Heute werden in zunehmendem Maße Methoden in der Veterinärmedizin eingesetzt, die zum Ziel haben, Patienten mit Problemen des Bewegungsapparates nicht-medikamentös oder unterstützend zur medikamentösen Schmerztherapie zu behandeln. Dabei handelt es sich meist um Tiere, die nicht mehr operiert werden können oder sollen, die auf eine Operation vorbereitet werden oder nach einer Operation zu rehabilitieren sind. Ziel ist es dabei, unter dem Einsatz physikalischer Methoden – die Physiotherapie ist davon ein wichtiger Teilbereich – die schmerzarme bis schmerzfreie Beweglichkeit wie auch Bewegung wieder herzustellen und damit die Lebensqualität zu verbessern.
Die Patienten, für die solche Behandlungen zum Einsatz kommen, kann man grob in vier Gruppen einteilen:
• Patienten, die auf eine Operation vorbereitet werden sollen
Hier ist vor allem der Muskelaufbau wichtig. Die im Vorfeld einer Operation bereits gekräftigte Muskulatur soll es dem Tier erleichtern, nach einer Operation schneller wieder auf die Beine zu kommen. Durch die gestärkte Muskulatur werden die Gelenke besser in ihrer Position gehalten, das Tier kann nach der Operation wieder rascher und effektiver Last aufnehmen, so dass die Rehabilitationszeit im besten Falle dadurch wesentlich verkürzt werden kann. Eine effektive Verkürzung der Rehabilitationszeit ist in jedem Fall anzustreben, da durch eingenommene Schonhaltungen, z. B. nach einer Gelenkoperation, das Tier andere Gelenke über einen längeren Zeitraum überbelastet. Spätschäden sind nicht selten die Folge.
• Patienten,die nach einer Operation physiotherapeutisch betreut werden
Es soll den Tieren im direkten Anschluss an eine Operation geholfen werden, schneller wieder gezielte Belastung aufnehmen zu können. Aufgrund des Wundschmerzes nach einer Operation nehmen operierte Patienten, wie schon zuvor erwähnt, Schonhaltungen ein, welche teilweise geradezu zur Gewohnheit werden können. Solche Tiere finden dann nur mit viel Mühe und z. B. gezielter Massage sowie Krankengymnastik wieder in ihren normalen Bewegungsablauf zurück (siehe Bild). Auch Narbenzug, Verklebungen oder vermehrte Bindegewebszubildung im OP-Bereich, die oft im Anschluss an eine Operation Ursachen für bestehende Restlahmheiten sind, können durch verschiedenste Methoden der Physiotherapie bzw. Physikalischen Medizin positiv beeinflusst werden.
• Patienten, die nicht operiert werden können oder sollen
Hierbei handelt es sich um Tiere, deren gesundheitlicher Zustand oder die altersbedingte Kondition (z.B. erhöhtes Narkoserisiko durch Herz-Kreislaufprobleme oder chronische Nieren- und Lebererkrankungen) eine Operation nicht mehr zulässt, oder um Patienten, deren Probleme generell nicht operativ zu lösen wären (z.B. Arthrosepatienten). Bei diesen Patienten kommt die „konservative Therapie", um die es sich ja bei der Physikalischen Medizin und Physiotherapie handelt, (im Gegensatz zur invasiven Therapie) voll und ganz zum Tragen. Natürlich gilt es auch bei Risikopatienten, den körperlichen Status grundlegend und eingehend zu erfassen, um abschätzen zu können, welchen therapeutischen Möglichkeiten sie noch unterzogen werden können.
• Patienten, die zu Vorsorge und Training vorgestellt werden
Hierzu zählen z.B. Diensthunde, Blindenführhunde, Rettungshunde oder Hunde im Renn- und Hundesport. Mit auf das Tier individuell zugeschnittenen Trainingsprogrammen können Sportverletzungen – wie z.B. Muskelfaserrisse, Sehnenverletzungen oder Gelenkverstauchungen – vermieden werden, die für einen arbeitenden Hund eine teilweise längere Zwangspause bedeuten würden. Eine gezielte physiotherapeutische Betreuung von Leistungssportlern ist im Humanbereich nicht mehr wegzudenken, auch im Bereich des Hundesportes kann durch gezielte Maßnahmen die Leistungsfähigkeit des Hundes lange erhalten bzw. gezielt auf ein Optimum gesteigert werden. Im Dienst- und Sporthundebereich sind die Gelenke der Hunde gezielten Extrembelastungen ausgesetzt, es kommt teilweise zu einsatztypischen „Berufskrankheiten" bei diesen Hunden, denen durch gezieltes Training und bewussten Einsatz vorgebeugt werden kann (siehe Bild).
Doch nicht nur bei Leistungshunden können vorbeugende physiotherapeutische Behandlung und Beratung wichtig sein, auch der aktive Familienhund soll ja möglichst bis ins hohe Alter beschwerdefrei belastet werden können. Ist der Besitzer bereits in jungen Jahren des Hundes darüber informiert, welche Gelenke bei seinem Tier Schwachstellen darstellen und im Alter zu vermehrten Problemen führen könnten, kann bereits durch einfache und gezielte Übungen und Maßnahmen beim jungen Hund gezielt vorgebeugt werden.
Häufige Krankheitsbilder im physiotherapeutischen Praxisalltag
Betrachtet man die Statik eines Hundekörpers, kann die Hinterhand des Hundes am ehesten mit einem Antriebsmotor verglichen werden, der den Schub entwickeln muss. Die Wirbelsäule ist der schwingende Stab, der die Kraft des Motors auf die stützenden Vordergliedmaßen überträgt.
Ein Krankheitsbild, das wir mittlerweile sehr häufig bei großen und schnellwüchsigen Hunderassen sehen, ist die Hüftgelenksdysplasie (HD). Besteht nun eine Instabilität im Bereich des Hüftgelenkes, wird der Hund instinktiv die Last über den Rücken auf die ohnehin auch beim gesunden Hund schon mehr belasteten Vorderextremitäten umverteilen, so dass hier durch die Fehl- und Überbelastung Sekundärschäden entstehen können (z.B. Arthrosen im Bereich der Ellbogen und Schultern, schmerzhafte Muskelverhärtungen im Bereich der Schulter- und Rückenmuskulatur, Spondylosen im Bereich der Wirbelkörper) (siehe Bild). Durch die meist eher x-beinige Stellung der Hinterhand bei HD-Patienten werden die Knie auch ständig chronisch erhöhten Belastungen ausgesetzt, was sehr häufig zum Kreuzbandriss mit nachfolgenden Arthrosen führt, der sowohl ein-, nicht selten in der Folge auch beidseits, ein Problem darstellen kann. Kreuzbandrisse können nicht nur durch chronische Überbelastung und fortschreitende Degeneration der Kreuzbänder, sondern auch traumatisch durch z.B. einen Unfall entstehen.
Neben dem Krankheitsbild der Hüftgelenksdysplasie und ihren Folgen werden des Weiteren in der physiotherapeutischen Praxis häufig große junge Hunde vorgestellt, die nach Entfernung von Gelenkfortsätzen im Ellbogengelenk (frakturierter Processus coronoideus oder fragmentierter Processus anconaeus) oder von abgelösten Knorpel-Knochenschuppen vornehmlich im Schulter- oder Ellbogengelenk (OCD) wieder schneller und effektiver ans Laufen kommen sollen, insbesondere wenn sich bereits Arthrosen in den Gelenken gebildet haben.
Ein großes Einsatzgebiet der Physiotherapie stellen Wirbelsäulenerkrankungen dar. Hierbei stehen Bandscheibenvorfälle an erster Stelle. Besonders anfällig für dieses Krankheitsbild sind vor allem Hunderassen, bei denen die Länge und Belastung der Wirbelsäule in einem deutlichen Missverhältnis zur Länge der Extremitäten steht. Hierbei steht der Dackel mit dem gefürchteten Krankheitsbild der Dackellähme an erster Stelle.
Große Hunde werden uns häufig mit der Diagnose Cauda equina Kompresionssyndrom vorgestellt. Hierbei handelt es sich um degenerative Vorgänge im Bereich des Überganges der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein, die zunächst zu einer Schmerzsymptomatik, in der Folge auch durch ein Abdrücken der Nervenversorgung der Hinterbeine zu massiven Koordinationsschwierigkeiten führen können. Bei diesem Krankheitsbild ist eine konsequente physiotherapeutische Betreuung immens wichtig, um ein zu rasches Fortschreiten der Symptomatik zu verhindern.
Ein Gelenk, dessen Bedeutung in der Humanmedizin schon seit langem bekannt ist und auch beim Hund eine sehr wichtige Rolle spielt, ist das straffe Gelenk zwischen Kreuzbein und Beckenschaufel, das so genannte Kreuzdarmbein- oder Sakroiliakalgelenk. Hat sich ein Tier vertreten oder einen Sturz erlitten, kommt es nicht selten zu einer „Blockierung" des Kreuzdarmbeingelenkes (Fehlstellung der Gelenkflächen zueinander). Eine Blockierung dieses Gelenkes kann jedoch nicht nur traumatisch, sondern auch durch chronische Fehlhaltungen und daraus resultierende Muskelverspannungen entstehen (z.B. bei Hunden mit HD, Kreuzbandrissen etc.). Aufgrund seiner Lage und des noch nicht allzu hohen Bekanntheitsgrades von Problemen, die dieses Gelenk bereiten kann, ist eine Blockierung dieses Gelenkes oft Ursache von primär nicht erklärbaren Lahmheiten, oder sie führt zu einer Verschlechterung einer bereits bestehenden Lahmheit, verursacht durch eine Grunderkrankung, wie z.B. eine Hüftgelenksdysplasie.
Auch im Bereich der Muskulatur finden wir nicht selten Erkrankungsbilder, die zusammenfassend als Desmopathien bezeichnet werden. Es handelt sich hierbei um kleinste Zerreißungen in den Bereichen des Überganges vom Muskel zu seiner Sehne (so genannte Myotendinosen) bzw. des Überganges der Sehne zum Knochen (sog. Insertionstendopathien). Diese Veränderungen entstehen durch eine Überlastung der Muskulatur, sei es durch chronische Fehlhaltungen oder übermäßige, oft einseitige Belastung des Tieres. Diese Veränderungen in der Muskulatur können höchst schmerzhaft sein und sind daher häufig Grund für eine Vorstellung in einer physiotherapeutisch arbeitenden Praxis.
Ganzheitliche Medizin
Die Physiotherapie/Physikalische Medizin, wie wir sie verstehen, betrachtet den Organismus in seiner Ganzheit. Dies ist der Grund dafür, dass im Rahmen der Vorberichtserhebung nicht nur alleinig die Probleme des Bewegungsapparates, sondern auch andere Problematiken innerer Organe erfasst werden. Auch chronische Probleme innerer Organe können sich negativ auf den Bewegungsapparat auswirken. Der Grund hierfür liegt darin begründet, dass der Organismus „wie ein Regenwurm" aus vielen aufeinander folgenden Segmenten aufgebaut ist, die sich von innen nach außen in einen Eingeweideanteil, einen Knochenanteil, einen Muskelanteil sowie einen Hautanteil aufgliedern. Diese einzelnen Anteile sind durch zugehörige Nerven- und Blutgefäße miteinander verbunden. Daher kann es vorkommen, dass sich chronische Organschädigungen z.B. in primär unerklärlichen Lahmheiten oder Rückenschmerzen niederschlagen, die zwar einer symptomatischen Therapie zugänglich sind, komplett jedoch nur durch eine gezielte Behandlung des Grundproblems ausheilen können.
Diese ganzheitliche Sicht sollte bei der Untersuchung wie auch Therapie nicht außer Acht gelassen werden, damit Rückschläge in der Behandlung des Bewegungsapparates möglichst vermieden werden.
Ein uns sehr wichtiges Anliegen ist es, im Rahmen dieser Serie nicht nur eine spezifische therapeutische Fachrichtung darzustellen, sondern auch die Aufmerksamkeit auf gewisse Vorzeichen zu richten, welche es ermöglichen soll, dass der Hund bereits frühzeitig in Richtung auf bestimmte sich entwickelnde Probleme des Bewegungsapparates untersucht und wenn nötig schnellstmöglich behandelt wird. Vorbeugen ist immer noch besser als Heilen!
Im nächsten WUFF berichten die Tierärzte über die Möglichkeiten der Früherkennung von Problemen oder Störungen des Bewegungsapparates beim Hund. Und Sie als Hundebesitzer erhalten praktische Tipps, wie sie solche frühen Veränderungen erkennen können.
FALLBEISPIEL
Rauhaardackel Robin, Alter 9 Jahre
Nach einer Bandscheibenoperation wegen Dackellähme konnte die Physiotherapie Robin helfen.
Robin wurde uns im Juli 2003 erstmalig im Alter von 6 Jahren 4 Wochen nach erfolgter Bandscheibenoperation (Dackellähme) vorgestellt. Bei Erstvorstellung war er noch nicht steh- und gehfähig, alle Reflexe an den Hinterextremitäten zeigten sich deutlich reduziert. Robin wurde 1 Woche lang intensiv 2x täglich physiotherapeutisch betreut, zum Einsatz kamen Massage, krankengymnastische Übungen auf neurophysiologischer Basis, La-serakupunktur sowie Steh- und Laufübungen auf dem Unterwasserlaufband. Am Ende der Therapiewoche konnte Robin ohne Unterstützung stehen, auf dem Unterwasserlaufband wurden bereits beide Hinterbeine selbständig vorgeführt.
Robins Frauchen wurde intensiv in Übungen zu Hause angeleitet, die regelmäßig mehrmals täglich zu Hause durchgeführt wurden. Des Weiteren erhielt Robin unterstützend in regelmäßigen Abständen Akupunkturbehandlungen. Robins Allgemeinbefinden verbesserte sich zusehends, er kann mittlerweile auch längere Strecken mit kurzen Pausen vierbeinig zurücklegen. Um seine Muskulatur noch zusätzlich zu kräftigen, wird Robin seit Juli 2006 regelmäßig 1-2x pro Woche auf dem Unterwasserlaufband trainiert.
WUFF-GEWINNSPIEL
Das große Physio-Gewinnspiel
Ein Gewinnspiel des Vierbeiner Reha-Zentrums zusammen mit dem Berggasthof Johannishögl in Piding für WUFF-Leser.
In dieser und den nächsten 11 Ausgaben des Hundemagazins WUFF wird über die einzelnen Methoden der Physikalischen Medizin bzw. Physiotherapie berichtet. Zu jedem Artikel wird eine Frage gestellt. Von drei angebotenen Antworten (A, B oder C) ist nur eine richtig. Am Ende der WUFF-Serie werden alle 12 Lösungen an das Hundemagazin WUFF eingesandt.
Frage Nr. 1:
Welches Krankheitsbild ist nicht im Bereich der Wirbelsäule zu finden?
A Dackellähme
B Cauda equina Kompressionssyndrom
C Kreuzbandriss
Die Antwort (Buchstabe A, B, oder C) notieren Sie bitte auf dem Kupon aus Heft 11/06, Seite 26, oder zum Downloaden unter www.wuff.at im Menü Service > Tipps & Infos (zum Ausschneiden und Aufbewahren).
Erst wenn Sie alle 12 Lösungen gefunden haben, senden Sie den Coupon an WUFF, Kennwort Physio, Adresse siehe am Kupon.
Einsendeschluss ist der 31.1.2008
Die Preise
– 1. Preis: 7-tägiger Aufenthalt für zwei Personen und einen Hund im Berggasthof Johannishögl, Piding, inkl. Frühstück. Plus: Eine 7-tägige ambulante Vorsorge für den vierbeinigen Freund.
– 2. Preis: 4-tägiger Aufenthalt für zwei Personen und einen Hund (s.o.) und eine 4-tägige ambulante Vorsorge für den vierbeinigen Freund (s.o.).
– 3. Preis: 2-tägiger Aufenthalt für zwei Personen und einen Hund (s.o.) und eine 2-tägige ambulante Vorsorge für den vierbeinigen Freund (s.o.).
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen! Die Teilnahme an dem Gewinnspiel ist nicht an den Kauf von WUFF gebunden.
WUFF STELLT VOR
Die Autoren
• Dr. med. vet. Cordula Gieren c/o Vierbeiner Reha-Zentrum GmbH,
Salzburger Str. 30, D-83451 Piding
Tel.: 0049 (0)8651-762 700
• Dr. med. vet. Andreas Zohmann c/o Vierbeiner Reha-Zentrum GmbH,
Dr.-Marc-Str. 4, D-34537 Bad Wildungen
Tel.: 0049 (0)5621-802 880
• www.vierbeiner-rehazentrum.de