganz ohne Zwang ebenfalls. Und dies ist ja bei uns Menschenkindern genauso. Auch wir probieren gerne aus, wie weit kann ich beim Erziehungsberechtigten gehen?" Die Grazerinnen plädieren für einen „goldenen Mittelweg". Das Erreichen des Ziels sei das Primäre, dass einem die Hunde „nicht aus dem Ruder laufen", ist sich Familie Schenk mit Guntram Sachse einig. Ganz und gar abgelehnt wird jedoch eine Erziehungsmethode, „wo mit Härte Kadavergehorsam erzwungen wird, wo ein Hund aus Angst Befehlen gehorcht und ein jämmerliches und trauriges Bild abgibt, genauso wie sein so genannter ‘Herr und Meister’, der meist selbst ein komplexbeladenes Menschenbündel darstellt". Sollte dies der Fall sein, meinen abschließend die beiden Steirerinnen: „Dann sind mir schon die Weiber lieber, die das Herz am rechten Fleck und vor allem ein Herz für ihren Vierbeiner haben."
Reflektieren Frauen die eigene Situation mehr als Männer?
Kinder- und Hundeerziehung seien in weiten Bereichen sicher vergleichbar. Bei beiden habe man, sagt Beate Pötting aus Vlotho im Landkreis Herford in Nordrhein-Westfalen, in den letzten Jahrzehnten festgestellt, dass sich Dinge mit Spaß leichter erlernen und besser behalten lassen. Angst würde den Lernprozess nachweislich nicht verbessern. „Wenn Verweibung bedeutet, dass ich mich von einer diplomierten Biologin, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen Arbeit in der Lage ist, Hundetraining ganz nüchtern zu sehen, zu einem kräftigen Umdenken bewegen lasse, dann bitte ausdrücklich um noch mehr praktische Anwendungsbeispiele für ‘Verweibung’", so Pötting. Ihre Aussage mit Hinweis auf das Buch „Männer sind anders", dass Frauen „immer wieder ihre eigene Situation reflektieren und nach Verbesserungen abklopfen", Männer dies aber nur im Bedarfsfall tun würden, wird sicherlich nicht ohne Widerspruch der Männer bleiben. Unterstützung erhält Pötting durch Andrea Büchner aus Steinsberg in Rheinland-Pfalz, die sich darüber freut, dass „in der Erziehung die weibliche Intuition durch Verständnis, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen und Fairness an Gewicht gewinnt", was aber nicht automatisch bedeute, dass Konsequenz und das Setzen von Grenzen ausgeschlossen blieben. Wenn Frauen auf den Hundeplätzen im Land auf dem Vormarsch seien, sei dies erfreulich, wenn dadurch fachliche und intuitive Kompetenz gewonnen werde. Ein Kampf der Geschlechter wäre aber fehl am Platze, so Büchner, denn es dürfe nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern müsse um das Wohl des Hundes gehen. (Siehe Kasten weiter unten.)
Erziehung der Kinder und des Kleinviehs früher Aufgabe der Frauen
Es soll die Diskussion natürlich nicht zu einem „Kampf der Geschlechter" ausarten, wie auch Elisabeth Polgar aus Wien betont: „Der liebe Gott wird schon gewusst haben, warum er Frauen und Männer erschaffen hat." Polgar weiter: „Die Erziehung der Kinder und das Versorgen von Haushalt und – auf dem Land – auch des Kleinviehs war seit alters her Aufgabe der Frauen." Was tatsächlich früher üblich war, wird ja nun zunehmend auch vom modernen Mann partnerschaftlich übernommen. Und so betont Frau Polgar: „Autoritäre oder anti-autoritäre Erziehung ist keine Frage von Mann oder Frau. Mit Liebe, Verständnis und gegenseitiger Toleranz erzogen zu werden, schadet weder Kindern noch Hunden."
Kritisch geht Ulrike Hüttner aus München mit Sachse ins Gericht. Er beklage in seinem Beitrag „nicht nur die Verweibung in der Hundeerziehung, sondern generell die Apokalypse, einen Verfall der Sitten, mangelnde Disziplin und Ordnung als Nachwehen der 68er-Generation." Menschen wie er würden möglicherweise einen kadavergehorsamen Hund wollen, der salutiert, wenn Herrchen um die Ecke biegt. (Siehe Kasten weiter unten.)
Immer schon auf den Hund gekommen
Tatsächlich scheinen aber Frauen nicht erst seit den 68er-Jahren, wie Herr Sachse meint, die Nase im Hundewesen vorn zu haben, sondern sogar für die Domestikation des Hundes verantwortlich gewesen zu sein. So schreibt der leider so früh verstorbene Wolfsforscher Erik Zimen in einem WUFF-Artikel: „Unser männlich orientiertes Weltbild spricht die epochale Tat der Domestikation des Wolfes zum Hund dem Manne zu, dem plötzlich einsichtig und auf ein zukünftiges Ziel hin bewusst handelnden Jäger. Diese Deutung ist falsch. Der Domestikation muss eine Zähmung des Wolfes vorangegangen sein. Nur Wolfswelpen, die in frühestem Welpenalter von Menschenhand aufgezogen werden, bleiben zahm und auf Menschen sozialisiert. Ansonsten überwiegt die Furcht des Wolfes vor dem überlegenen Konkurrenten.
Unerlässlich für die Aufzucht von Wolfswelpen ist die Milch. In einer Gesellschaft ohne Haustiere können neben der Wolfsmutter nur Frauen Milch liefern. Demnach können auch nur Frauen die ersten Wölfe gezähmt haben; nicht im Sinne einer zukünftigen Nutzung, sondern als spontane Reaktion auf ein kleines hilfloses Tier ohne Mutter. Männer waren hierzu nicht in der Lage, weder physiologisch noch mental. Ihr Lebensinhalt war Kampf, Jagd, Töten und nicht Wärme, Mitleid oder Fürsorge. So dienen die ersten Wölfe noch keinen funktionalen Zielen. Sie sind vielmehr freundliche Begleiter der Frauen, Spielkameraden der Kinder, neue Mitglieder der Familie. Erst viele Generationen, womöglich Jahrtausende später, als auch die Männer erkennen, von welchem Nutzen die neuen Mitbewohner sind, übernehmen sie die Herrschaft und züchten, ihren Interessen entsprechend, wohl zuerst Hunde für die Jagd." (aus: „Ein Tier verändert die Welt", von Dr. Erik Zimen, in WUFF 2/1996, S. 36 ff.)
Frauen haben den Wolf zum Hund gemacht
Und der berühmte Schweizer Kynologe Dr. Hans Räber meinte in seinem legendären WUFF-Artikel „Rassenwandel und falsch gesetzte Zuchtziele" (in WUFF 3/1997, S. 4 ff.), sich auf Zimen beziehend: „So wenig wir über Ort und Zeit des Domestikationsbeginns wissen, so wenig wissen wir, aus welchen Gründen dieser für Mensch und Hund so folgenschwere Kontakt stattgefunden hat. Wirtschaftliche Überlegungen des Menschen konnten jedenfalls keine Rolle gespielt haben, denn der Mensch konnte ja nicht wissen, wozu ihm der zum Hund gewordene Wolf dereinst dienen könnte. Vermutlich hat das von Lorenz beschriebene Kindchenschema des jungen Wolfes bewirkt, dass eine Frau einen verwaisten Wolfswelpen an die Brust genommen hat, wie uns eine in Tlatilco (Mexiko) gefundene, um 3.700 v.Chr. entstandene Statue zeigt. So hat der Wolfsforscher E. Zimen einmal gesagt, die Frauen hätten den Wolf zum Hund gemacht."
WUFF HINTERGRUND
Der Diskussions-Auslöser:
Die „Verweibung" der Erziehung von Kindern und Hunden
Als Reaktion auf das Anti-Jagd-Special von Clarissa v. Reinhardt und Christina Sondermann (WUFF 12/05, S. 18 ff.) schrieb Guntram Sachse aus Wietze in Niedersachsen einen Leserbeitrag, in dem er die Ausbildung jagdpassionierter Hunde, wie sie im Artikel vorgestellt wurde, kritisierte und dabei u.a. von einer „Verweibung" der Erziehung durch die 68er-Bewegung sprach. Diesen Teil des Beitrages nahm die Redaktion zum Anlass einer grundsätzlichen Diskussion über dieses Thema, sodass – um nicht mehrere Aspekte zu vermischen – im Folgenden nur die für die Diskussion relevante Textstelle des Leserbeitrages nochmals abgedruckt wird:
„Der Kundenkreis solcher ‘Erziehungslehrgänge’ sollte sich mal fragen, warum dort fast ausschließlich Frauen zu finden sind, denen die Vierbeiner aus dem Ruder laufen. … Es ist kein Zufall, dass seit dem Beginn der ‘Verweibung’ der Erziehung durch die 68er-Bewegung überall dort, wo fast nur noch Frauen in Erziehung und Ausbildung den Ton angeben (Kindergärten, Schulen, Hunde- bzw. Pferdeausbildung, alleinerziehende Mütter usw.), mit wenigen Ausnahmen die Disziplin- und Autoritätsprobleme flächendeckend zugenommen haben, so dass zunehmend andere dort anfangen müssen, wo die ‘Heilsprediger’ einer antiautoritären Erziehung gescheitert sind."
Guntram Sachse
WUFF DISKUSSION
Auf die Persönlichkeit, nicht aufs Geschlecht kommt es an!
Die Erziehung eines Hundes hängt nicht zuletzt von der Persönlichkeit, weniger vom Geschlecht des Menschen ab. Wer dies heute noch behauptet, zeigt schlichten Geist. … Ich besuche regelmäßig eine Hundeschule des Sennenhundevereins, geführt von vier Frauen, darunter eine promovierte Tierärztin. Dieses Team agiert sehr erfolgreich, und mein Max entwickelt sich prächtig. Er ist mittlerweile 14 Monate alt und besitzt bereits eine wunderbare Gehorsams- und Persönlichkeitsstruktur, obwohl er gerade durch die Pubertät ist. Wir beide mögen uns sehr! In unserer Region gibt es einige von Männern dominierte Hundevereine mit sehr zweifelhaftem Ruf. Also nochmal: die Persönlichkeit bringt die Ergebnisse in der Erziehung, nicht das Geschlecht des Erziehenden.
Eckhard Grasbergs-Begerock aus Albessen (Rheinland-Pfalz)
WUFF DISKUSSION
Nicht Kampf der Geschlechter, sondern das Wohl des Hundes!
Herr Sachse scheint Probleme damit zu haben, wenn in der Erziehung die weibliche Intuition durch Verständnis, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen und Fairness an Gewicht gewinnt. Dies bedeutet nicht automatisch, dass Konsequenz und das Setzen von Grenzen völlig ausgeschlossen bleiben. Ich finde es sehr erfreulich, dass die Frauen in der Hundeausbildung auf dem Vormarsch sind, wenn das Training dadurch an fachlicher und intuitiver Kompetenz gewinnt. Dennoch muss ich sagen, dass ich den Kampf der Geschlechter hier völlig fehl am Platze finde, denn es sollte uns um das Wohl des Hundes gehen, nicht um persönliche Eitelkeiten.
Andrea Büchner aus Steinsberg (Rheinland-Pfalz)
WUFF DISKUSSION
Keine Frage von Mann oder Frau
Der liebe Gott wird schon gewusst haben, warum er Männer und Frauen erschaffen hat. Und die Erziehung der Kinder und auch das Versorgen von Haushalt und (auf dem Land) des „Klein-Viehs" war halt Aufgabe der Frauen. Warum also soll das den Hunden von heute schaden? Autoritäre und antiautoritäre Erziehung ist keine Frage von Mann oder Frau. Und mit Liebe, Verständnis und gegenseitiger Toleranz erzogen zu werden, schadet weder Kindern noch Hunden.
Elisabeth Polgar aus Wien
WUFF DISKUSSION
Kein kadavergehorsamer Hund, der salutiert, wenn Herrchen um die Ecke biegt …
Herr Sachse beklagt ja nicht nur die Verweibung in der Hundeerziehung, sondern generell die Apokalypse, einen Verfall der Sitten, mangelnde Disziplin und Ordnung als Nachwehen der 68er- Generation. Wenn’s ihn glücklich macht. Auch wenn ich ihm erkläre, dass Erziehung traditionell Frauensache ist, nicht erst seit den 68ern, und die Menschheit immer noch existiert, er wird es nicht hören wollen, weil es nicht in sein Weltbild passt. Er will halt den kadavergehorsamen Hund, der salutiert, wenn er um die Ecke biegt. Da kann ich nur sinngemäß die Homepage von animal learn zitieren, wonach solche Ansichten und Methoden mehr über die Geisteshaltung und Psyche der Menschen aussagen als über die der Hunde.
Ulrike Hüttner aus München (Bayern)