Rettungshunde – Vierbeinige Spezialisten bei der Arbeit

Von Liane Rauch

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Warum lesen? Rettungshunde retten Leben. Jeder kann einmal in die Situation kommen, auf einen solchen Hund angewiesen zu sein. Daher ist es interessant, etwas Hintergrundwissen über die Ausbildung zu gewinnen.
Fakten kompakt:
• Bei Servicehunden muss der Hund praktisch alles lernen. Bei Rettungshunden zählt das Mensch-Hund-Team.
• Flächensuchhunde sollten nicht zu groß und schwer sein, weil ihr Bewegungsapparat sehr belastet wird.
• Rettungshunde dürfen sich durch nichts in ihrer Arbeit ablenken lassen.

Im Rahmen einer Veranstaltung konnte ich einem Mantrailing-Team über die Schulter schauen. Der Hund beschnüffelte einen Geruchsträger, hier ein Halstuch, einer ihm völlig fremden Person. Es bestand kein Bezug zwischen dem Hund und der zu suchenden Person. Mit verblüffender Sicherheit nahm der Hund die Spur auf. Es ging über Straßenkreuzungen und eine Brücke, welche immer sehr große Herausforderungen bei der Vermisstensuche sind, da Wasser den Geruch anzieht und auf der Brücke oft kaum ein Geruch mehr vorhanden ist. Der Hund ließ sich, trotz vieler Zuschauer, die bei der Suche hinter dem Team her liefen, nicht ablenken. Es war einfach überwältigend, dem Hund bei seiner Arbeit zuzusehen und seine Freude zu erleben, als er die Person gefunden hatte. Als würde er verstehen: Es geht im Ernstfall um Leben und Tod.

Welche Rassen sind geeignet?
Meine Collies und Shelties waren und sind nicht wirklich „Nasenspezialisten“. Rettungshundearbeit ist ein Bereich, mit dem ich mich bisher also nicht so ausführlich beschäftigt habe. Deshalb möchte ich diesmal primär die Fachfrau Michaela Bannier, Malteser Rettungshundestaffel Bad Wimpfen, seit vielen Jahren im Rettungshundewesen aktiv, zu Wort kommen lassen:

Michaela Bannier zur Eignung: „Grundsätzlich gibt es nicht DIE geeignete Rasse. Die Hunde sollten leistungsfähig, gesund, jedoch nicht zu klein sein. Eine Schulterhöhe von 35–40 cm sollte unterste Grenze sein. Dies gilt hauptsächlich für die Flächensuche, weil der Hund bei der Arbeit querfeldein durch Unterholz, über Baumstämme usw. springen muss. Natürlich ist auch Freude am Suchen und eine gute Nasenveranlagung ein wichtiges Auswahlkriterium. Es sollte bei der Auswahl des Hundes auch nach der Sparte entschieden werden:

Mantrailing: am ehesten Jagdhunde, wie z.B. Deutsch Drahthaar, die Brackenschläge, Schweißhunde. Auch kleinere Rassen, z.B. Dackel und Terrier, wären geeignet, da diese notfalls leicht über einen Zaun oder andere Hindernisse gehoben werden können.

Flächensuche: gerne werden Labrador, Schäferhund, Australian Shepherd, Border Collie, Malinois und Mischlinge daraus eingesetzt. Nicht zu groß und nicht zu schwer, da die Flächensuche den Bewegungsapparat des Hundes sehr belastet. Im Verletzungsfall muss der Hund vom Hundeführer zum Einsatzfahrzeug zurück getragen werden können, das Gewicht des Hundes muss also „tragbar“ sein.

Man sollte jedoch auf die individuelle Veranlagung des Hundes achten. In unserer Staffel, Malteser Rettungshundestaffel Bad Wimpfen, beobachten wir die Hunde vorab im privaten Bereich. Ist der Hund nur mit der Nase auf dem Boden und spurt gerne, oder hat er den Kopf oft oben und wittert. Dies sind erste Hinweise auf die Sparten-Eignung.

Hunde mit sehr kurzen Nasen (Brachycephalie) und den daraus resultierenden Atmungsproblemen sind nicht so gut geeignet. Aktive Rettungshundearbeit in einer Staffel ist wie Hochleistungssport zu werten. Der Hund muss eine gut funktionierende Atmung haben. Der Hund findet die Person nur über die Nase und er muss genügend Luft bekommen, um auch länger suchen zu können. Ganz ausgeschlossen ist eine Rettungshundekarriere für diese Rassen jedoch natürlich nicht, man muss den Hund im Einzelnen testen.

Teamarbeit mit Spielfreude und Temperament
Im Gegensatz zum Assistenz- oder Signalhund darf der Hund bei der Rettungsarbeit nicht ausschließlich auf seinen Hundeführer fokussiert sein. Die Suche in der Fläche oder das Trailen innerhalb von Orten würde sich sehr langwierig gestalten, wenn sich der Hund nicht vom Halter lösen könnte oder immer wieder zum Hundeführer zurück käme, um „nachzufragen“, wie und wo es denn nun weiter gehe. Der Hund soll ja einen für ihn völlig fremden Menschen suchen, finden und helfen.

Michaela Bannier zum Wesen eines Rettungshundes: „Der Rettungshund muss gut sozialisiert, innerartlich und gegenüber Menschen, sein. Trifft man während der Arbeit auf andere Hunde, darf der Rettungshund seine Arbeit nicht unterbrechen. Es geht oft um Leben und Tod, deshalb sollten auch provozierende Fremdhunde souverän ignoriert werden. Wesensfestigkeit innerhalb von Orten und Städten ist ein wichtiges Kriterium, da der Hund in größeren Menschenmengen keine Angst oder Aggression zeigen darf.

Lernfreude, Temperament, Belastbarkeit und ein gutes Maß an Spielfreude sind weitere Grundanlagen, die der Hund zeigen sollte. Trotz der Eigenständigkeit während der Suche muss der Hund teamfähig sein und gerne mit seinem Menschen zusammenarbeiten wollen.“

Ausbildung im Team
Auch in der Ausbildung der Rettungshunde gibt es große Unterschiede zu den bisher beschriebenen Hundeberufen. Handelt es sich bei Führ- und Assistenzhunden in der Regel um eine modulare Ausbildung (Ausbildung in mehreren Schritten, an den späteren Einsatz des Hundes angepasste Module mit unterschiedlichen Ausbildern und an unterschiedlichen Orten), werden im Rettungshundewesen Hund und Halter von Anfang an gemeinsam ausgebildet und geprüft.

Michaela Bannier führt zwei Hunde in unterschiedlichen Sparten:
Dr. Watson, Deutsch Drahthaar, geprüft seit 2016 in der Sparte Mantrailing, durchschnittliche Ausbildungsdauer ca. 2 ½ bis 3 Jahre, Dauer abhängig vom Team. Die Ausbildung im Mantrailing umfasst unter anderem: Sucharbeit in bebauten und unbebauten Gebieten, Frischspuren und Altspuren, negativ am Start der Suche, die Person selbst war nicht an dem Ort, klares Anzeigen durch den Hund oder negativ am Ende der Suche, Person ist in Fahrzeug eingestiegen und weggefahren, klare Anzeige durch den Hund.

Murphy (Schäfer-Mali-Border-Mix, geprüft seit 2011) in der Flächensuche als Verbeller. Durchschnittliche Ausbildungsdauer ca. 2 bis 2 ½ Jahre, Dauer abhängig vom Team. Ausbildung in der Fläche umfasst unter anderem: Gehorsam: Freifolge, Menschengruppe mit und ohne Hund, Sitz/Steh/Platz aus der Bewegung, Voraus (oder Detachieren), Ablage außer Sicht. Verweis: Verbellen, Rückverweisen oder Bringseln, Anzeigen der Person mit Abstand, kein Bedrängen.

Suche: 30.000 m² Wald, Suchzeit max. 20 Min., 0–3 Personen (Info zu 0 Personen siehe Kasten) versteckt, Auffinden, Anzeigen/Verweisen.

In unserer Staffel wird ausschließlich über positive Bestätigungen gearbeitet, die Hunde dürfen niemals zu etwas gezwungen werden.

Michaela Bannier: „Ein bedeutendes Ausbildungsziel ist, dass sich der Hund auch gegen den Hundeführer durchsetzen kann. Beim Mantrailing darf sich der Hund durch nichts aufhalten lassen die Spur zu verfolgen, weder durch die Umgebung und auch nicht vom Hundeführer. Bei der Flächensuche sollte sich der Hund nicht mehr abrufen und sich von Wild oder Katzen nicht ablenken lassen, wenn er die menschliche Witterung aufgenommen hat.“

Der Rettungshundeführer – Hier muss auch der Mensch lernen
Beim Rettungshundeführer zeigt sich der wohl größte Unterschied zu den bisherigen Hundeberufen. Während bei Führ-, Assistenz- und Signalhunden in der Regel der Hund am meisten lernen muss, ist Rettungsarbeit auch für den Hundeführer sehr anspruchsvoll.

Bannier: „Der Hundeführer muss bis zur Prüfung folgende Ausbildungs-Module absolvieren:
Seminare/Kurse in Kynologie, Erste Hilfe beim Hund und Mensch, qualifizierter Ersthelfer (Extra-Prüfung), Funk-Kurse, Karten bzw. Kompass richtig lesen lernen, Einsatztaktik/Organisation, Transportsicherung (Hund), Sicherheit im Einsatz/Unfallverhütung, Geruch/Geruchsverteilung und weiter organisationsbezogene Ausbildungen.

In praktischen Einheiten wird geübt, das Gelände richtig einzuschätzen (z.B. Bewuchs dicht oder licht, Abbruchkanten, Senken), dazu ist das Wetter zu beachten und die Tageszeit. Das ist relevant für die Beurteilung und letztendlich für die Suchtaktik des Hundeführers.
Das Wichtigste ist, dass der Hundeführer lernen muss, mit dem Hund im Team zu arbeiten, ihm zu vertrauen, ihn richtig zu „lesen“ und ihn arbeiten zu lassen. Manche Hundeführer tun sich schwer, den Hund frei arbeiten zu lassen, während der Suche zu beobachten und die Körpersprache des Hundes richtig zu deuten. Viele Hundeführer merken sehr schnell, dass der Hund sehr viel mit seinem Körper „spricht“. Diese AHA-Effekte beim Hundeführer hat man regelmäßig in der Ausbildung.“ – klärt Michaela Bannier auf.

Der Rettungshund – Bei guter Gesundheit bis ins hohe Alter
Einen begrenzten Arbeitszeitraum anzugeben ist schwierig. Ist der Hund bei guter Gesundheit, körperlich fit und zeigen sich keine altersbedingten Einschränkungen, vor allem beim Sehen, kann der Rettungshund seine Arbeit bis in ein zweistelliges Alter ausführen.

Die Fachfrau dazu: „Natürlich lässt, wie bei Menschen auch, im Alter die Leistungsfähigkeit nach und es zeigen sich altersbedingte Einschränkungen. Hier ist der Hundeführer, in Verbindung mit der Straffellleitung, gefragt, den Hund entsprechend seinem altersbedingten und körperlichen Leistungsstand einzusetzen oder ihn aus dem Einsatzgeschehen herauszunehmen und ihn nur noch im Training dosiert und altersgerecht arbeiten zu lassen.

Die Hunde würden für uns versuchen immer 100 Prozent ihrer Leistung zu bringen, auch wenn sie es eigentlich körperlich gar nicht mehr können. Man kann sie nicht von jetzt auf gleich aus der Arbeit nehmen. Diese Aufgabe ist und war ihr Leben und sie müssen wie ein Hochleistungssportler abtrainieren bzw. dann im Alter entsprechend beschäftigt werden.

Rettungshunde-Freizeit
In unserer Freizeit dürfen die Hunde ganz Hund sein. Lange Gassi-Gänge im Grünen sind jeden Tag angesagt. Sie dürfen nach Mäusen buddeln, schwimmen oder faul in der Sonne liegen und gar nichts tun. Natürlich werden sie auch dosiert beschäftigt mit kleinen Tricks oder Intelligenzspielchen, das fordern sie auch ein. Gymnastik machen wir auch: Stehen, Liegen und Sitzen auf einem Gymnastikball und Dehnübungen. Freizeit muss Freizeit bleiben und der Hund soll da auch zur Ruhe kommen können. Ein gesundes Verhältnis von Arbeit und Freizeit ist, vor allem für berufstätige Hunde, sehr wichtig.

Der Rettungshund in Rente
Die Frage, wo bleibt der Hund, wenn er in den Ruhestand geht, stellt sich bei Rettungshunden nicht. Der Halter ist in der Regel nicht gehandicapt wie z.B. bei blinden oder gehörlosen Menschen und kann somit den Senior und den Nachfolger-Hund weiterhin optimal versorgen. „Unsere Hunde leben bei uns in der Familie, sie sind Familienmitglieder und bleiben solange sie leben bei uns.“ sagt Michaela Bannier über die Rente ihrer Hunde.

Rettungshunde: Vierbeinige Spezialisten bei der Arbeit
Wie am Anfang erwähnt, konnte ich ein Suchhunde-Team begleiten, nämlich Michaela Bannier und ihren Dr. Watson. Die Person, die damals „verloren“ ging, war mein Vater. Wir haben akribisch darauf geachtet, dass Dr. Watson im Vorfeld der Suche KEINEN Kontakt zu meinem Vater hatte, ihn weder sehen noch riechen konnte. Wir haben meinen Vater damals angewiesen, Wege mit unterschiedlichen Bodenbelägen zu gehen und mindestens einmal einen Fluss zu überqueren. Er sollte sich dann an einem stark frequentierten Platz in Oberammergau „verstecken“. Keiner wusste, wo er sich aufhielt.

Obwohl Dr. Watson meinen Vater nicht kannte und absolut keine Verbindung zu ihm hatte, hat er meinen Vater vor einer Eisdiele unter vielen anderen Menschen schnell gefunden. Falls mein Papi also wirklich mal wieder in einer Eisdiele verloren gehen sollte, weiß ich, wen ich anrufen muss …

Hintergrund

Erklärung zu „0 versteckten Personen“
Der Hundeführer lernt in der Ausbildung, anhand des Suchverhaltens des Hundes und dem Suchablauf zu sagen, das Gebiet ist sauber, d.h. es ist keine Person in dem Suchgebiet.
Gibt der Hundeführer das Gebiet frei (abgesucht und nichts gefunden), dann werden die Suchmaßnahmen an anderer Stelle weitergeführt.
Deswegen muss sich jeder Hundeführer sicher sein, keinen Lauffehler gemacht zu haben, das Gebiet/Wind richtig eingeschätzt, seinen Hund richtig angesetzt zu haben und ihn richtig gelesen zu haben. In der Ausbildung werden deswegen auch Leersuchen, also OHNE versteckte Person, gemacht, damit der HF das lernt und sich der Verantwortung/Auswirkung im Real-Einsatz auch bewusst ist.

Pdf zu diesem Artikel: hundeberufe_rettungshunde

 

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