Renate Holm Kammersängerin, Hundefreundin & engagierte Tierschützerin

Von Volker Grohskopf

Renate Holm zählt zu jenen Frauen, an denen die Zeit spurlos vorüberzu gehen scheint.  Nur ein paar Jahre trennen sie scheinbar von ihren ersten Bühnenerfolgen.
Mehrere ihrer mittlerweile über 80 Schallplattenaufnahmen wurden mit Preisen ­ausgezeichnet, und vor wenigen Tagen brachte sie die allererste Weihnachts-CD ihrer glanzvollen Gesangskarriere auf den Markt. Doch ihr Herz ist derzeit gebrochen, denn sie musste von ihrem vierbeinigen Liebling „Bony“ für immer Abschied nehmen.  

Selbstbewusst, grandios, herzlich und  spontan: Das sind Eigenschaften der Kammersängerin Renate Holm. Eine Operndiva mit dem Temperament eines Vulkans und der Empfindsamkeit einer Lyrikerin. Sie ist eine der ganz großen Sopranistinnen unserer Zeit. Ihr Repertoire reicht von den Meistern der Opernliteratur bis zum modernen Musiktheater, von der Operette bis zum konzertanten Arien­gesang. Eine ihrer Spezialitäten ist das kunstvolle Wienerlied. Ich war zu Gast sowohl in ihrer geliebten Mühle in Niederösterreich als auch in ihrer Wiener Stadtwohnung. Dort hängt neben einem großen Bild Herbert von Karajans als gerahmter Spruch ihr Lebensmotto: „Fange nie an aufzu­hören – Höre nie auf anzufangen.“

Grande Dame der leichten Muse
Schon seit frühester Kindheit wusste Renate Holm, dass sie einmal Sängerin werden würde. Damals hatte sie den Kinofilm „Madame Butterfly“ mit Maria Cebotari gesehen: „Ich war gerade einmal 12 Jahre alt und es war die erste Oper, die ich in meinem Leben gesehen habe. Ich war so aufgewühlt von der Musik und dem ­tragischen Schicksal der Cho-­Cho-San, dass ich von diesem Augenblick an nur noch Opernsängerin werden wollte“, erzählt die gebürtige ­Ber­linerin schmunzelnd.

Doch zunächst absolvierte sie eine Ausbildung zur zahntechnischen Assistentin, um sich das Geld für den Gesangsunterricht zu verdienen. Ein Talentwettbewerb beim Rundfunksender RIAS brachte den Durchbruch. Renate gewann mit Bravour, ­machte danach rasch Karriere und bald ge­hörte sie zu den umjubelten Schlager­stars ihrer  Generation. In mehr als 30 Musik- und Heimatfilmen hat die Sängerin mitgewirkt. Doch trotz ihres Erfolgs in der leichten Muse strebte sie nach Höherem.
 
Operndiva der alten Schule
1957 wurde Hubert Marischka auf sie aufmerksam, an dessen Begegnung sie sich gerne erinnert: „Er ­inszenierte damals gerade an der Wiener Volks­oper und hat mir angeboten, die Prinzessin Helene im ‘Walzertraum’ von Oscar Straus zu werden. Ich war natürlich außer mir vor Freude.“  Ihr Debüt war ein derart großer Erfolg, dass der damalige Volksoperndirektor, Franz Salmhofer, ihr gleich einen fixen Vertrag anbot. Kompromisslos beendete Renate Holm dafür ihre Filmkarriere und  sang  sich ab sofort in die Herzen des verwöhnten Wiener Publikums. Der große Durchbruch gelang ihr 1961 mit ihrem Wechsel an die Wiener Staatsoper, deren Ensemble sie von 1964 bis 1991 angehörte.

Unter der Obhut des damaligen Operndirektors Herbert von ­Karajan erlangte Renate Holm ­schließlich Weltruhm. 1971 wurde der Aus­nahme­künstlerin auch der Titel der Kammersängerin verliehen.

Damit ist das Spektrum ihres Schaffens aber nicht erschöpft. Ende der 1980er Jahre begann sie zusätzlich noch eine weitere Karriere am Theater als Schauspielerin, wo sie ihr komödiantisch-parodistisches Talent bis heute unter Beweis stellt.

Preußische Tugenden
Fragt man Renate Holm nach der Energie, mit der sie dreimal neu begonnen hat, um dann wieder ganz oben zu stehen, antwortet sie spontan: „Es war die strenge, autoritäre Erziehung meiner Mutter. Sie hat mich die preußischen Tugenden – Disziplin, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Arbeitseifer – gelehrt. Es war zwar eine harte Schule für mich, aber im weiteren Leben hat sie mir genützt.“

Neben ihrer Theatertätigkeit gibt Renate Holm Gesangsunterricht am Konservatorium der Stadt Wien und unterrichtet Meisterklassen in Wien und München. Für ihre 20-jährige Arbeit als Gesangslehrerin wurde ihr kürzlich der Titel „Professorin“ verliehen. Ihrer unermüdlichen Lehrtätigkeit verdanken auch zahlreiche junge Opernkünstler den letzten Schliff.

In ihrer liebevoll renovierten Mühle im niederösterreichischen Weinviertel veranstaltet Renate Holm regelmäßig Konzerte mit einem von ihr gegründeten Ensemble aus ehemaligen ­Schülern. Der Reinerlös geht dabei immer an verschiedene Tierschutz­organisationen.

Ein Paradies für Tiere
Schon als kleines Mädchen hatte Renate Holm das Bedürfnis Tieren zu helfen. Sie erinnert sich noch an ihre erste Katze, das Mohrchen, die sie mit ihrer Mutter völlig verwahrlost in Berlin am Straßenrand fand und bei sich aufnahm. „Auch meine Mutter war sehr tierlieb, das habe ich wirklich von ihr geerbt. Wir hatten auch einen Kanarienvogel,  mein Hänschen, der mit der Katze überhaupt kein Problem hatte. Für mich waren Tiere immer wie kleine Menschen, die zwar anders aussahen, aber ich habe mit ihnen gesprochen, sie haben geantwortet und mich verstanden, und ich wusste, was sie meinten.“

Heute beherbergt die engagierte Tierschützerin einige in Not geratene Tiere auf ihrem Anwesen. Mehrere Ziegen, Pferde und Esel grasen friedlich auf der Koppel hinter dem Haus. Sie alle wurden von Renate Holm vor dem letzten grausamen Weg in den Schlachthof gerettet. Unzählige Kaninchen und Meerschweinchen befreite sie aus Versuchslaboren und erlöste sie von ihren Höllenqualen. Heute hoppeln sie alle zusammen froh und munter zwischen vielen glücklichen Hühnern vor sich hin. Und allen voran war da noch Bony – eine Mischung aus einem ungarischen Hirtenhund und einem chinesischem Shih Tzu.

In Memoriam „Bony“
Bony war nicht einfach nur ein Hund. Für Renate Holm war ihr „Bony“ ein Familienmitglied, ein treuer Begleiter und ein Freund fürs Leben. Über 13 Jahre lang wich er seinem Frauchen nicht von der Seite. Er begleitete sie auf all ihre Tourneen, zu all ihren Auftritten. Und Bony war ein ­kritischer und ehrlicher Beobachter: „Ja, Bony war ein sehr musikalischer Hund. Immer wenn ich Gesangstunden gab und meine Schüler einen Ton nicht gleich sauber trafen, verließ er knurrend das Zimmer. Erst wenn die Phrase gesanglich perfekt war, kam er freudestrahlend und schwanzwedelnd zurück“, beschreibt Renate ihren Bony und greift unauffällig zum Taschentuch.

Wegen eines vermuteten Bandscheibenvorfalls musste Bony vor ein paar Tagen überraschend zum Tierarzt. Die dort erhobene Diagnose hat ihr Leben vollkommen verändert: „Ich bekam aus heiterem Himmel diese entsetzliche Nachricht von meinem Tierarzt: Bony ist schwer krank und ihm ist leider nicht mehr zu helfen. Er hatte einen bösartigen Tumor und es gab keine Chance auf Heilung. Es war ­einfach schrecklich. Ein allerletztes Mal nahm ich meinen über alles geliebten Bony in die Arme, drückte ihn und streichelte ihm über sein ­kleines Köpfchen – er war so tapfer und ich werde seinen letzten Blick nie vergessen. Dann erlöste der Tierarzt ihn von seinem Leid“, erinnert sich Renate Holm unter Tränen.

Für Renate Holm stand fest, sie will ihren Bony auch nach seinem Tod in ihrer Nähe spüren. Daher wurde er im Garten ihrer Mühle an seinem Lieblingsplatz beigesetzt. Sein Grab bepflanzte sie mit Blumen, und mit aneinandergereihten Kieselsteinen schrieb sie liebevoll seinen Namen in die Erde. Immer wieder besucht sie sein Grab und erinnert sich dort an die wunderschöne, gemeinsame Zeit mit ihrem vierbeinigen Liebling.

„Bony“ hat im Leben von Renate Holm eine erhebliche Lücke hinterlassen, die sich noch lange Zeit nicht schließen lassen wird.

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