Schmutziges Geschäft – Hundekotbeutel und die Umwelt

Von Anna Hitz

2014 gab in es Österreich ­etwa 600.000, in Deutschland etwa 6.8 Millionen und in der Schweiz etwa 550.000 Hunde. ­Durchschnittlich produziert ein Hund 300 Gramm ­„Häufchen" pro Tag. Das sind schätzungsweise 2.385 ­Tonnen ­Hundekot täglich, pro Jahr 870.525 ­Tonnen. ­Verpackt in Plastik ein „schmutziges ­Geschäft für die Ewigkeit".

Angesichts dieser Zahlen sollte es selbstverständlich sein, dass man die Hinterlassenschaften seines Vierbeiners hinter ihm wegräumt. Denn zum einen stellt, abgesehen vom Ärger des Hineinsteigens, das Häufchen eine Unfallgefahr dar für Eilige und insbesondere für Gehbehinderte, Blinde, Sehschwache und Rollstuhlfahrer. Zum anderen kann von Hundekot ein Infektionsrisiko ausgehen, welches vor allem Kinder und abwehrgeschwächte Erwachsene gefährdet. Denn gerade in der Tretmine sitzt der Wurm. Spul­würmer, Peitschenwürmer, Hakenwürmer, Bandwürmer, Fuchsbandwurm, Giardien und Kokzidien sind mögliche Bewohner des Hundedarms und gelangen in Form von Eiern über den Kot in die Außenwelt. Hunde können sich allein durch Schnüffeln am Kot mit Würmern infizieren. Und wir Menschen werden zu unfreiwilligen Verbreitern, wenn wir in den Kot treten und diesen mittels unserer Schuhsohlen in unsere Autos, Büros, Einkaufszentren und ­Wohnungen tragen. Wenn die Würmer in den Menschen gelangen, was bereits über das Einatmen möglich ist, kann das für den Menschen lebensbedrohliche Folgen haben.

Da Kinder noch über keinen ­ausgereiften Abwehrmechanismus verfügen, ist es umso wichtiger, Kinderspielplätze und Sandkästen nicht als Hundeklo zu verwenden oder, falls es doch einmal unabsichtlich geschehen sollte, gründlich aufzuräumen. Für Kinder und Hunde­halter besteht der beste Schutz gegen Wurmbefall im Händewaschen und dem Vermeiden von direktem Kontakt mit den Häufchen.

Unglückliche Bauern
Auch auf landwirtschaftlich ­genutzten Flächen hat Hundekot nichts zu ­suchen. Er muss zwar nicht, kann aber gerade für Kälber gefährlich sein. Dabei geht die Bedrohung von den ­Neospora-Parasiten (Neospora ­caninum) aus. Bleiben diese Parasiten an den ­Gräsern haften und werden von den ­Kühen ­mitgefressen, kann dies zu totgeborenen Kälbern führen. Die Gefahr wird, laut einer Studie des Friedrich-Loeffler-Institutes (Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Deutschland), allerdings als äußerst gering eingestuft. Um Überträger zu sein, muss der Hund zudem selbst mit Neospora caninum infiziert sein. Und selbst dann ist das Infektionsrisiko für Rinder gering. Das Infektionsrisiko für Hunde ist gegeben, wenn sie Zugang zu infektiösem Material (Abortmaterial und Nachgeburten oder rohes Fleisch infizierter Rinder) haben. Dabei handelt es sich aber zumeist um die eigenen Hunde der Landwirte. Aber auch bei gesunden Hunden ist es für den Landwirt unangenehm, wenn Hundekot in die Heuernte gelangt, denn der kontaminierte Teil des Winterfutters wird von den Kühen verweigert.

Liegenlassen keine Option
Deshalb haben findige Menschen das Hundesackerl erfunden. Die Idee ­dahinter? Wenn man zur Leine greift, um mit dem vierbeinigen Hausgenossen vor die Tür zu treten, steckt man sich ein paar farbige Plastiksackerl in die Jackentasche. Falls nun der Hund sein Geschäft verrichtet, stülpt man sich das bunte Säckchen wie einen Handschuh über die Hand und hebt die Hinterlassen­schaften auf. Anschließend verknotet man das Säckchen und trägt es zum nächsten Abfalleimer, im Idealfall ist das sogar ein besonderer Hundekotabfalleimer, und wirft es hinein.

Heute ist das Wegräumen hinter dem Hund nicht mehr nur eine Frage guter Manieren, sondern mittlerweile auch per Gesetz vorgeschrieben. Wer sich nicht daran hält, kann mit einem Bußgeld bestraft werden. In Berlin beispielsweise kostet das nicht unverzügliche Be­seitigen von Hundekot 15 bis 20 Euro. In Hamburg kann ein Verstoß gegen §20 HundeG mit 50 bis 200 Euro geahndet werden. Und in Wien sind die sogenannten WasteWatcher befugt, säumige ­Hundehalter abzumahnen. Die Strafe fällt dann in einer Höhe von 36 Euro aus, und falls es zu einer Anzeige kommt (bei der zuständigen Oberbehörde der Abteilung Wasserrecht (MA 58), kann die Strafe 220-320 Euro teuer werden. Bei schweren Verschmutzungen kann es auch Anzeigen mit Strafen von bis zu 1.000 Euro geben. Dabei sind die eingenommenen Strafgelder zweckgebunden und werden für die Reinigung der Straßen und Parkanlagen verwendet. In London geht man sogar so weit, dass diejenigen, die säumige Hundehalter bei der Behörde melden, das Bußgeld selber bekommen.

Immer mehr setzen Städte und Gemeinden nun auf die sogenannten Hundesackspender. Ein Prinzip, das in der Schweiz weit verbreitet ist und ziemlich gute Erfolge erzielt. Erfinder des Schweizer Systems Robidog war Joseph Rosenast. Er stellte bereits 1979 fest, dass viele Hundeverbote vor allem wegen der säumigen Besitzer aufgestellt worden waren. Er entwarf mit Herrn Bisaz eine „Hundekot-Deponie mit Säcklein-Dispenser". Diese verschiedenen Maßnahmen haben viele Hundehalter dazu gebracht, die Hinterlassenschaften tatsächlich in ein kleines Kunststoffsäckchen zu verpacken. Interessanterweise sind sich aber viele der Halter zu schade, diese Säcke dann auch effektiv bis zu einem Abfalleimer zu tragen. Stattdessen werfen sie das Säckchen hinter den nächsten Busch oder lassen es demonstrativ am Wegrand liegen.

Zersetzen
Laut Laboruntersuchungen braucht Hundekot 46,5 Tage, um sich bis zur Hälfte zu zersetzen. Auf Fachchinesisch: Hundekot hat eine Halbwertszeit von 0,72877*2^6 d. Das wiederum heißt, dass sich nach etwa eineinhalb Monaten die Hälfte des Kots zersetzt hat. Nochmal so lange, und es hat sich wieder die Hälfte davon zersetzt usw. Diese Werte gelten nur unter Laborbedingungen. In der Natur kommen verschiedenste Einflüsse dazu, die den Prozess beschleunigen oder verlangsamen können. Regen beispielsweise begünstigt die Zersetzung, trockene, heiße Sommer, Schnee und Eis eher nicht. Wichtig zur Zersetzung von Hundekot sind Fliegen und andere Insekten sowie Bakterien. Die Fliegen legen ihre Eier in den Kot, die daraus entstehenden Maden fressen den Kot und bilden neuen Kot. Durch diese Zersetzung auf molekularer Ebene kommen die Enzyme im Darm der Maden ins Spiel, die Eiweiße, Stärke und Zucker in wasserlösliche Verbindungen umwandeln, welche dann dem ­Körper zugeführt werden können und als ­körpereigenes Eiweiß, Fett oder Zucker für die Energieverwendung benutzt werden. Dieser neue Kot wird wiederum durch andere Organismen (Käfer, ­Regenwürmer, Springschwänze, Bakterien, Pilze, Milben, Urtiere usw.) verdaut oder zerlegt, und aus dem nicht verdaulichen Teil wird Humus.

Wenn Sie nun das, wie es in Wien heißt, „Gackerl in das Sackerl" legen und das Sackerl liegen lassen, dauert das Zersetzen des Hundekots viel, viel länger. Und wissen Sie, was mit dem Sackerl passiert? Nichts. 97% aller eingesetzten Säcke bestehen aus herkömmlichem Plastik (PE), welches die hervorstechende Eigenschaft hat, dass es sich nicht zersetzt. Nicht heute, nicht morgen, nicht in einer Million Jahren. Im besten Fall wird das Plastiksäckchen im Verlauf der Zeit zu Konfetti. Das Plastikkonfetti aber bleibt, was es ist, und gelangt über kurz oder lang in den natürlichen Kreislauf, vielleicht auch auf Ihren Teller.

Poop Bag Map
Glücklicherweise gibt es findige Köpfe, die statt Probleme Lösungen suchen. So einer ist der Hamburger Arne Krämer. Er wurde auf die gefüllten Hundekotbeutel beim Joggen und beim Fischen, wo er die Hundekotbeutel in den Büschen und am Haken fand, aufmerksam. Sein ­Interesse war geweckt und er fing an, sich im Rahmen seiner Bachelor Arbeit mit dem Hundekotbeutelwegwerf­problem auseinander zu setzen. Bald war ihm klar, dass herumliegende Hundekot­beutel sowohl ein soziales wie auch ein Umweltproblem darstellen, weshalb er auch gleich zwei Lösungsan­sätze entwickelte. Gemeinsam mit der Firma Folag AG aus der Schweiz entwarf er biologisch abbaubare Hundekotbeutel, um möglichst viele der herkömmlichen Produkte aus PE zu ersetzen und die Umweltauswir­kungen zu reduzieren. Wie jedoch Krämer auf seiner Seite www.poopmap.de betont: „Noch ­umweltfreundlicher wäre es, wenn Beutel und Hundekot gar nicht erst in die Umwelt gelangen." Auf diesem Grundsatz fußt sein zweiter Lösungsansatz: Die Poop Bag Map. Diese interaktive Karte soll die Aufmerksamkeit für das Kotproblem erzeugen, um ein Problembewusstsein zu schaffen und Städten wie auch Gemeinden mit dem gewonnenen Datenmaterial zu ermöglichen, die Mülleimerstandplätze zu optimieren. Jeder, ob Hundehalter oder nicht, ist dazu aufgerufen, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Und das geht so: Entdeckt man irgendwo einen gefüllten, deponierten Hundesack, macht man mit seinem Smartphone ein Foto. Dieses Foto schickt man per Email an hundekotbeutel@outlook.de. Wichtig ist, gleichzeitig mit dem Foto auch den GPS-Standort mitzuschicken. Diese Daten werden, wenn Sie Ihr Smartphone dementsprechend einstellen, gleich mit dem Foto gespeichert. Die Standortdaten sind deshalb wichtig, weil jedes Foto auf der Poop Bag Map verzeichnet wird. Durch diese Datensammlung können Städte, Gemeinden oder Private prüfen, wo das Errichten eines Mülleimers oder Robidogs der Verschmutzung vorbeugen würde. Denn wie Krämer festgestellt hat, werden Hundesäckchen vor allem dort liegen gelassen, wo es an Entsorgungsstellen mangelt.

Die Patenschaft
Auch versucht Krämer Privatpersonen dazu anzuregen, sogenannte Patenschaften zu übernehmen. Das sähe dann so aus, dass Sie bei Ihrem örtlichen Reinigungsdienst anfragen, ob dieser Ihnen einen Abfalleimer an Ihrer Straße errichtet. Als Gegenleistung verpflichten Sie sich dazu, den Eimer, wenn er voll ist, zu leeren und ihn mit neuen Hundekotbeuteln zu versehen. Dafür werden vom Reinigungsdienst Abfallsäcke und neue Beutel zur Verfügung gestellt. Funktioniert hat diese Idee bereits bei Herrn Kock, der sich seit über 15 Jahren um einen Abfalleimer kümmert und sich seither über die saubere Straße freut. Versuchen Sie es doch, vielleicht haben auch Sie dann bald eine saubere Straße.

Bunt statt schwarz
Auch plädiert Krämer für farblich gut sichtbare Hundekotsäcke, denn die „verschwinden" nicht so einfach in einer Wiese oder im Gebüsch. Man soll die Problematik den Hundehaltern vor ­Augen führen. Denn was man sieht, wird gesehen. Und wer ist schon gerne vor anderen ein Umweltverschmutzer.

Die KackiBox
Wer es leid ist, die Hinterlassenschaften seines Vierbeiners von Hand zu tragen, könnte von dieser Erfindung profitieren. Es gibt spezielle Transportbehälter für befüllte Hundekotbeutel, so zum Beispiel die KackiBox. Sie ist gedacht für den umweltbewussten Hundehalter, der die Hinterlassenschaften seines Vierbeiners in Tüten entsorgen möchte, was ihm aber wegen fehlender Müllbehälter auf dem Gassiweg erschwert wird. Statt nun lange Strecken mit dem Beutel in der Hand zurücklegen zu müssen, kann man das Säckchen in der 250 g leichten KackiBox versorgen. Der Behälter ist aus luft- und geruchsdichtem Polypropylen und fasst bis zu 600 ml.

Des einen Leid, des anderen Geld
„Hundekotbeutel sind ein Riesenmarkt", erklärt Thomas Keifert in einem Interview mit der „Welt". Als Chef der Firma Krüger Systeme gehört er heute zu den größten Anbietern der Branche. Wer ihn anfangs für die aus der Schweiz abgeguckte Geschäftsidee belächelte, muss heute hinnehmen, dass Keifert jährlich 28 Millionen Beutel umsetzt. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Denn auch in Fernost haben die großen Folienhersteller verstanden, dass mit diesem Dreck Geld zu machen ist. Durch die ausländische Konkurrenz sinken die Preise für Hundekotbeutel ins Bodenlose.

Umwandlung in Energie
2006 lancierte San Francisco im rege genutzten Duboce-Park besondere Spender. Sie enthielten biologisch abbaubare Tüten. Dazu kamen neue Sammelbehälter für die gefüllten Kotpackungen. So konnten die biologisch abbaubar verpackten Häufchen in Biokonvertern durch Bazillen und Mikroorganismen in einem mehrwöchigen Prozess in Methangas umgewandelt werden. Damit könnten Gasheizungen oder Turbinen zur Stromerzeugung betrieben werden. In San Francisco verwendet man es bislang zum Betrieb von ­Straßenlaternen. In Melbourne, Australien, folgt die Firma „Poo Power!" demselben ­Beispiel und entwickelte 2013 einen Biogas ­Generator, der aus Hundekot und anderem organischen Abfall Energie generiert. Auch der ehemalige Banker Gary Downie, aus England, glaubt an das Potential von Hundehaufen. Mit seinem Startup Streetkleen hat er ein Konzept entwickelt, wie sich Hundekot einsammeln und in einem kleinen Bioreaktor vergären lässt. Dünger, Wärme und Methangas zur Verstromung sollen die Ergebnisse sein. Zwischenprodukte und Nebenprodukte, wie das im Bioreaktor entstehende CO2, sollen zudem mittels Algen weiter zu nutzbarer Biomasse umgesetzt werden. Eine wiederum für jedermann gedachte Erfindung ist die „Poo Poo Power" von Océane Izard. Ein kleiner Generator für den Haushalt, den man mit den Hinterlassenschaften des eigenen Hundes, natürlich verpackt in biologisch abbaubaren Tüten, füttert. Der Generator füllt wiederum Akkus auf, die dann für gewöhnliche Haushaltsgeräte verwendet werden können. So hat Izard gezeigt, dass mit einem Häufchen von einem Beagle (250-340 Gramm) ein Ventilator für zwei Stunden betrieben werden kann, und ein Deutscher Schäferhund, der in etwa doppelt so viel Hinterlassenschaft produziert, könnte schon beinahe die Gefriertruhe betreiben. Leider ist dieses Gerät bis jetzt nur ein künstlerisches Konzept.

Wussten Sie’s?
Bis 1907 wurde Hundekot für die Herstellung bestimmter Ledersorten verwendet. Weiches Leder wurde vor dem Gerben mit Hundekot gebeizt. Damit wurde die Haut weiter aufgeschlossen und nicht zur Lederstruktur gehöriges Eiweiß aufgespalten. Der Effekt des Hundekotes kommt jedoch nicht vom Kot selbst, sondern von den auf ihm siedelnden Bakterien, die das Enzym Trypsin freisetzen. Bis 1907 wurde der Hundekot zu diesem Zweck gewerbs­mäßig eingesammelt.

Vielleicht sollte man sich das Ledergewerbe als Vorbild nehmen und das Häufchen nicht mehr nur als lästige Tretmine betrachten, sondern auch als Anstoß für neue Erfindungen. In einer Zeit, in der Ressourcenknappheit zu ­jedem Wortschatz gehört, kann man sich fragen, ob man auf diese Ressource so leicht verzichten kann.

WUFF-Information
Verschiedene Kotbeutel (Preise gelten pro Beutel)

• Kotbeutel aus herkömmlichem Kunststoff
Zersetzen sich erst bei Temperaturen von 70 Grad Celsius. Kosten: Zwischen 0,5 und 1,3 Cent
• Kotbeutel aus Oxo-biologischem Kunststoff
Der herkömmliche Kunststoff zersetzt sich vermeintlich dank zugefügter Metallsalze. Für das Auge bleiben keine Rückstände zurück, doch werden diese kleinsten Kunststoffteilchen nicht weiter zerlegt und gelangen so als Miniplastik in den natürlichen Kreislauf. Kosten: 0,6 Cent
• Kotbeutel aus Biokunststoffen, die sich nicht zersetzen
Für die Produktion wird weniger Erdöl und CO2 verwendet als für herkömmliches Plastik, doch zersetzen sich die Beutel nicht. Kosten: Zwischen 1,3 und 1,8 Cent
• Kotbeutel aus Biokunststoffen
Zersetzen sich bei normalen Umweltbedingungen. Achten Sie auf das Siegel „OK compost Home". Kosten: 1,8 Cent
• Kotbeutel aus Polyvinylalkohol
Wasserlöslich und biologisch abbaubar. Gefahr des Durchweichens bei sehr feuchter Witterung. Kosten: 8 Cent
• Kotbeutel aus Papier
Zersetzen sich bei den hiesigen Umweltbedingungen. Kosten: 8 Cent

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