Wien war im Sommer Veranstaltungsort des weltgrößten Wissenschaftskongresses zum Thema Hunde. Rund 500 Wissenschaftler berichteten über das gesamte Feld der noch recht jungen Hundeforschung, von der Genforschung über Verhaltensanalysen bis zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des jahrtausendelangen Zusammenlebens.
Neueste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass die Tiere ihre Menschen viel besser als bisher angenommen verstehen und sich erstaunlich gut auf diese einstellen können.
Das „Who is Who“ der internationalen Mensch-Hund-Forschung versammelte sich Ende Juli in Wien, um die neuesten Erkenntnisse über Hunde und Wölfe auszutauschen. Der Themenbogen spannte sich von der Entwicklungsgeschichte der Caniden in der Vergangenheit bis zum heutigen Haushund, über Verhaltensforschung, Lernverhalten und Erinnerungsvermögen, rassespezifische Eigenheiten, Sozialisierung, Kommunikation bis hin zur Beziehung zwischen Mensch und Hund und der Rolle des Hundes in der heutigen Gesellschaft.
Auch nach Jahrtausenden des Zusammenlebens sind längst nicht alle Geheimnisse gelüftet. Fest steht: Hunde verstehen Menschen außerordentlich gut – wie und warum, bleibt umstritten. Wissen um das Tier und Respekt vor ihm waren die zentralen Anliegen des Kongresses. Im Zusammenleben von Hunden und Menschen in einer immer künstlicher werdenden Umwelt kommt es immer wieder zu Problemen.
Um Hunde besser erziehen zu können, muss man sie und ihre Verwandten verstehen und erforschen, betont Kognitionsbiologin Friederike Range von der Universität Wien, die sich der Verhaltensforschung widmet. Der Biologe Prof. Kotrschal ergänzt: „Der Hund ist unser am längsten dienender und engster Tiergefährte – und das kommt nicht von ungefähr“. Er verwies vor allem auf die soziale Funktion, die die Tiere im Zusammenleben erfüllen. Der Forscher tritt für eine Sozialbeziehung auf Augenhöhe ein – und kritisiert „Husch-Pfusch“-Aktionen wie die Einführung des verpflichtenden Wiener Hundeführscheins für einige Rassen. Wissenschaftlich sei diese Aktion sinnlos.
Teambildung zwischen Zwei- und Vierbeiner
Auch mit einem weitverbreiteten Missverständnis räumte Kotrschal auf: Hunde werden in der Stadt keineswegs grundsätzlich schlechter gehalten und brauchen auch nicht unbedingt einen eigenen Garten, wie es oft heißt. Entscheidend seien nicht das Leben auf dem Land oder beispielsweise ausgiebiges Schmusen, sondern die Teambildung zwischen Zwei- und Vierbeiner. Diese entsteht in erster Linie durch gemeinsame, artgerechte Aktivitäten.
Gute Mensch-Hund-Beziehung tut Menschen und Hunden gut
Neben Verhaltensstudien führen die Forscher auch immer wieder Analysen durch, bei denen sie den Stress von Tier und Mensch in verschiedenen Situationen prüfen. Praktisch wird dies über den Gehalt an Cortisol im Speichel bestimmt, Cortisol gilt als Stresshormon. Auf diese Weise untersuchte Iris Schöberl von der Universität Wien das Stressniveau von 22 unkastrierten Rüden und deren männlichen und weiblichen Haltern (Schöberl et al., Stress coping in human-dog dyads, CSF 2010). Bei vielen experimentell erzeugten Stresssituationen, wie etwa einem Tierarztbesuch, wurde praktisch keine Erhöhung der Cortisol-Konzentration gefunden. Hingegen reagierten sowohl die Hunde wie auch ihre männlichen Halter mit Stress, wenn im eigenen Heim Besuch kommt. Das hohe Stressniveau hält ca. 20 Minuten an, berichtet Iris Schöberl in ihrer Arbeit. Beim Tier sei das relativ einfach mit dem Territorialverhalten zu erklären, so Schöberl, warum auch die Menschen dabei Stresserscheinungen zeigen, sei dagegen noch unklar. Interessant auch folgendes Ergebnis einer Stressanalyse mittels Cortisolmessungen: Hunde, die von ihrem Besitzer als Sozialpartner oder als wichtiger Gefährte betrachtet werden, haben ein geringeres Stressniveau als solche, bei denen dies nicht der Fall ist. Dies beweist den reziproken Effekt einer intakten Mensch-Hund-Beziehung. Nicht nur Hunde haben einen positiven Einfluss auf ihre Menschen, sondern diese auch auf ihre Hunde.
Hund & Wolf: So ähnlich und doch so unterschiedlich
„So ähnlich und doch so unterschiedlich“ sind für die Grazer Zoologin Margit Auer Hunde und Wölfe. Die Wissenschaftlerin präsentierte eine Studie, bei der das Verhalten von Wölfen beim Spazierengehen an der Leine analysiert wurde (Auer et al., Leash walking as a model for cooperation between humans and wolves, 2010). Die Untersuchungen wurden am Wolf Science Center im niederösterreichischen Ernstbrunn in Zusammenarbeit mit der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) und der Universität Wien durchgeführt.
Der deutlichste Unterschied zwischen Hunden und Wölfen ist, dass letztere nie mit einem Fremden mitgehen würden. „Fremden Erwachsenen gegenüber sind Wölfe sehr ängstlich“, erklärt Auer. Damit die Sache mit der Leine funktioniert, muss der Wolf von einem ihm gut bekannter Menschen ausgeführt werden.
Doch auch dann heißt es aufzupassen und Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Jeden Hund, der in Sichtweite kommt, betrachtet der Wolf als Beute, Ähnliches gilt für Kleinkinder. Sind alle möglichen Probleme ausgeschaltet, braucht das Tier viel Freiraum, mehr als ein Hund. Dabei ist der Wolf laut Auer aber durchaus in der Lage Regeln zu erlernen, etwa „bei Fuß“ zu gehen oder nicht an der Leine zu ziehen. Bei den Analysen zeigte sich bezüglich des Leinenzugs eine gegenseitige Aufschaukelung von Wolf und Halter: Zieht das Tier stärker, macht das auch der Mensch am anderen Ende der Leine und umgekehrt.
Trainiert wird ausschließlich über Belohnungen, sprich Futterhäppchen, Bestrafungen sind tabu, betonte die Wissenschaftlerin. Erstaunlicherweise verbesserte allzu häufige Belohnung nicht die Kooperation zwischen Wolf und Mensch, wie die Auswertungen ergaben.
Generell wendet sich ein Wolf weniger dem Menschen zu als ein Hund. Er sucht deswegen auch seltener Augenkontakt zum menschlichen Gefährten. Schon gar nicht himmelt er seinen Besitzer an, wie es manche domestizierte vierbeinige Verwandte tun. Dennoch schenkt auch der Wolf einem bekannten Halter durchaus Aufmerksamkeit. Die Wölfe, mit denen die Versuche angestellt wurden, sind durchwegs vom Menschen aufgezogen und haben immer engen Kontakt mit diesen gehabt. Auch wenn es mehr oder weniger hundeähnliche Charaktere gibt, bleibt ein Wolf immer ein Wolf, so das Fazit.
Kinder interpretieren hundliche Mienen oft falsch
Grundsätzlich ist der positive Einfluss von Hunden auf die kindliche Entwicklung unbestritten. Nicht nur das Wohlbefinden, sondern sogar Lernerfolge von Schülern können mit tierischer Unterstützung signifikant verbessert werden. Und dennoch sind es meist Kinder, die überproportional häufig von Hunden gebissen werden. Der Grund könnte u.a. darin liegen, dass Kinder und Hunde nicht nur aneinander vorbei kommunizieren, sondern dass sie die Signale des anderen sogar oft völlig falsch interpretieren.
Eine Studie von Kerstin Meints von der Universität Lincoln, Großbritannien, berichtet, dass besonders vierjährige Kinder die gefletschten Zähne eines Hundes – ein eindeutiges Warnsignal – als lächelndes, glückliches und freundliches Gesicht interpretieren (Meints et al. , Child-dog misunderstandings, CSF 2010). Dies ist auch dann der Fall, wenn diese Kinder mit einem Hund aufwachsen. 64% der Vierjährigen sehen diese hundliche Miene vielmehr als Aufforderung zur Kontaktaufnahme – was fatal enden kann. Warum das Problem gerade in diesem Alter auftritt, kann bis dato nicht beantwortet werden.
Fünf- und Sechsjährige liegen mit einer Fehlinterpretation von 25 und 35 Prozent zwar auch oft daneben, aber offensichtlich lernen Kinder doch, dass menschliche Gesichtsausdrücke nicht einfach auf andere Spezies umgelegt werden können. Eltern muss also dringend geraten werden, den Kleinen genau zu erklären, wie im Gesicht eines Hundes zu lesen ist. Im Übrigen beißt laut wissenschaftlichen Erkenntnissen keine Rasse – oder auch Größe – Kinder besonders oft.
Hundliche Interpretation von Zeige-Gesten: Befehl oder Information?
Dass Hunde Zeige-Gesten der Hände von Menschen verstehen, ist schon mehrfach wissenschaftlich dokumentiert und auch in WUFF publiziert worden (Miklosi, WUFF 2003). Was hinter diesem Verhalten des Hundes steckt, untersuchte Linda Schneider vom Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Ausgangspunkt war die Fragestellung, ob ein Hund die Zeige-Geste seines Halters als Befehl oder aber nur als Information interpretiert.
Durch eine spezielle Studienanordnung mit zwei verdeckten Näpfen, von denen jeweils einer Leckerlis enthielt, wollte man diese Frage untersuchen. Die Hunde konnten sich jeweils für einen der beiden Näpfe entscheiden, wobei sie manchmal vorher sehen durften, welcher Napf der leere war. Nun wurden den Hunden die Napfpaare präsentiert, einerseits ohne Beisein des Halters, und andererseits im Beisein des Halters, der dann stets auf den leeren Napf zeigte.
Das Konzept hinter der Studie: Betrachtet der Hund diese Zeige-Geste seines Halters als Befehl, dann würde er häufiger den leeren Napf aufsuchen, wenn seine Autorität, also der Halter, darauf zeigt, als wenn er allein vor der Entscheidung steht. Wird die Zeige-Geste des Menschen hingegen als bloß informativ betrachtet, würde sich der Hund eher auf sein eigenes Wissen, welcher Napf voll und welcher leer ist, verlassen.
Letzteres war dann tatsächlich häufiger der Fall, sodass das Ergebnis der Untersuchung dafür spricht, dass Hunde die Zeige-Geste ihrer Halter eher als informativ denn als autoritativ betrachten.
Weitere Forschungsergebnisse lesen Sie in WUFF
Dieser Bericht über das Canine Science Forum konnte aus Platzgründen nur einige wenige der zahlreichen Forschungsergebnisse darstellen und auch dies nur in der gebotenen Kürze. Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse der Hundeforschung, die auf dieser Veranstaltung präsentiert wurden, finden Sie in weiteren WUFF-Ausgaben.
Im nächsten WUFF ein Bericht über die häufigsten unerwünschten Verhaltensweisen von Hunden!