Rüden-Handling bei läufigen Hündinnen

Von Yvonne Adler

Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund, kurz formuliert und mit 1 bis 2 ­Bildern. In dieser Ausgabe geht es um das ­Thema Rüden-Handling bei läufigen Hündinnen.

Liebes WUFF-Team, liebe Frau Adler!
Unser Hund Brunchen ist ein 20 Monate alter Bordeaux Doggen-Rüde. Er ist seit dem Welpenalter bei uns. Wir waren in der Hundeschule mit ihm und er hat immer brav – zwar langsam, aber doch – mitgearbeitet. Mit ca. zwölf Monaten begann die Pubertät bei ihm, und seitdem er viele läufige Hündinnen kennen gelernt hat, ist es mit dem Folgsamsein leider vorbei. Er hat nur mehr die Nase am Boden, setzt sein ganzes Körpergewicht ein, um schnüffeln zu können, und Spaziergänge werden so nur mehr zum Spießrutenlauf. Uns wurde nun schon die Kastration empfohlen, was wir aber eigentlich nicht mögen, weil er noch sehr jung und noch nicht voll entwickelt ist. Gibt’s hier Hilfe für uns?
Familie Putnik

Antwort von Yvonne Adler:

Liebe Familie Putnik,
es ist schön zu lesen, dass Sie bereits von Anbeginn mit Brunchen brav trainiert haben. Ihr beschriebenes Problem treibt so manchen Rüdenhalter zum Verzweifeln. Gerne können Sie mit Ihrem erfahrenen Tierarzt über eine Kastration sprechen. Bitte beachten Sie jedoch, dass mit der Entfernung der Hoden bei der Kastration ein bereits erlerntes Verhalten nicht einfach „wegkastriert“ werden kann. Ihr Hund weiß, dass er ein Rüde ist − auch nach der Kastration − und er kennt nun auch über die Lernerfahrung, wie eine läufige Hündin riecht, „schmeckt“ und dass mit diesem Geruch und den Pheromonen bereits für ihn eine erhöhte Aufregung assoziiert ist. Mit einer reinen Kastration wird sich daher wahrscheinlich die von Ihnen beschriebene Problematik nicht lösen.

Viele Hundehalter finden die Ablenkungen draußen – wie in Ihrem Fall die „läufigen Hündinnen“ − sehr störend. Aus meinem „Trainerblickwinkel“ sind diese Ablenkungen jedoch eine wunderbare Chance, um den Hund zu bestätigen und fördern zu können. Lassen Sie mich dies kurz erläutern: Alles, was ein Hund in der momentanen Situation am meisten möchte, etwa den Urin einer läufigen Hündin zu riechen und/oder aufzuschlecken, verstärkt und bestätigt ihn in seinem Verhalten am stärksten. Natürlich muss ich für diese Art des Trainings die Rahmenbedingungen so gestalten, dass der Hund auch noch auf ein Kommando oder den Halter reagieren kann und diese Ablenkung sinnvoll und richtig genutzt wird.

Hier ein kleiner Trainingsansatz dazu:
Welches Kommando führt Ihr Brunchen am liebsten aus? Dieses sollten Sie für Ihr Training wählen und stetig weiter trainieren. Wenn Ihr Hund das Kommando nämlich sehr gerne ausführt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es von Ihnen gut geübt und mit ­Freude umgesetzt wurde. So ist es auch in schwierigen Situationen für ihn machbar. ­Lassen Sie mich hier den Trainingsansatz mit dem Aufmerksamkeits-Kommando „Schau“ veranschaulichen. Der tägliche Spaziergang im Trainingszeitraum sollte so gestaltet sein, dass Sie ­jenen Weg wählen, von dem Sie beispielsweise wissen, dass hier keine läufige Hündin gegangen ist. Wenn hier nur der eigene Garten zur Verfügung steht, ist dies anfänglich zum Management voll in Ordnung. Zum gezielten Training mit Ihrem Hund wählen Sie anschließend Wege, von denen Sie wissen, dass hier eine läufige Hündin gegangen ist.

Sie merken nun, dass Brunchen unbedingt zu einer Stelle hin will. Selbst wenn Sie nun einige Kraft aufwenden müssen, bleiben Sie, bevor Brunchen das Ziel seiner Begierde erreicht hat, ­stehen und unterbinden damit, dass er sein gewünschtes Ziel einfach durch Hinziehen erreichen kann. Einfach stehen bleiben, aber nicht rucken oder reißen! Nun sagen Sie das Aufmerksamkeitssignal „Schau“ zu Brunchen und in dem Moment, in dem der Hund in Ihre Richtung sieht (dies kann auch nur ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel sein), geben Sie ihm mit seinem Lobkommando die Leine frei und er darf dort riechen, schlecken etc., wo er unbedingt wollte. So lehren Sie Ihren Hund, dass sich die Kooperation mit Ihnen nachhaltig auszahlt. Wenn er mit Ihnen mitarbeitet, darf er nämlich „alles“ haben, was er gerne möchte.

Das Ziel dieses Trainings ist es, dass Brunchen lernt, weiterhin all seine Kommandos, auch im Kontext „läufige Hündin“, auszuführen. Wenn Sie ihn nun mit dem bestärken, was er aus ­Hundesicht am meisten möchte, werden Sie binnen kürzester Zeit große Trainingserfolge haben. Es ist nicht immer ein Leckerchen oder ein Lob, das der Hund im Moment am meisten begehrt. Zusätzlich lernt Brunchen auch mit der einhergehenden Aufregung Step by Step mit dem Trainingsfortschritt ­umzugehen. Ist diese Form der Bestärkung oder Bestätigung bei dem Hund richtig verknüpft, ändert sich seine Erwartungshaltung und Sie können anschließend auch an ganz aufregend riechenden Stellen mit Brunchen vorbei gehen, ohne dass er hinzieht.

Ich empfehle Ihnen außerdem, dass Sie dieses Training mit fachkundiger Anleitung umsetzen. Denn keinesfalls sollte es zwischen Ihnen und Brunchen zu einem Wettziehen an der Leine kommen. Es ist auch wichtig, dass Sie auch weiterhin alles andere mit ihm trainieren und üben. Würden Sie nur mehr „Aufmerksamkeit“ von ihm verlangen, wenn es aufregend wird, könnte Ihr Aufmerksamkeits-Signal in der Erwartungshaltung des Hundes schnell zum „Ankündiger“ der Aufregung werden, was wir keinesfalls wollen. Wie immer im Hundetraining geht es u.a. um das genaue und richtige Timing in der Be­stätigung des erwünschten Verhaltens.

Es ist übrigens wunderbar, wenn in einer Hundeschule läufige Hündinnen trainieren dürfen, sie sind ja schließlich nicht krank. Ein Ausschluss dieser Hündinnen führt nämlich u.a. dazu, dass die potenten Rüden gar nicht erst lernen, trotz dieser „hochwertigen Ablenkung“, immer noch zu folgen. Der Vorteil hier ist nämlich, dass die meisten Hunde im Hundeschulkontext und dort am Gelände gelernt haben, dass hier mit Ihnen „geübt“ wird. Daher bekommt man, wenn man diese Ablenkung gezielt einsetzt, wunderbare Trainingsmöglich­keiten im geschützten Rahmen und kann dem Hund zeigen, dass dies völlig normal ist und sich ­seine Kooperation wirklich für ihn bezahlt macht.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie durch meinen kurzen Trainingsansatz, eine Idee vom Training in Bezug auf läufige Hündinnen erhalten haben.
Ihre Yvonne Adler

Pdf zu diesem Artikel: ratgeber_erziehung_1216

 

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