Hunde-Omas und -Opas sind etwas ganz Besonderes. Wir holen die grauen Schnauzen vor den Vorhang und stellen jeden Monat einen Hunde-Oldie vor. In Teil 3 erzählt Christine W. über die zwölfjährige Galgo-Hündin Negra.
Die gemeinsame Geschichte von Halterin Christine W. und Negra begann im Juni 2011: »Da habe ich Negra auf der Internetseite des Tierheimes Landsberg unter Privatvermittlungen gesehen. Negra war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 14 Monaten auf ihrer Pflegestelle, sie war aus Spanien gekommen. Ich war auf der Suche nach einem zweiten Hund zu meinem Rüden Pippo. Der Zweithund sollte wie er Rennspiele lieben. Negra sah meinem Rüden sehr ähnlich. Aufgrund des ausgeprägten Jagdinteresses und einer Behinderung war Negra nicht einfach zu vermitteln. Sie mochte auch nicht jeden Interessenten. Einmal hat sie sogar einer sehr nachdrücklichen Interessentin schlussendlich ans Bein gepieselt. Nach einem ausgiebigen Probespaziergang gemeinsam mit Pippo, die Beiden mochten sich auf Anhieb, und ein paar Tagen Bedenkzeit holte ich Negra dann an meinem ersten Urlaubstag ab. Sie ließ sich problemlos ins Auto heben, das mache ich bis heute immer, und das Pflegefrauchen kämpfte mit Tränen.«
Schlimme Vorgeschichte
In Spanien wurde die Hündin an einer ein Meter langen Kette gehalten und mit Füßen getreten. Als sie von Tierschützern entdeckt wurde, trauten diese ihren Augen nicht: »Hinten rechts war die gesamte Gliederkette, Hüfte, Knie, Sprunggelenk, nach Brüchen nur bindegewebig verheilt«, beschreibt Christine W. den schlimmen Zustand der Hündin, die schnellstens nach Deutschland auf eine Pflegestelle gebracht wurde. »Von der Pflegestelle habe ich alle Informationen. Laut Röntgenbefund hätte sie eigentlich nicht laufen können. Becken, Hüfte und Gelenke waren schief. Es hätte dreier sehr großer und aufwändiger Operationen mit unsicherem Ausgang und jeweils monatelanger Ruhigstellung bedurft. Das wollte man dem lebenslustigen, jungen Hund nicht antun. Und laufen konnte sie ja, noch dazu schnell – bis zu 60 km/h bergauf, das habe ich einmal gestoppt. Obwohl sie so furchtbar misshandelt worden ist, mag sie auch Männer und lässt sich von jedem Fremden und jeder Fremden streicheln.«
Souveräne Chefin
Negra ist jetzt bereits seit neun Jahren bei Christine W. und war von Anfang an eine sehr souveräne und gut erzogene Hündin. »Sie geht einwandfrei an der Leine und reagiert (fast immer) auf den Rückruf. An ihrem einzigen Problem – sie jagte auf Sicht, wenn sie etwas nicht mehr sehen konnte, kam sie aber gleich zurück – haben wir unsere gesamte gemeinsame Zeit lang gearbeitet. Durch den sehr ausgeprägten Jagdinstinkt der Hunde, den Aufruf zur Jagd gab immer die Dritte im Bunde, ein Vollblut-Terrier-Mädchen, sind Spaziergänge viele Jahre lang oft sehr aufregend gewesen«, erinnert sich die Halterin an die erste Zeit mit Negra.
Seit fünf Jahren betreibt Christine W. eine kleine Hundepension, in der Negra für Ruhe und Ordnung sorgt: »Bis zu drei Gasthunde leben mit mir und meinen eigenen drei Hunden im Haushalt. Jeder Gastvierbeiner muss sich vor meiner Zusage zum Hüten bei uns vorstellen und dann wird entschieden, ob der Hund kommen darf. Fast immer wird Negra problemlos als Chefin anerkannt, und dann gibt es keinen Ärger und so gut wie keine Differenzen. Im Allgemeinen reicht es, wenn sie geringfügig eine Lefze hebt oder vor dem Bett/Sofa steht, wo ein anderer Hund liegt und sie jetzt liegen möchte. Wenn es um Leckerlis geht, müssen alle Hunde Sitz machen, Negra musste das wegen der Behinderung nie tun und steht trotzdem immer in der ersten Reihe.«
Verschmuster im Alter
Vor zwei Jahren musste Christine W. unerwartet von ihrem Pippo Abschied nehmen: »Er fiel plötzlich spätabends im Garten tot um. Seither ist es viel ruhiger geworden.« Aufgrund ihrer alten Verletzungen bekam Negra bereits in den mittleren Lebensjahren Traumeel. Seit diese nicht mehr ausreichen erhält sie Schmerzmittel und seit einiger Zeit Herzmedikamente sowie ein Medikament für die Schilddrüse. »Mit den Medikamenten geht es ihr auch heute noch gut, manchmal darf sie auf einer übersichtlichen Wiese noch freilaufen und rennen. Sie ist unverändert sehr schnell, kann aber aufgrund ihrer Behinderung nicht bremsen und schlecht lenken. Da sie nicht schwimmen kann, geht sie nur so weit ins Wasser, wie sie stehen kann. Sie springt auch nur aufs Sofa, ins Auto wird sie ja von Anfang an gehoben, darauf wartet sie auch«, beschreibt Christine W. den aktuellen Gesundheitszustand von Negra. »Katzen haben es ihr aber immer noch angetan. Wenn sie eine sieht, kommt es immer noch zu Übersprungshandlungen, sie beißt dann sehr energisch in die Leine.«
Mit zunehmendem Alter hat sich Negra auch charakterlich ein wenig verändert: »Sie ist immer verschmuster und auch sehr anhänglich geworden und schläft natürlich auch mehr. Bei Spaziergängen geht sie am liebsten bei mir an der Leine. Trotzdem ist sie immer noch fast unangefochtene Rudelführerin, nur meine kleine Terrier-Dame versucht von Zeit zu Zeit, ihr die Führung abzunehmen. Dann quietscht Negra mal, und die Verhältnisse sind wieder geklärt. Negra zeigt eindeutig, was sie möchte und ist da auch sehr zielstrebig z. B. wenn ich eine Tür öffnen soll oder sie bei aufziehendem Gewitter neben meinem Bett liegen möchte«, schildert die Halterin. »Für mich ist Negra der charakterstärkste Hund, den ich kenne. Und ich kenne und hatte schon viele Hunde. Sie ist eine ganz große Kämpferin, die trotz ihrer Behinderung das Leben genießt. Man sieht es ihr – immer noch – bei jedem Spaziergang und auch zu Hause noch an.«