Österreichs vierbeinige Helden im Iran

Von Johann Wagensommerer

27. Dezember 2003 Nachmittag: Drei Transportmaschinen vom Typ Iljuschin 76 und eine Passagiermaschine heben vom Flughafen Wien-Schwechat ab. Ziel ist die Region Bam im Südosten des Iran. Insgesamt begeben sich 120 Personen aus allen Bundesländern Österreichs in das Einsatzgebiet: 102 Experten des österreichischen Bundesheeres und 18 Suchhundeteams aus den zivilen Rettungshundeorganisationen der Österreichischen Hundesport Union (ÖHU Suchhundestaffel), der Feuerwehr Wien, der Feuerwehr Kapfenberg und der Österreichischen Rettungshundebrigade.

Erkundungskommando mit iranischer Luftwaffe
In den Abendstunden erreichte das Hilfskontingent die Provinzhauptstadt Kerman, ca. 180 km nördlich des Katastrophengebiets. Ein Vorkommando von 10 Personen wurde unmittelbar darauf mit einer Maschine der Iranischen Luftwaffe für eine erste Lagebeurteilung nach Bam geflogen. Dem Erkundungskommando bot sich bei seiner Ankunft ein grauenhaftes Bild: Schon am Flughafen konnte die Katastrophe erahnt werden, der iranische Rote Halbmond betrieb dort ein Lazarett für Erdbebenopfer, die in iranische Spitäler ausgeflogen werden sollten.
Dutzende Tote stapelten sich bereits vor der Ankunftshalle des Flughafens. Auf dem Weg in die Stadt Bam wurde das Ausmaß des Erdbebens erst richtig klar: Eine Stadt von ca. 150.000 Einwohnern war dem Erdboden gleichgemacht. Es gab kein einziges Haus mehr, das das Beben unbeschadet überstanden hatte, der Großteil war überhaupt nur mehr ein Ziegelhaufen. Von einer 4.000 Jahre existierenden Hochkultur an der Seidenstraße blieben nur mehr Trümmer übrig. Nach Angaben der „Internationalen Föderation von Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes“ wurden über 20.000 Menschen getötet, 30.000 verletzt und 100.000 obdachlos.

1.700 Helfer aus 65 Nationen
Das Vorkommando nahm unmittelbar nach dem Eintreffen mit dem Deutschen Technischen Hilfswerk und dem schweizerischen Korps für humanitäre und Katastrophenhilfe Kontakt auf, um den effizienten Einsatz von Hilfskräften zu koordinieren. Inzwischen etablierte sich auch ein „On Site Operations Coordination Center“ der Vereinten Nationen unter der Leitung von Jasper Lund. Nachdem dann auch die Rette- und Bergeteams nachgekommen waren, begann die Arbeit. 62 Einheiten aus 35 Ländern in einer Gesamtstärke von ca. 1.700 Personen versuchten, zusammen mit Hilfskräften aus allen Teilen des Irans, Überlebende zu finden und zu retten. Dazu wurde Bam in 10 Sektoren aufgeteilt, um durch den Einsatz von Rettungshunden und technischer Ortung flächendeckend ein aktuelles Lagebild zu erhalten. Dadurch konnte man schwerpunktmäßig dort, wo ein Überleben am ehesten wahrscheinlich erschien, Rette- und Bergekräfte gezielt einsetzen.

Bis zur Erschöpfung
Dem Kontingent der Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) wurde ein Schadenssektor im Zentrum der Stadt zugewiesen. Die Einsatzkräfte begannen sofort mit der Suche nach Verschütteten. Trotz des Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel konnten jedoch nur Tote gefunden und geborgen werden. Trotzdem arbeiteten die Österreicher, wie auch alle anderen nationalen und internationalen Kräfte, bis zur Erschöpfung und gaben die Hoffnung nicht auf.
Am 1. Jänner 2004 haben von den Helfern das AFDRU-Kontingent und das dänische Team als Letzte die aktive Suche eingestellt. Ein Team wurde allerdings noch bereitgehalten, um auf Anforderung der nationalen oder internationalen Behörden sofort eingesetzt werden zu können. Der Rest des Kontingents begann mit dem Abbau des Lagers und übergab Verpflegung, Zelte und Medikamente an humanitäre Missionen, die noch länger im Einsatzraum zum Wiederaufbau verbleiben. Am 2. Jänner 2004 traf das Kontingent der österreichischen militärischen Katastrophenhilfe völlig erschöpft, aber gesund und glücklich, Solidarität bewiesen zu haben, am Flughafen Wien-Schwechat ein und wurde in den darauffolgenden Stunden demobilisiert.

Allah und ein dänischer Suchhund retteten 93-Jährige
Am 3.1.2004 konnte mit Hilfe eines vor Ort verbliebenen Suchhundes eines dänischen Teams eine 93-j. Frau lebend aus den Trümmern gerettet werden. Ihre ersten Worte: „Allah hat mich gerettet. Gebt mir mein Gebiss und Wasser!“
Durch den Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft konnte dem Ausbruch von Seuchen entschieden vorgebeugt werden. Zudem erhielt die Bevölkerung psychisch und moralisch große Unterstützung, was auch von den Betroffenen selbst, wie auch von Seiten der Iranischen Regierung, im Besonderen von Staatspräsident Khatami, der die Hilfskräfte auch persönlich besuchte, immer wieder deutlich ausgedrückt wurde. Das, was die Hilfskräfte dort erlebten, wird wohl keiner von ihnen vergessen. Doch das Gefühl, Menschen im Leid durch professionelle Hilfe zur Seite gestanden zu haben, wog wohl alle physischen und psychischen Strapazen auf.




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Österr. Bundeswarnzentrale

Das EU-Monitoring-Information-Center (EU-MIC) informierte am späten Nachmittag des 26. Dezember 2003 die Bundeswarnzentrale im Innenministerium in Wien über das eingegangene Hilfsersuchen des Iran für „search and rescue teams“. Von der im Innenministerium für das staatliche Krisenmanagement und die internationale Katastrophenhilfe zuständigen Abteilung wurde diese Meldung sofort an alle Ministerien, die Landeswarnzentralen in den Bundesländern, sowie zivile Rettungsorgansiationen weitergeleitet, um entsprechende Maßnahmen planen und organisieren zu können.

Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU)
Die AFDRU ist eine Einheit der ABC-Abwehrschule des Österreichischen Bundesheeres, die für Auslandseinsätze zuständig ist. Das im Iran tätige Kontigent bestand aus insgesamt 120 Personen, darunter 18 Personen aus zivilen österreichischen Rettungshundeorganisationen (ÖHU-Suchhundestaffel, Österr. Rettungshundebrigade, Feuerwehren Wien und Kapfenberg). Daraus wurden 4 Rette- und Bergegruppen gebildet. Das AFDRU-Kontingent war vor Ort völlig autark (Sanitäter und Versorgungspersonal, sowie sämtliches Material inklusive aller Geräte, Unterkunft und Versorgung).
Die zivilen Rettungshundeteams werden vom Bundesheer nach sehr strengen Kriterien ausgewählt, weshalb man über Österreichs bestausgebildete Rettungshunde verfügt. Diese professionelle Zusammenarbeit des Bundesheeres mit zivilen Organisationen hat sich bei den Katastropheneinsätzen in der Türkei und in Algerien bereits bewährt. Die Aufgabe der zivilen Rettungshundeteams besteht in der Ortung verschütteter lebender Personen, die dann von Kräften des Bundesheeres gerettet, geborgen und erstversorgt werden. Darin besteht auch die Stärke der AFDRU, dass Alles (Ortung, Rettung, Bergung und Versorgung von Opfern) in einem Team passiert! Aus diesem Grund verfügt die AFDRU bereits über ein hohes internationales Ansehen.




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ÖHU-Suchhundestaffel

Die Österr. Hundesport Union bildet Hundeführer und Hunde in Theorie und Praxis zu national und international einsatzfähigen Rettungsteams aus. Die Schwerpunkte sind Lawinensuche, Vermisstensuche und Verschüttetensuche. Rund 20 Mal im Jahr bewähren sich die Teams der ÖHU-Suchhundestaffel bei Einsätzen in ganz Österreich, wie beispielsweise beim Lawinenunglück in Galtür, Tirol, oder bei der Gasexplosion in Wilhelmsburg, Niederösterreich. Neben diesen nationalen Einsätzen verfügt die Staffel aber auch bereits über große internationale Erfahrung. So waren ihre Suchteams zusammen mit dem Österr. Bundesheer bei Erdbebenkatastrophen in der Türkei (zwei Mal), in Algerien und kürzlich im Iran im Einsatz.
Die Suchteams der ÖHU-Suchhundestaffel im Iran: Arthur Novak (Staffelkommandant) mit DS-Rüden Cim aus Salzburg, Martina Hofinger mit Golden Retriever-Hündin Pinou aus Krems, NÖ., Franz Klauda mit Mischlingsrüden Max aus Zöbing, NÖ. und Christine Unzeitig mit Schäfermischlingshündin Gina aus Strasshof, NÖ.
– Weitere Informationen: Pressereferent Johann Wagensommerer, Tel. 0664/ 8184276, E-Mail: waso@ktv-krems.at
www.suchhunde.at




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Suchhund erlitt während des Einsatzes Magendrehung: Erfolgreich notoperiert
Ein Bericht der WUFF-Redaktion

Während des Einsatzes bei der Erdbebenkatastrophe in Bam hatte der 8-jährige Schäferhundrüde Ilo (Tassilo aus der Königshöhle) von Magdalena Koczera (Feuerwehr Wien) eine Magendrehung erlitten. Durch die sehr rasche Diagnose und sofort angeschlossene improvisierte Notoperation der Tierärztin Dr. Ulrike Winter konnte dem Hund das Leben gerettet werden. Einen ausführlichen Bericht über die dramatische Situation finden Sie unter "Rettungshund erlitt Magendrehung" in dieser Ausgabe..

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