Ein guter Wächter, Mäusefänger und Viehtreiber und nicht zuletzt der Liebling seiner Familie – ein oft hochgeschätzter, aber leider viel zu unbekannter Haus- und Hofhund mit unauffälligem Äußeren: Das ist der Österreichische Pinscher. Seit den Anfängen seiner offiziellen Zucht in den zwanziger Jahren und seiner Anerkennung durch den Österreichischen Kynologenverband (ÖKV) 1928 fuhr seine Rassegeschichte mit ihm gewissermaßen auf der Achterbahn. Die Probleme lagen – und liegen auch heute noch – beim sehr kleinen Genpool, bei verantwortungslosen Züchtern, die über Inzucht zum schnellen Ausstellungserfolg kommen wollten, und der Unbekanntheit der Rasse. Ein weiterer Schritt zu einem größeren Bekanntheitsgrad ist mit vorliegendem Artikel ja schon getan, und auch zur Erweiterung des Genpools gibt es Möglichkeiten – nämlich die Einkreuzung von „Landpinschern“.
Was ist ein „Landpinscher“?
„Landpinscher“ sind Hunde, die in Wesen und Aussehen dem Bild des Österreichischen Pinschers entsprechen, aber keinen Abstammungsnachweis besitzen. Von ihren Besitzern meist für Mischlinge gehalten, wird man zunächst überrascht bis mitleidig belächelt, wenn man auf die Ähnlichkeit mit dem Österreichischen Pinscher hinweist. Die Wenigsten sind sich der Existenz der Rasse bewusst, und außerdem waren doch auch die Eltern ihres Hundes „wilde Mischlinge“. Genau! Denn oft sehen auch Kreuzungen z.B. aus Boxer und Terrier dem Pinscher zum Verwechseln ähnlich. Diese Rassekreuzungen sind natürlich keine Landpinscher. Die „echten Österreicher“ sind eine so genannte Landrasse und leider schon sehr selten geworden. Bei vielen anderen Rassen sind die früheren Landrassen bereits ausgestorben.
Einkreuzen in der Hundezucht nicht neu!
Das Einkreuzen von „Landhunden“ bzw. anderen Rassen ist in der Hundezucht keineswegs neu, nur seit der Schließung der Zuchtbücher die Ausnahme geworden. Das ist wohl auch der Grund, warum leider so mancher Züchter es in dieser Beziehung noch immer nicht schafft, über seinen Schatten zu springen und einen Landpinscher bzw. „Registerhund“ (im Register des ÖKV werden Hunde eingetragen, die weniger als 3 bekannte Ahnengenerationen in ihrem Abstammungsnachweis aufweisen) in die Zucht zu nehmen. Und das, obwohl – um den Genpool zu vergrößern – beispielsweise in Finnland bei den Lapinkoiras und Lapinporokoiras in größerem Ausmaß Landhunde unbekannter Herkunft eingekreuzt werden, bei den Deutschen Pinschern Mittelschnauzer und Dobermänner zur Vergrößerung der Zuchtbasis genutzt wurden und für den Basenji in den USA das African Stock Project ins Leben gerufen wurde (Import von ursprünglichen Vertretern der Rasse in der Urheimat). Durch diese Vorgehensweise können Probleme, die aus Inzucht aufgrund von sehr kleinen Populationen resultieren, zum Teil vermieden werden. Folgen von Inzucht können sein: verminderte Anpassungsfähigkeit und Vitalität, erniedrigte Resistenz gegenüber Krankheiten, Fruchtbarkeitsprobleme, geringere Lebenserwartung, vermehrtes Auftreten von Erbkrankheiten und vieles andere mehr. Beispielsweise wurde in einer Studie an Pudeln festgestellt, dass Tiere mit einem Inzuchtkoeffizienten (IK) unter 6,25% um durchschnittlich 4 Jahre älter wurden als Pudel mit einem IK über 25%.
Genpoolerweiterung
Glücklicherweise sind aber viele Pinscherfreunde offen für diese Idee zur Genpoolerweiterung – und es werden immer mehr! In den letzten Jahren gab es bereits wieder einige Einkreuzungen von „Landpinschern“. Würfe nach diesen Hunden sind teilweise schon in 2. und 3. Generation vorhanden und durchwegs vielversprechend. Einkreuzungen von „Landpinschern“ werden aber, um eine stabile Zuchtbasis aufbauen zu können, in noch größerem Ausmaß notwendig sein. Sollten Sie also in der Beschreibung des „Landpinschers“ ihren Hund wiedererkannt haben und Interesse an einer Beteiligung zur Erhaltung der Rasse haben, dann melden sie sich bitte bei uns (s. Kasten am Artikelende).
Anlässlich einer vom ÖKV organisierten Sonderschau für Österreichische Pinscher wurde beispielsweise die „Landpinscherin“ Linda ins Zuchtbuch eingetragen, und wir dürfen uns bereits über einen Wurf mit 7 Welpen von ihr freuen. Um die Rasse auf offizieller Ebene besser fördern zu können, wurde auch die schon länger schwelende Idee einer Klubgründung in die Tat umgesetzt, und der „Klub für Österreichische Pinscher“ übt sich nun in seinen ersten kleinen Schritten. Im Rahmen dieses Klubs starten wir nun einen letzten Versuch, um die Erhaltung dieser Rasse zu sichern. Die Schwerpunkte sollen in der Erhaltung des typischen Wesens und der Arbeitsfähigkeit am Hof, der robusten Gesundheit und der natürlichen Vielfalt liegen.
Vielfalt als Rassemerkmal!
Ein paar Worte zur Vielfalt: Für die meisten Menschen definieren sich Rassen vor allem durch ihr Aussehen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass man bei einer größeren Ansammlung von Pinschern oft so oder ähnlich angesprochen wird: „Die sehen ja so unterschiedlich aus! Das kann doch keine Rasse sein!“ Bevor der „Schönheitswahn“ in der Hundezucht aufkam, war dies aber bei sehr vielen Rassen so. Insbesondere Haus- und Hofhundrassen konnten meist so gut wie alle Farben, unterschiedliche Haarlängen, Ohr- und Rutenformen usw. haben. Der Typ und insbesondere die Eignung als Hofhund waren ausschlaggebend. Auch heute bringen Rassestandards und phänotypisches Bild einer Population diese Vielfalt noch zum Ausdruck. Man sehe sich z.B. den Islandhund, die Border Collies, die Altdeutschen Hütehunde, Lapinkoiras – um nur ein paar zu nennen – an. Diese Vielfalt auch beim Österreichischen Pinscher zu erhalten und als anerkanntes Rassemerkmal zu etablieren ist unser Wunsch. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass es nicht zur Selektion auf z.B. eine bestimmte Farbe kommt und daher auch nicht eine unnötige Einengung des Genpools notwendig wird.
Die ersten Schritte im Rahmen des Klubs für Österreichische Pinscher müssen also sein:
– Etablierung eines neuen Bewusstseins bei Pinscherzüchtern, Pinscherfreunden und Welpeninteressenten und Abstand-Nehmen von den üblichen Vorstellungen der „Schönheitszucht“.
– Auffinden und „Einbau“ von „Landpinschern“ in größerem Ausmaß zur Erweiterung der Zuchtbasis, Weiterzucht nach populationsgenetischen Kriterien unter Vermeidung von Inzucht (bspw. mithilfe der Software Opti-Mate).
– Erfassen von Daten bezüglich Gesundheit und Wesen, um Probleme zu erkennen, zu definieren und Strategien zu ihrer Bekämpfung zu finden.
Die Scherbenhaufen der „Championzüchter“ aufräumen
Die Geschichte des Pinschers hat uns jedenfalls gezeigt, dass andere Strategien gefragt sind als bisher. Die „schnelle Zucht auf schöne Hunde“ ist kein gangbarer Weg. Wir danken denjenigen, die diese Hunde aufgrund ihrer Eigenschaften als Hund und nicht als Ausstellungsobjekt kennen und schätzen gelernt haben und der Rasse bis heute die Treue gehalten haben. Gemeinsam mit ihnen beginnen wir nun die hinterlassenen Scherbenhaufen der „Championzüchter“ aufzuräumen und neue Wege für die Zukunft zu ebnen. Allerdings hängt dieses Vorhaben in überwiegendem Ausmaß von der Mithilfe aller Pinscherfreunde ab. So ein Klub organisiert sich natürlich nicht von selbst. Was aber vor allem wichtig ist, ist die Bereitschaft, sich und seinen Pinscher aktiv ins Geschehen einzubringen. Wir wünschen uns zum Beispiel viele Hobbyzüchter, die mit ihrer Hündin ein oder zwei Würfe machen und die Welpen liebevoll in der Familie aufziehen. Wollen wir hoffen, dass dieses Jahr für den Österreichischen Pinscher der Beginn einer langsamen, aber stetigen und nicht mehr endenden Bergfahrt ist.
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Österreichischer Pinscher: Wesen und Aussehen
Das Wesen des Österreichischen Pinschers ist lebhaft und aufgeweckt, er lernt sehr schnell und meldet Unbekanntes durch Bellen. Anfangs verhält er sich fremden Menschen gegenüber zurückhaltend, er sollte aber durch die erwünschte Portion Gelassenheit nicht „gschnappig“ sein. Seiner Familie schließt er sich sehr eng an, er hat keine Neigung zum Streunen und Wildern und bleibt auch beim Spazierengehen nahe beim „Herrl“. Trotzdem zeigt er eigenständige Treibarbeit an Vieh und ist ein guter und eifriger Mäusefänger.
„Funktionelles“ Exterieur
Österreichische Pinscher haben einen stämmigen und robusten Körperbau mit aufgewecktem Gesichtsausdruck. Ihr Kopf gleicht von vorne und im Profil einer Birne, und ihr funktionelles Gebäude ermöglicht ihnen ein müheloses Laufen (keine „Dackelbeine“) über lange Distanzen. Ihre eher kleinen Ohren tragen sie hängend bis halbaufgerichtet oder gefaltet, und die Rute wird in der Bewegung über dem Rücken getragen. Das wetterfeste Haarkleid ist ein kurz- bis mittellanges Stockhaar mit dichter Unterwolle, das in allen Farben vorkommt. Die Größe liegt bei 40-50 cm Schulterhöhe, das Gewicht bei 15-25 kg.
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In letzter Minute …
Ein Kommentar zum Österreichischen Pinscher,
von D.I. Dr. Hellmuth Wachtel
Dem großen österreichischen Kynologen DDr. Emil Hauck, der den Englischen Bullterrier gezüchtet und in Österreich populär gemacht hat, fielen anfangs des 20. Jahrhunderts in Niederösterreich die vielen Landpinscher als bemerkenswerter Hundeschlag auf. Bereits in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte Berta darauf hingewiesen, dass ein solcher meist gelblicher, oft schwarz gestromter Hund in Mittel- und Norddeutschland die Urform der Kulturform des Pinschers und Schnauzers darstellte.
In Österreich selten, in Deutschland bereits ausgestorben
Dieser Hund, eine Landrasse und kein Mischling, war also in Mittel- und Südosteuropa weit verbreitet. Es wird vermutet, dass er wie die Terrier und Spitze vom vorzeitlichen Torfhund abstammt. In Österreich ist er kaum noch zu finden und in Deutschland vermutlich ausgestorben, da von der Kulturrasse und anderen Rassen verdrängt. Nur in unseren östlichen Nachbarländern scheinen noch lokale Bestände vorhanden sein.
Wertvoll für die Kynologie
Während nicht wenige heutige Hunderassen durch Kreuzung entstanden sind, wie z. B. einige Terrier, ist also der Österreichische Pinscher wie sein deutsches Gegenspiel, dessen Urform er also in gewissem Sinn auch darstellt, aus einem uralten Landschlag entstanden, hat aber die ursprünglichen Merkmale im Großen und Ganzen erhalten, trotz unvermeidlicher gelegentlicher Einkreuzungen. Dies macht ihn für die Kynologie wertvoll wie eine bedrohte Tierart für die Zoologie. Und bedroht ist er leider auch, wie Frau Arhant, die Autorin des Artikels, erklärt. Es ist daher ein Lichtblick, dass man jetzt bestrebt ist, ihn mit den neuesten Erkenntnissen der Populationsgenetik für die Zukunft zu erhalten, und dass es noch Chancen gibt, frisches Blut aus noch vorhandenen lokalen Populationsresten zu integrieren. Ähnlich wie Kromfohrländer und die Jack Russell-Rassen zeigt er Variabilität, z.B. in Farbe und Ohrform, aber das ist vielleicht sogar ein gewisser Reiz der Rasse, wie bei diesen auch. Immerhin ist er auch die einzige bodenständige Nicht-Jagdhundrasse Österreichs. Zweifellos wären auch in Österreich weitere Landrassen vorhanden gewesen, die man, wie z. B. besonders in England, aber auch in der Schweiz, durch mehr Beachtung rechtzeitig als nationales Kulturgut erhalten hätte können. Es ist dies keine leichte Aufgabe und erfordert viel gemeinsames Streben, doch so kann man jetzt hoffen, dass der Österreichische Pinscher fast in letzter Minute in eine gute Zukunft blicken kann! Dies sind wir auch Emil Hauck schuldig …
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Weitere Informationen und Kontakt
– Geschäftstelle Klub für Österreichische Pinscher:
Christine Arhant, A-3073 Stössing 31, Tel. +43 (0)2744/7448, arhant@aon.at
– Welpenvermittlung: Brigitte Mangold, Oberschildbach 6,
A-3232 Bischofstetten, Tel. +43 (0)2748/8122
Internetlinks:
Klub für Österreichische Pinscher:
http://www.oe-pinscher-klub.at.tf
Verein zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen:
http://www.vegh.at
The Canine Diversity Project:
http://canine-genetics.com
The Basenji African Stock Project:
http://www.basenji.org/african/project.htm
Vereinigung für Finnische Hütehunde:
http://www.saunalahti.fi/~pls/
Schnauzer-Dt. Pinscher- Kreuzungen:
http://yarracitta.tripod.com/deutsch.htm
software Opti-Mate:
http://www.tiho-hannover.de/einricht/zucht/optimate/