Der Orkan Kyrill fegt über Deutschland und erreicht über die Tschechische Republik schließlich Ostösterreich. Maria E. und ihr Mann Heinz aus Krems an der Donau haben das Auto vorsorglich geschützt zwischen zwei Einfahrten geparkt. Dort befindet sich auch eine kleine Grünfläche, die Maria schnell nützen möchte, um mit ihrer Schäferhündin Mara Gassi zu gehen. Sie ist es gewöhnt, dass die vorsichtige Hündin sich lange Zeit lässt, bevor sie ihr Geschäft verrichtet. Doch an diesem stürmischen Abend ist es anders.
Mara beeilt sich mit ihrem Geschäft und saust trotz der Kommandos ihres Frauchens blitzschnell davon. Es hilft kein Rufen. Maria hat Angst, dass Mara in Panik weglaufen könnte und eilt daher so schnell sie kann hinter ihrer Hündin her. Doch Mara läuft nicht weg, sondern huscht blitzschnell zurück ins Stiegenhaus. Als Maria sie endlich erreicht und die Türe hinter sich schließt, hört sie Augenblicke später ein dumpfes Geräusch.
Sie schaut aus dem Fenster und weiß in diesem Moment, dass Schutzengel auch vier Pfoten haben können. Dort, wo sie noch vor einer Minute ganz ruhig gestanden hat, liegt jetzt der vom Sturm abgetragene Kamin des Nachbarhauses, daneben das gesamte Dach. Ein schwerer Brocken hat den roten Golf des Ehepaares total zerstört. Wäre Maria nur wenige Augenblicke länger dort geblieben oder nur langsamer zum Haus zurück gegangen, wäre sie vermutlich heute nicht mehr am Leben!
Hündin Mara hat Maria an diesem schicksalhaften Abend das Leben gerettet, so wie Maria vor Jahren das ihre gerettet hat. Denn Mara musste vieles durchmachen, ehe sie im Tierheim Krems landete und ihr späteres Frauchen kennen lernte. Von einem Hundezüchter unweit von Wien in einem engen Zwinger gehalten und brutal trainiert, hatte sie sich beinahe aufgegeben.
Erst als der Züchter die schöne Hündin als für seine Zwecke wertlos weiterverkaufte und die überforderten Neubesitzer Mara umgehend ins Tierheim abschoben, hatte ihr Martyrium ein Ende. Erstmals stieß sie auf Verständnis und Rücksichtnahme. Doch Mara hatte über viele Jahre gelernt, sich völlig in sich selbst zurückzuziehen. Extrem introvertiert und ängstlich, war es schwer für sie, ein neues Zuhause zu finden.
Erst Maria gab ihr eine Chance. Wochenlang bemühte sich die erfahrene Hundetrainerin um das Vertrauen der ängstlichen Hündin und nahm sie schließlich ganz bei sich auf. Lange hat es gedauert, bis Mara ihre Ängste einigermaßen überwinden konnte und Schritt für Schritt zaghaft begann, wieder Emotionen zu zeigen. Heute sind beide ein unzertrennliches Team.
Und Maria ist sich sicher, dass es Schutzengel auf vier Pfoten gibt.
Und noch etwas hat sie für sich gelernt: Dass es oft besser ist nachzudenken, warum ein Hund das gewünschte Kommando nicht ausführt, als es mit Zwang durchzusetzen. Denn hätte Mara an diesem Abend auf die Zurufe ihres Frauchen geachtet, wären beide jetzt nicht mehr am Leben.
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