Viele Trainer und Hundehalter schwören darauf, Hunde mit Leckerlis zu erziehen und zu trainieren, um zum gewünschten Erfolg zu kommen. Aber geht es nicht auch ohne? Maria Kurz von den „HundeLehrern“ aus Bautzen sagt heute: Ja natürlich! Vor ein paar Jahren sah es bei der Hundelehrerin aber noch ganz anders aus. Wir sprachen mit der 28-Jährigen über das Für und Wider dieser seit Jahrzehnten weit verbreiteten Trainings- und „Erziehungs“methode und über ihre persönlichen Erfahrungen, die sie daraus gezogen hat.
Wuff: Schaut man sich im Fernsehen und in vielen Hundeschulen das Training genauer an, geht es oftmals nicht ohne Belohnung mit Leckerlis. Was halten Sie davon?
Kurz: Zu Beginn muss ich vorausschicken, dass es sich für mich um Leckerlitraining handelt, wenn Hunde oft, häufig oder immer, egal in welcher Situation und welchem Zusammenhang, mit kleinen Futterstückchen belohnt werden. Leckerlis sind für mich kleine Futterbrocken, -bröckchen, welche fressbar sind und nicht als Hauptmahlzeit, sondern zusätzlich zum Futter gegeben werden oder wenn die Tagesration in viele kleine Futtergaben aufgeteilt wird. In meinem Alltag versuche ich die Menschen davon zu überzeugen, dass in einer artgerechten Erziehung keine „Bestechungen“ in Form von Leckerlis notwendig sind. Erziehung beziehungsweise Training mit dem eigenen Hund hat für mich immer etwas mit Beziehung zu tun. Und in dieser sollte im besten Fall kein Lockmittel oder Erpressung nötig sein.
Wuff: Haben Leckerlis in der Beziehung zu Ihren eigenen Hunden tatsächlich nie eine Rolle gespielt?
Kurz: Bevor ich meine Trainerlaufbahn einschlug, bestand das Training mit meinem Labradorrüden aus sehr viel Belohnung mit Leckerlis. Dies war eine übliche Trainingsmethode in dem Verein, bei dem ich Mitglied war. Damals bildete ich mir ein, dass die gezeigte Begeisterung bei der Arbeit Freude an der Aktivität sei. Heute weiß ich, dass dies nur eine Erwartungsaufregung auf das nächste Leckerli war. Mein Hund hatte bei unseren Aktivitäten also keinen Spaß, sondern eher Stress. Seit dem Einzug meiner ersten Border-Collie-Hündin und der intensiven Mitarbeit bei HundeLehrer Torsten Kurz veränderte sich mein Blick auf die Erziehung und das Training. Ich bilde mich seitdem nicht nur in der Theorie und Praxis ständig weiter, sondern habe auch erkannt, dass Leckerlis keine Rolle mehr spielen müssen, um zum Erfolg zu kommen. Das Training ohne Leckerlis erfordert von Hundehaltern und Trainern aber erst ein Umdenken und eine Umstellung in der Arbeit sowie im Zusammenleben mit dem Hund, den man erst richtig kennen lernen muss, um ihn zu verstehen und eine harmonische Beziehung aufbauen zu können.
Wuff: Heißt also, dass sich Hundehalter einfach mehr Zeit nehmen sollten, um ihren Hund besser zu verstehen als sie mit Leckerlis vollzustopfen?
Kurz: Vielen Hunden ist, nach einer Studie von Gregory Berns von der Emory University in Druid Hills, das „gesprochene Lob“ in Form von positiver Bestätigung wichtiger oder gleich wichtig wie das Futter. Dies kann ich im Zusammenleben mit meinen Hunden bestätigen. Wenn ich unsere Border-Collie-Damen Cathy und Dörte ansehe, dann würden sie mein Lob und meine Zuwendungen dem Futter vorziehen. Sie würden auch Futter nehmen, aber eher unter dem Motto: „Na gut, weil du es möchtest“. Bei meinem Labradorrüden Benny ist es dagegen etwas anders. Er würde sicher eher das Futter bevorzugen und dann das Lob annehmen, getreu dem Motto: „Na gut, weil du es magst mich zu streicheln“. Wenn wir uns also mehr Zeit nehmen würden unsere Hunde zu verstehen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen, dann würden wir feststellen, dass es keines Leckerlis bedarf, weil es dem Tier dann allein um uns Menschen geht. Und eben nicht um das Leckerli, mit dem ich meinen Hund ja quasi, im übertragenen Sinne mit Leckerlis bezahle, damit er etwas für mich leistet.
Wuff: Hm, … Dann ist es in der Erkenntnis tatsächlich so, dass man aus Ihrer Sicht beim Leckerlitraining eine Art Kaufvertrag mit seinem Hund eingeht?
Kurz: Ja genau. Warum soll/muss der Hund denn mit Leckerlis belohnt werden, wenn er etwas für mich oder unser Team macht? Belohnung hieße ja in diesem Fall, dass ich etwas von meinem Hund verlange und meine Schuldgefühle, dass ich von meinem Hund etwas abverlangt habe, mit einer Leckerligabe freikaufe. Die Form des Leckerlitrainings stellt immer eine Art Bezahlsystem dar. Der Hund macht etwas für seinen Menschen und dafür bekommt er etwas – seinen „Lohn“. Es ist wie beim Menschen. Der Hund wird sich ausschließlich über seine Leistung definieren. Er fühlt sich nur akzeptiert und sieht seine Leistung für erbracht, wenn er das gewünschte Verhalten zeigt und bezahlt wird. Zeigt er es nicht, bekommt er seinen Lohn nicht. Er würde sogar bestraft werden durch einen Leckerlientzug. Das stelle ich mir aber nicht unter einer harmonischen, sozialen und partnerschaftlichen Mensch – Hund – Beziehung vor. Denn findet eine Aktivität aus intrinsischer Motivation, also selbst motivierend und von innen heraus kommend statt, dann ist kein Lockmittel notwendig. So kann zum Beispiel die Beziehung zwischen Mensch und Hund gefestigt werden, indem dem Hund eine Aufgabe gestellt wird, die er sich selbst nicht zugetraut hat und die nur mit Hilfe von Herrchen und Frauchen zu schaffen ist. Das stärkt die Bindung. Denn der Mensch wird dabei durch sein Vorbildverhalten zu einer Identifikationsperson und zeigt dem Hund damit eindeutige Führungsqualitäten. Der Hund wird sich mit Begeisterung anschließen und verschiedene Aktivitäten ausführen, ohne dafür etwas bekommen zu wollen. Dabei müssen die Aktivitäten für ihn aber Sinn machen. Ein Beispiel: Das Apportieren eines Balles ist für viele ernste, willensstarke Hunde wie viele Terrier oder Hunde, in denen eine Dogge steckt, nicht sinnvoll, denn den Ball kann er nicht fressen. Dies zeigen sie oft mit ihrer Körpersprache oder Mimik so ganz nach dem Motto: „Nenne mir einen Grund, warum ich den Ball für dich holen soll!“
Wuff: Was ist mit Leckerlitraining, um aggressives Verhalten beim Hund in den Griff zu bekommen?
Kurz: Leckerlitraining in der Verhaltenstherapie stellt nur eine Behandlung des Symptoms, aber kein Abstellen der Ursache dar. Ein Beispiel: Ein Hund bellt einen anderen Hund an der Leine aggressiv an. Statt zu analysieren, warum der Hund den anderen Hund aggressiv anbellt, wird dem aggressiv bellenden Hund ein Futterbrocken oder die Leberwursttube vor die Nase gehalten und in den Hund hinein gestopft, was an Leckerlis vorhanden ist. Dies verstärkt oft unbewusst das Verhalten oder lenkt von der ursächlichen Ursache ab.
Vielleicht ist es noch besser nachvollziehbar, wenn wir es mal auf den Menschen ummünzen und Symptombehandlung und Ursachenbekämpfung in den direkten Vergleich setzen.
Die Symptombehandlung:
Du hast ein Haus und in dem Haus entdeckst du nach Wochen oder Jahren Schimmel. Ein Hund zieht bei dir ein und nach Wochen oder Jahren zeigt er erstes aggressives Verhalten. Du hast im TV-gesehen, dass man Schimmel mit Chemie behandeln kann und danach überstreicht. Alles weg, prima. Fragst aber keinen Fachmann, woher der Schimmel kommen kann, denn er ist ja weg.
Du hast im TV einen Hundetrainer gesehen, der eine Klapperdose nimmt, also eine mit Steinen gefüllte Dose, die laut klappert, wenn man sie schüttelt und nach dem Hund wirft, wenn er Aggressivität zeigt und der Hund plötzlich aufhört aggressiv zu sein. Das machst du natürlich nach, denn der Trainer aus dem Fernsehen hat ja Ahnung.
Schade ist nur, dass der Schimmel nach ein paar Tagen oder Wochen wiederkommt, da die Ursache, eben die feuchte Wand, nicht beseitigt wurde.
Auch der Hund zeigt sein aggressives Verhalten nach kurzer Zeit wieder, da sich die Klapperdose leider abgenutzt hat und der Hund darauf nicht mehr reagiert. Zudem wurde die Ursache, wie zum Beispiel territoriales Verteidigen, nicht angegangen.
Die Bekämpfung der Ursachen wäre viel besser: Du holst dir einen Fachmann ins Haus und der analysiert, wo die Ursache des Schimmels herkommt. Er stellt fest, dass das Mauerwerk feucht ist und empfiehlt das Haus trockenzulegen, austrocknen zu lassen, die Wände danach zu reinigen und erst dann im Anschluss zu streichen. Diese Ursachenbehebung dauert aber längere Zeit und kostet mehr Geld als nur die Farbe an die Wand zu streichen. Das Ergebnis ist aber eine dauerhaft schimmelfreie Wand.
Du holst dir einen erfahrenen und AUSGEBILDETEN Hundetrainer ins Haus, welcher durch Fragen und Tests herausfindet, warum dein Hund so ein aggressives Verhalten zeigt. Danach bespricht er mit dir Trainingsvarianten und erstellt dir einen individuellen Trainingsplan. Denn wir als HundeLehrer sind der Meinung, dass jeder Hund und auch jeder Mensch anders ist. Demzufolge sind auch die Wege bis zum gewünschten Erfolg völlig verschieden. Es gibt bei unserer Arbeit deshalb nicht DEN Weg für ein harmonisches Team. Durch die passenden Trainingstipps und Konsequenz in der Umsetzung stellen sich die gewünschten Erfolge dann ein. Aber, …
Wuff: , … es dauert ohne Leckerlitraining aber sicher sehr viel länger um bis zum gewünschten Erfolg zu kommen?
Kurz: , …ja genau, denn das ist definitiv so. Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum viele Trainer und auch Vereine so viel mit Leckerlis trainieren. Die Menschen haben weniger Arbeit und schnelleren Erfolg. Denn ein Verhalten zu dressieren ist viel schneller möglich, als ein Verhalten durch Erziehung zu ändern. Leckerlitraining setzt keinen grundlegenden Willen zur Veränderung der Ursache voraus. Erziehung, Veränderung von häuslichen Strukturen, Lernbereitschaft des Menschen hündische Bedürfnisse zu erkennen schon und ist somit viel aufwendiger.
Ich selbst musste im Zusammenleben mit unseren Hunden viel mehr an gutem Verhalten vorleben und Verhalten, welches ich nicht bei ihnen sehen möchte, ignorieren oder sogar korrigieren. Damit lernten meine Hunde aber sehr schnell, was gewünscht und was nicht gewünscht ist beziehungsweise worauf sie sich verlassen können. Nämlich auf mich. Wenn sie etwas so machen, wie ich es gern haben wollte, bestätigte ich sie mit gemeinsamen Aktivitäten, die hin und wieder mit einem Jagderfolg endeten. Auch die Belohnungen durch Sozialkontakt wie Streicheleinheiten und Schmusen waren Bestandteile. Meine Hunde lernten somit, dass ich ihre Bedürfnisse befriedige, wenn wir gemeinsam arbeiten und sie auf mich achten. Wenn ich sie heute rufe, kommen sie zu mir, weil ich es bin und von ihnen einfordere. Sie erwarten kein Leckerli, weil sie es auch nicht kennen. Freuen sich aber über eine Aktivität, die wir hin und wieder gemeinsam starten, …
Wuff: , …wie das gemeinsame Jagen?
Kurz: Richtig. Zudem ist ein Training nur allein mit Futter über das natürliche Jagdverhalten als Nahrungserwerb sehr sinnvoll. Beispiel Rückruf. Der Hund wird gerufen und wenn er zum Menschen kommt, bekommt er kein Leckerli, sondern er darf sofort eine Beute, beispielsweise in Form eines Futterbeutels, suchen oder apportieren. Für den Apport der Beute bekommt der Hund dann seine Tagesration Futter als „Jagderfolg“ und Belohnung. Der Hund wird also für das Zurückkommen mit einer Jagdsequenz, einer gemeinsamen Aktivität, belohnt und eben nicht mit einem Leckerli. Der Jagderfolg wird dann mit der Fütterung abgeschlossen. Kommt der Hund nicht, kann er also auch nicht jagen gehen. Er hat also keinen Jagderfolg und damit kein Futter, wie in der Natur auch. Ein durchaus natürliches Erfolgssystem in der Natur.
Wuff: Unsere Leser würden sich zu guter Letzt über eine kleine Liste von Stichpunkten freuen, die noch einmal als kurzes Fazit die Pro- und Kontra-Liste von Leckerlitraining zusammenfassen.
Kurz:
Pro Leckerlitraining:
• Hundehalter und Hundetrainer freuen sich über schnelle, nicht aufwändige Erfolge und ihnen wird gutes Wissen über die „Erziehung“ eines Hundes suggeriert.
Kontra Leckerlitraining:
• Leckerlitraining stellt eine Art Dressur dar und hat weder etwas mit Erziehung und schon gar nichts mit Beziehung zu tun.
• Der Mensch wird vom Hundewillen abhängig. Ist dem Hund etwas wichtiger, kann, muss er aber nicht hören. Der Hund entscheidet, ob er das Leckerli haben will oder nicht.
• Der Hund zeigt sein Handeln nur wegen des Futters, nicht wegen des Menschen. Die Beziehung zu seinem Menschen spielt keine Rolle, denn der Hund zeigt das Verhalten auch bei anderen Menschen, die keine Beziehung mit ihm haben. Sie müssen ihn nur „bezahlen“.
• Es erfolgt eine Degradierung des Menschen zu einem Futterautomaten.
• Der Hund wird vom Mitdenker zu einer Maschine degradiert. Er soll nur funktionieren.
• Es schadet langfristig dem Körper. Denn Zwischenmahlzeiten in Form von Leckerlis fördern die Produktion von Magensäure und der Verdauungstrakt muss ständig arbeiten. Die Folge davon können Gastritis und andere Krankheiten sein.
• Kann ein forderndes, abverlangendes Verhalten des Hundes fördern.
• Der Mensch muss sein Geld, also die Leckerlis, immer mit sich führen.
• Kann Futteraggression fördern, denn ein fremder Hund kommt eventuell „meinem Futter“ zu nahe.
Pdf zu diesem Artikel: leckerli_training
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