Sam unter Kontrolle

Von Achim Janssen

Sam, ein ausgewachsener Pyrenäen Berghund, machte es Frauchen ganz und gar nicht einfach. Aggressiv gegenüber Artgenossen, gestaltete sich jeder Spaziergang an der Leine sehr abenteuerlich. Mit der Zeit wurde der Kettenwürger durch den Stachelwürger ersetzt, und Frauchen hatte sich bereits seit langem damit abgefunden, nur noch reagieren statt agieren zu können. Schließlich war sie kaum noch in der Lage, die notwendige Kraft aufzubringen, Sam zu halten, wenn ein Artgenosse in Sicht war. Kein Wunder, denn Sam verknüpfte den über den Stachelwürger zugefügten Schmerz stets mit seinen Artgenossen. Das war nicht gerade förderlich, ihnen gelassener gegenüber zu treten, sondern bewirkte eher das Gegenteil. Wir beschlossen, Sam zukünftig am Kopfhalfter zu führen.

Alternative zu Würgehalsbändern
Das Kopfhalfter, auch „Halti" genannt, wird leider noch immer häufig mit einem Maulkorb verwechselt, weshalb dieses dem Kopfhalter des Pferdes nachempfundene Erziehungshilfsmittel ein weitestgehend stiefmütterliches Dasein fristet. Einmal angewendet, ist es dem Hundehalter dagegen in vielfältiger Weise von großem Nutzen und stellt eine schmerzfreie, wirkungsvolle Alternative zu Ketten- und Stachelwürgern dar.
Anfangs empfand Sam das Kopfhalfter – wie die meisten seiner Artgenossen – zunächst als lästigen Fremdkörper, den er mit den Pfoten abzustreifen versuchte. Eine Gewöhnung an das Halfter sollte daher stets individuell unter fachkundiger Anleitung erfolgen.
Erfahrungsgemäß erstreckt sich der Zeitraum der Gewöhnung über die Dauer eines Tages bis hin zu mehreren Wochen, weshalb man auch dann nicht voreilig aufgeben sollte, wenn man ein besonders uneinsichtiges, hartnäckiges Hundeexemplar vor sich hat.

Wieder unter Kontrolle
Nach dem Abschluss der Eingewöhnungsphase wurden mit Sam zahlreiche Hundebegegnungen trainiert, um der Halterin den praktischen Umgang mit dem Hilfsmittel erläutern zu können. Aggressivität an der Leine entstand grundsätzlich sofort, nachdem Sam einen Artgenossen erblickt hatte, der sich bereits für das individuelle Empfinden von Sam zu sehr angenähert hatte. Mittels Kopfhalfter war es für die leidgeplagte Halterin ohne Schwierigkeiten möglich, den Blickkontakt Sams zum Objekt seiner Aggressivität ohne Schmerzeinwirkung zu unterbrechen und Sam ein alternatives Verhalten ausführen zu lassen (z.B. Aufbau von Blickkontakt zum Halter, Sitz, Platz oder Berühren der Hand mit der Schnauze), welches sie belohnen konnte. Das für den Hund schmerzhafte Leinenzerren hatte fortan ein Ende, und die Halterin war wieder in der Lage, die Situation zu kontrollieren und zu agieren, anstatt reagieren zu müssen.
Beim Kopfhalfter handelt es sich um ein vorübergehend eingesetztes Erziehungshilfsmittel. Im Idealfall wird der Hund in weiterer Folge, auch ohne am Kopfhalfter geführt zu werden, das Alternativverhalten von sich aus zeigen, sobald er einen Artgenossen erblickt. Doch bis Hund und Halter dort angelangt sind, ist es ein langer Weg, der Konsequenz und vielfache Wiederholungen erfordert, bis sich das Erlernte stabil etabliert hat.

Fördert Vertrauen und Sicherheit
Der Hund lernt außerdem seinem Halter mehr Vertrauen entgegenzubringen, denn schließlich beweist dieser mit dem richtigen Einsatz des Kopfhalfters neue Führungsqualitäten. Ängstlichen Hunden wird durch den Einsatz eines Kopfhalfters Sicherheit vermittelt, da der Halter, mit der Zeit selbstsicherer geworden, stets Herr der Lage ist und sich diese Sicherheit auch auf den unsicheren Hund überträgt.
Schließlich sei hier noch an die chronischen Leinenzieher unter den Hunden gedacht, deren Herrchen oder Frauchen an einem ausgestreckten Arm zu erkennen sind, dem zu folgen der Rest des Körpers Schwierigkeiten hat. Diese Hunde haben mit der Zeit gelernt, dass es sich lohnt zu ziehen, auch wenn man dadurch schlechter Luft bekommt. Das Ziel des Hundes, eher an Punkt B zu sein um dort schnüffeln oder einen Artgenossen begrüßen zu können, ist selbstbelohnend.
Aufgrund seiner zahlreichen Vorteile ist die Nutzung des Kopfhalfters der Schmerz zufügenden Nutzung von Würge- oder Stachelhalsbändern vorzuziehen, deren Erfolge nur von kurzer Dauer sind und deren Einsatz sich meistens über das ganze Hundeleben hinweg erstreckt.

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Wichtig!

Benutzen Sie das Kopfhalfter nur mit kurzer Leine, um Verletzungen im Halswirbelbereich des Hundes zu vermeiden. Aus dem selben Grund ist auch ein ruckartiges Zerren an der Leine zu unterlassen. Der Hundeverhaltensexperte Dr. Roger Mugford empfiehlt daher bei Anwendung des Halfters „Halti" idealerweise die Verwendung zweier Leinen, von denen eine am Kopfhalfter, die andere am Halsband oder Brustgeschirr befestigt ist. Mit der Leine am Halfter erfolgt quasi die „Feinjustierung".

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Vorwärts geht’s nur ohne Ziehen …

Einmal am Kopfhalfter geführt, sind Hunde nicht mehr in der Lage, mit der beim bisherigen Zerren gewohnten Kraft über ihre Schnauze auf das Halfter einzuwirken und somit die Richtung und Geschwindigkeit vorzugeben. Bei Krafteinwirkung des Hundes ist es auch eher körperlich schwächeren Haltern ohne nennenswerten Kraftaufwand möglich, sofort anzuhalten und den Spaziergang erst fortzusetzen, wenn der Hund seinen Widerstand aufgegeben hat, oder einen Richtungswechsel einzuleiten. Der Hund lernt mit der Zeit, die notwendige Konsequenz vorausgesetzt, dass es nur vorwärts geht, wenn er nicht an der Leine zieht. Einmal an diesem Punkt angelangt, kann man das Kopfhalfter getrost weglassen.

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Der Autor

Achim Janßen lebt mit Frau, 6 Hunden und 4 Katzen in NRW. Sein besonderes Interesse gilt dem Problemverhalten bei Hunden. Weitere Informationen auf seiner Homepage: www.auf4pfoten.de

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